Künstler schnitzen die Weihnachtsgeschichte aus

Das Jesus-Kind wiegt 60 Kilogramm

In der Halle am Alten Postlager in Mainz ist es bitterkalt. Und das hat einen besonderen Grund: Vom 26. November bis 15. Januar gibt es in der "Eiswelt Mainz" die Weihnachtsgeschichte mit Eis-Skulpturen zu sehen.

Eis-Carverin Marieke van der Meer schnitzt Skulptur aus Krippenszene / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Eis-Carverin Marieke van der Meer schnitzt Skulptur aus Krippenszene / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Konzentriert fährt Marieke van der Meer mit einem kleinen Spachtel über eine Eisfläche. Späne fallen, und es sieht aus, als ob es schneien würde. "Ich schnitze das Jesus-Kind aus Eis", sagt die 29-jährige Niederländerin. Zu sehen sind bereits der Rumpf und der Kopf mit Augen, Nase und Mund. Marieke arbeitet daran, einen Haaransatz zu gestalten, später soll noch eine Windel aus Schnee folgen. Insgesamt dauert es zwei Tage, bis aus einem etwa 120 Kilogramm schweren und 60 Zentimeter langen Eisblock das Christuskind entsteht. "Am Ende wird das Jesus-Kind ungefähr 60 Kilo wiegen - also so viel wie ich."

Marieke van der Meer ist eine von 20 sogenannten Eis-Carvern, die für die Ausstellung 18 Bildszenen mit etwa 60 Kunstwerken aus Eis gestalten. Für die "Eiswelt Mainz" wurde extra eine rund 1.000 Quadratmeter große Halle am Alten Postlager aufgebaut, erläutert Oliver Hartmann vom Veranstalter Skulptura Projects GmbH. "Die Weihnachtsgeschichte" lautet das Motto der Schau. Zum einen sei es natürlich der Jahreszeit geschuldet, erklärt Hartmann. "Aber es hat auch mit der Verbindung zwischen Mainz und der Kirche zu tun."

Adventskalender aus Eis

Die Skulpturen sind in einem Rundgang angeordnet. Glasklar und von Strahlern angeleuchtet empfängt ein etwa drei Meter hoher Sankt Nikolaus die Gäste, wenn sie in den Eingangsbereich der Halle treten. Auch ihn hat van der Meer geschaffen. "Fünf Tage habe ich dafür gebraucht", erzählt die 29-Jährige. Rund um den Heiligen ist ein Adventskalender gestaltet. Die Zahlen wurden mit einer Feile in das klare Eis geritzt, mit Schnee verfüllt und einer neuen Eisschicht verschlossen. Durch das 24. Türchen betritt der Besucher die Ausstellungsfläche. Eisig kalt ist es, Kühlmaschinen sorgen für konstante minus acht Grad in der Halle.

Seit Anfang November haben die 20 internationalen Künstler, die etwa aus Russland, den USA, Tschechien und den Niederlanden kommen, an den Skulpturen gearbeitet. Jeden Tag der Woche standen sie für jeweils acht Stunden in der kalten Halle. "Wichtig ist, dass man die richtige Kleidung trägt", erklärt die blonde Marieke. Sie trägt Ski-Handschuhe, zwei Mützen, hat sechs Lagen T-Shirts, Pullover und Jacken an, zudem drei Hosen, zwei Paar Socken und dicke Winterschuhe. Besucher sollten sich davon jedoch nicht abschrecken lassen, sagt Marieke: "Für den Besuch der Eiswelt reichen dicke Socken und Schuhe, Mütze und Handschuhe."

Biblische Erzählung zur Geburt Jesu

Auch ein Weihnachtsmarkt-Stand, an dem eine Frau einem Jungen eisigen Glühwein verkauft, ist in der Eiswelt geschaffen worden, ebenso eine rund sechs Meter hohe Weihnachtspyramide, die mit Kerzen und Ornamenten aus Eis verziert ist. Daneben funkelt ein etwa ebenso hoher Weihnachtsbaum, geschmückt mit Eis-Kugeln und Schnee-Lametta. Weiter geht es durch ein Kirchentor, hinter dem sich die biblische Erzählung zur Geburt Jesu verbirgt.

In der ersten Szene reitet die schwangere Maria auf einem Esel, der von Josef geführt wird. Eine weitere Eisskulptur zeigt einige Häuser der Stadt Bethlehem, über der ein etwa sechs Meter hoher Stern leuchtet - denn alle frostigen Kunstwerke werden illuminiert. Auch die Heiligen Drei Könige sind zu sehen, wie sie zum Jesus-Kind ziehen, um ihre Gaben zu überreichen. Daneben ist die bekannte Krippen-Szene dargestellt: Eine mannshohe Josef-Figur steht neben Maria, die auf dem Boden kniet und über einer Wiege wacht. In sie wird Künstlerin van der Meer das Jesus-Kind legen. "Marias linker Arm fehlt noch", erzählt Marieke. "Den bringe ich erst an, wenn ich weiß, wo genau Jesus liegen wird - denn Maria umarmt ihn."

Alle Figuren sind aus großen Eisblöcken entstanden. Etwa 500 wurden extra aus Lettland, Frankreich und Belgien angeliefert, sie wiegen je zwischen 120 Kilogramm und 1,5 Tonnen. "Wir bekommen die Szenen zugeteilt, ab dann können wir entscheiden, wie genau wir die Figuren gestalten", erklärt Marieke, die sich vor jeder Arbeit die menschliche Anatomie genau einprägt hat: die Relationen von Körper und Kopf, Furchen im Gesicht der Männer und der Mund von Babys, der meist nach unten gerichtet sei - wie auch der des Jesus-Kindes.

Bügeleisen sorgen für Glanz

Nachdem die Künstler ihre Skizzen angefertigt haben, wird mit der Kettensäge die Silhouette der Figuren geformt, erklärt Marieke, die hauptberuflich als Künstlerin arbeitet - im Winter schnitzt sie in verschiedenen Projekten Figuren aus Eis, im Sommer baut sie Skulpturen aus Sand. "Die feinen Arbeiten machen wir dann mit Spachtel und Feile." Um das Eis glänzend zu bekommen, wird es nach Abschluss aller Arbeiten mit einem Bügeleisen bearbeitet - so verschwinden kleine Eistropfen oder gefrorener Schnee.

Passend zum Thema "Weihnachtsgeschichte" findet auch die Erzählung von Charles Dickens ihren Platz: So ist der "Geist der vergangenen Weihnacht" in eisiger Form festgehalten. "Wir wollen die Weihnachtsgeschichte in all ihren Facetten erzählen", erklärt Hartmann. Natürlich dürfen auch die Mainzer Wahrzeichen nicht fehlen: Der Dom ist ebenso vertreten wie drei Mainzelmännchen, die aus großen Schneebällen einen Schneemann bauen. Und auch Karnevalisten kommen auf ihre Kosten: Fastnachts-Narren und Till Eulenspiegel, der über einem riesigen Eis-Thron steht, und mit dem sich die Besucher fotografieren können, beschließen die Ausstellung.

Romina Carolin Stork


Marieke van der Meer mit einer Eisskulptur der Maria  / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Marieke van der Meer mit einer Eisskulptur der Maria / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
KNA