Dem Mythos "weiße" Weihnacht auf der Spur

Kommt dieses Jahr der "Traum in weiß"?

Für viele soll das Weihnachtsfest ein Traum in Weiß sein: romantisch eingeschneit unter dem Tannenbaum sitzen und gemütlich den fallenden Flocken zusehen. Das werden aber wieder einmal die wenigsten können.

Autor/in:
Christoph Koitka
 (DR)

In diesem Jahr wird es ohne jeden Zweifel «weiße» Weihnachten in Deutschland geben. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) garantiert den kristallinen Niederschlag, wenigstens für die Zugspitze. Wer nicht zufällig dort wohnt, muss sich mit der Statistik trösten: Auch früher gab es nicht häufiger Schnee an Weihnachten.

Dabei wird es auch in Zukunft immer wieder mal weihnachtlichen Schneefall geben - allerdings nicht in der Häufigkeit, die romantische Verklärungen der Vergangenheit fälschlich zuschreiben.

Warten auf Schneeflöckchen Weißröckchen

"I'm dreaming of a white christmas" - kaum ein Bild oder Fernsehfilm zur Weihnachtszeit kommt ohne den idyllischen Flockenfall aus. Der Schnee hüllt nicht nur optisch alles in seiner Decke ein: Auch der Schall wird durch die weiße Pracht erheblich gedämpft. Wenn alles wie in Watte gepackt scheint, ticken auch die Uhren langsamer. Alles wirkt gemütlicher, die Familie rückt in der nach frisch gebackenen Plätzchen duftenden, warmen Stube vor dem Kaminfeuer zusammen. Soweit das Klischee. Doch gab es solche schneereichen Weihnachtstage überhaupt?

"Früher gab es nicht mehr Schnee", desillusioniert Andreas Friedrich vom DWD, und das schon seit Jahren. Jeden Winter aufs Neue erreichen den Meteorologen Dutzende, immer gleiche Anfragen. "Gefühlt Ende September" geht es los; Journalisten aus ganz Deutschland erkundigen sich dann nach dem Wettertrend für die Feiertage - nach dem Motto: "Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit?" Nachdem Friedrich dann zunächst stets die Zugspitze bemüht, kommt er zu den harten Fakten. Auch diese sind Jahr für Jahr dieselben - für Weihnachtsromantiker einfach ernüchternd.

Klimawandel lässt grüßen?

Seit der DWD 1881 begonnen hat, das Wetter systematisch zu erfassen, ist die mittlere Temperatur in Deutschland um 1,3 Grad gestiegen. Von Klima spricht man, wenn es um das Wetter an einem bestimmten Ort über einen Zeitraum von 30 Jahren geht. Und eben dieses Klima ist ausschlaggebend für den Schneefall und sein Ausbleiben. "Für Schneefall braucht es Wetterlagen mit kalten Luftmassen und Zustrom von polarer Luft", erklärt Friedrich. "Und dann braucht man noch Wolken und Niederschlag." Für Weihnachten sei diese Kombination eher untypisch.

Noch schlimmer - um die Feiertage gibt es in Deutschland in etwa zwei Drittel der Fälle das sogenannte Weihnachtstauwetter. Diese für die Jahreszeit eigentlich untypische, kurze Wärmeperiode ist eine sogenannte Singularität: Das Wetterphänomen erscheint zwar unüblich, tritt aber dennoch recht verlässlich auf. Ähnliche Fälle sind etwa die Schafskälte Anfang Juni und der Altweibersommer im Herbst.

Früher war es auch nicht besser

Wenn das Klima hierzulande aber bereits seit über 100 Jahren ziemlich zuverlässig gleich bleibt: Warum hört man immer wieder, dass "früher" Schnee an Weihnachten die Regel und nicht die Ausnahme war?

"Besondere Ereignisse bleiben besser im Gedächtnis als der Normalfall", erklärt Friedrich. Schlittschuhfahren, die Schneeballschlacht, der Schneemann im Garten: Diese Bilder prägen sich in den Hirnwindungen verständlicherweise besser ein als regnerisches, grau-braunes Wetter. Dieses ist statistisch gesehen aber sehr viel wahrscheinlicher für Weihnachten.

Statistische Tücken

Damit sieht es auch so aus, als trage der oft gescholtene Klimawandel zumindest in diesem Fall keine Schuld. Diese Sichtweise bestätigt der DWD: "Der Klimawandel schlägt sich statistisch noch nicht nieder", erläutert Friedrich. Klimasimulationen zeigten aber einen Anstieg der mittleren Temperatur um ein bis zwei Grad bis zum Jahr 2100. Damit sinke auch die prinzipielle Wahrscheinlichkeit für Schnee. Wer sich dennoch weiterhin Schnee wünscht, muss auf Vulkane hoffen: Ihre Ausbrüche können kurzzeitig das Klima abkühlen, weil ausgestoßene Asche die Sonneneinstrahlung verringert. So gab es etwa eine sogenannte Kleine Eiszeit in der Frühen Neuzeit.

Für alle, die sich wider alle wissenschaftliche Erkenntnis zur Bescherung Schnee auf dem heimischen Dach wünschen, gibt es aber ein statistisches Schlupfloch: Der DWD erfasst den Schneefall stets morgens um 7 Uhr. Wenn die Schneedecke dann nicht mindestens einen Zentimeter dick ist, wird der Tag in der Statistik als schneefrei gewertet. Und so kann es dennoch pünktlich zur Bescherung schneien, obwohl die DWD-Statistik keinen Schnee vermelden wird, wenn der Niederschlag bis zum nächsten Morgen geschmolzen ist. Für Schnee-Fans bleibt also zumindest diese Hoffnung bestehen.

Kein Schnell auf Helgoland

Andererseits - nicht jeder ist Fan von wetterbedingtem Verkehrschaos, blaugefrorenen Fingern und Schneeballschlachten an Weihnachten.

Rheinländer sind davor durch das recht warme Flussklima weitgehend geschützt. Wer dem Schneefall relativ sicher entgehen, aber trotzdem in Deutschland bleiben will, macht sich am besten gleich zur Nordsee auf, genauer: nach Helgoland. Laut dem Experten Friedrich ist hier die Chance auf Schnee mit nur zwei Prozent am geringsten: "Helgoland ist der grüne Gegenpol zur Zugspitze."


Quelle:
KNA