Muslime und Weihnachten

Das Fest der anderen

Blinkende Weihnachtsdekoration, überfüllte Innenstädte, Weihnachtsfeiern: Auch die deutschen Muslime haben im Dezember ständig mit Weihnachten zu tun - ob sie wollen oder nicht.

Autor/in:
Miriam Bunjes
 (DR)

Numan Aydemir ist einer der drei Hirten im Schulkrippenspiel. "In einer Kirche", sagt Susann Aydemir. Sie wird hingehen, damit auch Numan stolz darauf sein kann, dass seine Mutter gebannt seinen Sätzen lauscht. Aber sie wird sich komisch dabei fühlen, sagt die 32-Jährige aus Dormagen. "Ich werde die religiösen Inhalte, die uns da erwarten, auch noch mal mit den Kindern besprechen." Susanns Familie ist muslimisch - wie etwa fünf Prozent der deutschen Bevölkerung.

Die Aydemirs gehen regelmäßig in die Moschee, feiern das Opferfest und Ramadan. "Unseren christlichen Freunden und Bekannten haben wir immer zu Weihnachten gratuliert - weil wir sie respektieren und es dazu gehört, das an einem wichtigen religiösen Fest auch zu zeigen." Durch ihre beiden Kinder ist allerdings noch mehr Weihnachtliches in den Alltag gekommen: Adventskalender und Nikoläuse im Kindergarten - und jetzt ein Krippenspiel in der Kirche. "An religiösen Ritualen teilzunehmen, ist meine Grenze als Muslima", sagt Susann Aydemir. "Mit dem Krippenspiel gehen wir an die jetzt wirklich sehr nah dran."

Die Fragen nach solchen Grenzen haben Tradition - alle Jahre wieder landen sie beim Zentralrat der Muslime, einem der wichtigsten deutschen Dachverbände der Muslime. "Das muss jeder für sich selbst entscheiden", sagt der Vorsitzende Aiman Mazyek. Der Zentralrat jedenfalls verschickt grundsätzlich Weihnachtsgrüße, "genauso wie wir an den hohen jüdischen Feiertagen gratulieren." Ein respektvoller Umgang mit den Nachbarn sei im Sinne des Islam, sagt Mazyek.

Dazu gehört auch die gesellschaftliche und soziale Ebene von Weihnachten: Kekse backen im Kindergarten, mit Arbeitskollegen über den Weihnachtsmarkt gehen. "Weihnachten hat ja auch diesen Volksfestcharakter, der so erst einmal nichts mit Religion zu tun hat", sagt Mazyek. Daran nehme die Mehrheit der Muslime irgendwie teil. "Sie gratulieren ihren Nachbarn und machen bei den ein oder anderen deutschen Bräuchen mit." An christlichen Ritualen teilzunehmen sei aber für Muslime nicht in Ordnung. Jesus ist im Islam eben ein Prophet unter vielen. "Weihnachten steht auch für einen zentralen Unterschied zwischen den Religionen", sagt Mazyek. "Das sollte man nicht vermischen."

Salafistenprediger hetzt gegen Weihnachten

Yasemin Kaya schiebt ihren Zweijährigen im Buggy zur Supermarktkasse. Sein Einkauf: ein Schokoladenweihnachtsmann. "Für mich ist das kein Problem", sagt die Studentin aus Essen. "Der Weihnachtsmann ist doch eh gar nicht christlich, sondern eine Geschichte - so habe ich das meinen Kindern auch erklärt." Und wenn deutsche Freunde am 24. Dezember Geschenke bekommen, sagt sie ihren Kindern eben: "Du hast ja beim Opferfest welche bekommen." Den Kindern ihrer christlichen Freunde hat sie im vergangenen Jahr sogar ein Weihnachtsgeschenk gemacht - und deren Eltern ein Opferfestgeschenk. "Das ist im Sinne des Propheten", ist sie sich sicher. "Es bereitet Freude und stärkt den Zusammenhalt."

Eine Einstellung, die der Kölner Salafistenprediger Ibrahim Abou-Nagie vor einigen Tagen in einer Internetpredigt scharf angeprangert hat - auch ein alljährliches Ritual. Feiern mit Andersgläubigen sei strikt verboten - und auch das Gratulieren zum Weihnachtsfest. "Solche extremen Einstellungen sind klar in der Minderheit", sagt Erol Pürlü vom Koordinationsrat der Muslime, dem Dachverband der vier größten muslimischen Organisationen in Deutschland. Gratulieren oder nicht werde seit Jahrzehnten unter streng Gläubigen diskutiert. Die allermeisten hätten sich längst dafür entschieden.

Zoltan Katic stellt sich dieses Jahr zum ersten Mal Tannenzweige in die Wohnung. "Sie riechen schön, das hat mir bei christlichen Bekannten an Weihnachten immer gut gefallen", sagt der aus Bosnien stammende Dortmunder. Einen religiösen Konflikt sieht er darin nicht. "Im Endeffekt ist es ja nur ein Baum." Wie die Aydemirs in Dormagen freut er sich auf die Feiertage der anderen. "Die Ruhe ist angenehm zum Jahresende: keine Arbeit und Zeit für die Familie."


Quelle:
KNA