Pater Nikodemus erzählt vom Weihnachtsfest im Heiligen Land

Die skurrilste Christmette der Welt

In Israel sind nur zwei Prozent der Einwohner Christen. Wie sie Weihnachten feiern und warum fast alle Christmetten-Besucher in Jerusalem Juden sind, erzählt Pater Nikodemus Schnabel bei domradio.de. Er lebt in der Dormitio-Abtei.

Im christlichen Viertel in der Jerusalemer Altstadt / © Andrea Krogmann (KNA)
Im christlichen Viertel in der Jerusalemer Altstadt / © Andrea Krogmann ( KNA )

domradio.de: Wird es bei Ihnen überhaupt einen Christbaum geben?

Pater Nikodemus Schnabel (Dormitio-Abtei in Jerusalem): Ja, in der Kirche wird es einen geben. Es gibt hier im Heiligen Land tatsächlich extra einen Mini-Wald für die christlichen Kirchen, die eingeladen werden, die Bäume dort zu fällen und in ihren Kirchen aufzustellen. Das sind aber auch die einzigen Möglichkeiten, einen Christbaum zu sehen. In Betlehem selbst gibt es zwar einen großen künstlichen, aber so wie wir das aus Deutschland kennen, das ist eher die Ausnahme. Da muss man schon in die Kirchen gehen.

Auch sonst ist hier wenig weihnachtliche Stimmung. Heiligabend ist ja diesmal ein Donnerstag, der Erste Weihnachtstag ist ein Freitag. Das sind hier ganz normale Arbeitstage. Die Juden und die Muslime gehen ganz normal zur Arbeit. Weihnachten feiern wirklich nur die zwei Prozent Christen in Israel. 

domradio.de: Weihnachtsrummel ist für Sie also ein Fremdwort?

Pater Nikodemus: Absolut! Danach muss man mit der Lupe suchen. Im christlichen Viertel in der Altstadt gibt es zwei Geschäfte, in denen man auch Weihnachtssachen bekommt. Da ist es auch ein bisschen weihnachtlich geschmückt. Und dann in Betlehem selbst. Wenn man aber in Tel Aviv auf dem Flughafen landet, vermutet man nicht, dass Weihnachten ist. Es könnte eine komplett andere Jahreszeit sein. 

domradio.de: Zuletzt gab es ja im Oktober schlimme Messerattacken in der Jerusalemer Altstadt. Die Adventszeit war aber bislang friedlich, oder?

Pater Nikodemus: Ja, es scheint sich wieder etwas zu beruhigen. Es ist ein Auf und Ab und wirklich schwer einzuschätzen. Was man aber sagen kann: Für Pilger ist es absolut sicher und absolut ruhig. Wenn man in einer Gruppe als Pilger unterwegs ist, wird man von beiden Seiten geachtet und gut behandelt. Die Messerattacken betreffen eher die Einheimischen hier. Das ist ein großer Schmerz, aber ich hoffe, dass das neue Jahr ein friedlicheres Jahr wird.

domradio.de: An Heiligabend feiern Sie die Christmette. Und da bekommen Sie Besuch von jüdischen Gläubigen, oder?

Pater Nikodemus: Das ist tatsächlich so. Wir haben wohl die skurrilste Christmette der Welt, weil 80 bis 90 Prozent unserer Gottesdienstbesucher säkulare Juden sind. Oft sind es Juden, die deutsche Vorfahren haben. Mittlerweile ist es wieder ganz schick, Deutsch zu lernen. Berlin ist ja auch für viele Israelis ein Sehnsuchtsort. Und viele, die wissen, dass ihre Urgroßeltern oder Großeltern Deutsche waren und mit den christlichen Nachbarn Weihnachten gefeiert haben, wollen auch ein bisschen Weihnachten mitbekommen. Sie kommen wirklich zu Hunderten in unsere Mitternachtsmette und singen auch "Stille Nacht" und "Oh du fröhliche" mit. Sie haben das vorher wirklich brav auswendig gelernt. Danach trinken wir dann noch einen Kaffee zusammen und die Juden müssen dann auch langsam wieder gehen, weil sie ja am nächsten Tag wieder arbeiten müssen. Wir Christen, eine kleine Gruppe, gehen dann in der Nacht nach Betlehem. Wir brechen gegen halb drei auf und kommen gegen halb fünf an, brauchen also zwei Stunden für die zehn Kilometer. 

domradio.de: Und da haben Sie auch eine Rolle mit Namen dabei. Was hat es damit auf sich?

Pater Nikodemus: Ja, da kann man immer noch mitmachen, einfach auf der Homepage vorbeischauen. Das ist eine Weihnachtsaktion, mit der mehrere Mitbrüder und Volontäre beschäftigt sind. Wir schreiben die Namen, die man uns schickt, auf eine Rolle, segnen die Rolle und nehmen sie mit auf diesen Heilignacht-Gang. Das ist ein sehr meditativer Gang, bei dem wir auch verschiedene Gebetsstationen haben. Wenn wir dann in Betlehem ankommen, dann gehört die Geburtskirche uns allein. Wir haben damit den Ort, an dem Weihnachten stattgefunden hat, für uns allein. Dort legen wir die Rolle auf dem Geburtsstern nieder. Also an dem Ort, wo der Tradition nach Jesus geboren wurde. Wir beten dann das Morgenlob, die Laudes, und tragen die Anliegen dieser Menschen vor uns legen sie auf den Stern. Wir beten stellvertretend für die Menschen, die auf der Rolle stehen. Das ist für mich auch der Höhepunkt, das ist für mich Weihnachten: Durchnässt, halb erfroren und wirklich müde in diesen Morgenstunden die Laudes zu beten. Milliarden von Christen denken in dieser Nacht an Weihnachten und ich darf an dem Ort sein.

Das Interview führte Tobias Fricke.

 

Quelle:
DR