Papst hält Jahresrückblick

Ethische Krise als Wurzel allen Übels

Eine besorgte Jahresbilanz hat kurz vor dem Weihnachtsfest Papst Benedikt XVI. gezogen. Europa durchlaufe eine wirtschaftliche und finanzielle Krise, "die letzten Endes auf der ethischen Krise beruht, die den Alten Kontinent bedroht". Zu den kirchlichen Höhepunkten 2011 gehört für Papst Benedikt XVI. seine Deutschlandreise.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Bei ungewöhnlicher Kälte bereitet sich Rom auf das Weihnachtsfest vor. Der "Tramontana", ein kühler Ostwind, beschert der italienischen Hauptstadt Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt bei Sonnenschein und klarer Fernsicht. Ob es so auch über die Festtage bleibt, darüber rätselt der Wetterbericht noch.



Christmette wieder ab 22 Uhr

Vor zwei Tagen hat das vatikanische Zeremonialbüro das offizielle Programm des Papstes veröffentlicht. Es sieht für die diesjährige Weihnachtszeit in etwa die gleichen Termine vor wie im Vorjahr - bis hin zur Dankvesper an Silvester, der Messe zum Weltfriedenstag an Neujahr und der Kindertaufe in der Sixtinischen Kapelle am 8. Januar. Höhepunkt ist freilich die Christmette, die am Heiligabend bereits um 22.00 Uhr beginnt, um dem 84-jährigen Papst anschließend eine etwas längere Ruhephase zu ermöglichen. Denn am ersten Weihnachtstag verkündet Benedikt XVI. um 12.00 Uhr von der Mittelloggia des Petersdoms aus seine Weihnachtsbotschaft, spricht Festtagswünsche in mehr als 60 Sprachen und spendet seinen Segen "urbi et orbi": der Stadt Rom und dem Erdkreis.



Unterdessen legen Vatikanbedienstete letzte Hand an die Gestaltung des Petersplatzes. Bereits seit einer Woche steht im Zentrum des Bernini-Ovals der festlich geschmückte Weihnachtsbaum. Die 30 Meter hohe Tanne wurde dem Papst in diesem Jahr von der Ukraine geschenkt und von einer offiziellen Delegation dem Vatikan übergeben.



Krippe wird erst am 24. Dezember enthüllt

Die auf einer Fläche von rund 400 Quadratmetern aufgebaute Krippe ist noch verhüllt. Erst am Nachmittag des Heiligabend werden die Zeltplanen und Barrieren abgenommen. Und erst dann wird man sehen, wie die Technischen Dienste des Vatikan diesmal die Szene der Geburt Christi dargestellt haben.



Beeinträchtigt wird das malerische Ensemble durch hohe Gerüste. Derzeit werden die Kolonnaden des Platzes mit den 280 Säulen, 140 Heiligenstatuen und sechs großen päpstlichen Wappen gereinigt und restauriert. Das in Etappen angelegte Projekt soll noch weitere drei Jahre dauern.



Kirchliche Jahresbilanz aus Sicht des Papstes

Beim traditionellen Weihnachtsempfang für die Kardinäle und höheren Mitarbeiter der Kurie zog Papst Benedikt XVI. am Donnerstag eine erste Jahresbilanz für 2011. Er erinnerte an seine vier Auslandsreisen - nach Kroatien, zum Weltjugendtag in Madrid, nach Deutschland und vor vier Wochen ins westafrikanische Benin. Er verwies auf das interreligiöse Friedenstreffen in Assisi, das er als "neuen Aufbruch in der Pilgerschaft nach Wahrheit und Frieden" bezeichnete - und von dem er sich eine neue Bereitschaft für Frieden in der Welt erhofft.



Europa durchlaufe derzeit eine wirtschaftliche und finanzielle Krise, "die letzten Endes auf der ethischen Krise beruht, die den Alten Kontinent bedroht", sagte der Papst. "Selbst wenn Werte wie Solidarität weitgehend unbestritten sind, fehlt häufig die Kraft, die konkret den einzelnen und die großen gesellschaftlichen Gruppen zu Opfern bewegen kann." Die Erkenntnis über die nötigen Schritte zur Überwindung der Krise gehe häufig nicht mit dem Willen einher, diese in Angriff zu nehmen, beklagte das Kirchenoberhaupt. "Der Wille, der das eigene Interesse verteidigt, verdunkelt die Erkenntnis."



Papst: Neuevangelisierung wird auch 2012 bestimmen

Als "die große Thematik" des Jahres nannte er die Neuevangelisierung; sie werde auch 2012 bestimmen. Die Krise der Kirche in Europa wertete Benedikt XVI. vor allem als eine Krise des Glaubens. Angesichts wachsender Glaubensmüdigkeit und sinkender Messbesucherzahlen müsse man auf eine Trendwende hinarbeiten. Denn wenn der Glauben nicht neu lebendig werde, blieben alle anderen Reformen wirkungslos, betonte das Kirchenoberhaupt unter Hinweis auf die Ansprachen seiner Deutschlandreise.



Als "Medizin" gegen diese Müdigkeit des Glaubens bezeichnete Benedikt XVI. die Erfahrungen des Weltjugendtages in Madrid. Bei diesen Jugendtreffen werde Neuevangelisierung spürbar und lebendig. Dort zeige sich eine "neue verjüngte Weise des Christseins". Und auch bei seinem Besuch in Afrika habe er eine tiefe Freude an Christsein und Kirchenzugehörigkeit gespürt.



Einen weiteren Jahresrückblick will Benedikt XVI. am 8. Januar vorlegen. Dann lädt er das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps zum Neujahrsempfang. Dabei stehen dann jedoch die großen Fragen von internationaler Politik und Diplomatie im Vordergrund. Und dort formuliert das Kirchenoberhaupt seine Fragen, Erwartungen und Hoffnungen an die Welt.