Menschenrechtler warnen zu Weihnachten vor Angriffen auf Christen

"Eine besonders gefährliche Zeit"

Weihnachten soll das Fest der Liebe sein. Aber gerade diese Zeit ist für viele Christen weltweit gefährlich. Denn die Feiertage wurden in der Vergangenheit mit Angriffen auf Christen überschattet. Davor wird auch in diesem Jahr wieder gewarnt.

Altar in teilweise zerstörter syrischer Kirche / © Uygar Onder Simsek (KNA)
Altar in teilweise zerstörter syrischer Kirche / © Uygar Onder Simsek ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sagen, die Bedrohung für Christen an Weihnachten gilt vor allem in Ägypten, Libyen, Saudi Arabien, Nigeria, Afghanistan, Jemen, Syrien und Somalia. Das sind ganz unterschiedliche Länder. Warum ist denn ausgerechnet dort die Bedrohung so groß?

Martin Lessenthin (Vorstandssprecher der Internationen Gesellschaft für Menschenrechte): Diese Länder haben eine spezifische Gemeinsamkeit. Und zwar gibt es in den Ländern in organisierter Form große islamistische Gruppierungen oder ähnliche militante Muslime, die auch bewaffnet sind und über eine gewisse Logistik verfügen, aus der hinaus sie Übergriffe planen und steuern können. Das sind keine Einzeltäter bei den größeren Anschlägen, sondern Gruppen, die das machen.

DOMRADIO.DE: Gibt es Beispiele aus der Vergangenheit, die belegen, dass Weihnachten eine besonders gefährliche Zeit für Christen ist?

Lessenthin: Ja, leider gibt es die. Im Moment steht zu befürchten, dass die Situation noch schwieriger wird und es zu noch mehr Anschlägen kommen könnte. Es gibt diese Anschläge in der Adventszeit, zu Weihnachten selbst, auch in Weihnachtsgottesdiensten, sogar zu Ostern und zu Pfingsten. Immer wenn christliche Termine und Feierlichkeiten denjenigen, die übergreifen wollen, bekannt sind.

Das Schlimmste, finde ich, ist, dass ein Teil der Übergriffe sogar von staatlichen Institutionen geduldet oder unternommen wird. Als Beispiel möchte ich die Religionspolizei in Saudi Arabien nennen, die dafür bekannt ist, dass sie gerade in den Weihnachtstagen oder auch zu Ostern kommt und christliche Hausgruppen und Gemeinden festsetzt und in irgendeiner Weise drangsaliert. Saudi Arabien deswegen herausgegriffen, weil dies ein Staat ist, der aus Deutschland Waffen importiert, und der gemeinhin so dargestellt wird, als wäre er ein verlässlicher Partner für Demokratie und Pluralität, quasi ein Bündnispartner des Westens.

DOMRADIO.DE: Die Regierungen  wollen die Christen im Land zum Teil gar nicht schützen?

Lessenthin: Ja. Ich möchte trotzdem noch eins sagen. Das erste, was sie tun müssten, ist in Bildung zu investieren. In allgemeine Bildung, aber auch in Menschenrechtsbildung. Viele sagen, sie sollen in Polizei und Überwachung investieren - das ist in diesen Ländern auch nötig - aber wenn die Bildung nicht voran geht, wenn es kein Bewusstsein dafür gibt, dass keine Religion über dem Gesetz steht, dass alle Menschen vor dem Gesetzt gleich sind, egal welcher Religion sie angehören, dann wird man natürlich auch militante Gruppen und Einzeltäter nie dazu bringen, ihr Verhalten zu reflektieren und zu verändern.

DOMRADIO.DE: Könnte man politisch von außen einwirken und die Situation der Christen verbessern?

Lessenthin: Das kann man. Wenn die Vertreter dieser Länder, zum Beispiel Ägypten, sich mit Vertretern der Europäischen Union oder auch aus Deutschland treffen. Wenn über wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen wird und auch über gemeinsame Perspektiven, zum Beispiel im Hinblick auf die Bekämpfung von Fluchtursachen, dann ist es die Aufgabe der Gesprächspartner aus dem demokratischen Staaten, darauf hinzuweisen, welche Defizite es eben bei der Bildung gibt oder auch im Rechtssystem oder bei der beruflichen Ausbildung von Polizisten, die eben auch lernen müssen, dass sie für jeden Staatsbürger, für jeden Steuerzahler, zum Beispiel in Ägypten, den gleichen Schutz und das gleiche Engagement an den Tag legen müssen. Und, dass sie nicht den Täter, der muslimisch ist, schonen dürfen, weil das Opfer nur ein koptischer Christ gewesen sei.

DOMRADIO.DE: Fällt Ihnen spontan ein Beispiel ein, wo dieses Einwirken von außen etwas gebracht hat? 

Lessenthin: Es hat zumindest gebracht, dass Regierungen sich dazu äußern und Verbesserungen geloben. Allerdings ist dieses Einwirken von außen aus unserer Sicht als Menschenrechtler noch längst nicht in der ausreichenden Weise erfolgt. Es muss viel mehr Konsequenz dahinter stehen und es darf nicht ein Lippenbekenntnis sein. Wir erleben oft bei der internationalen Diplomatie, dass im Hinterzimmer irgendwelche Listen und Bitten übergeben werden und dass man ansonsten die politischen Verantwortlichen in Ruhe lässt und sich mit Fototerminen abfindet. Das darf eben nicht sein, wenn es um die Religionsfreiheit, um den Schutzerfolg der Minoritäten und die Menschenrechte allgemein geht.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Martin Lessenthin / © Internationale Gesellschaft für Menschenrechte / IGFM
Martin Lessenthin / © Internationale Gesellschaft für Menschenrechte / IGFM
Quelle:
DR