Die Spendenbranche im Umbruch

Willkommenspakete und Namenstagsgrüße

Trotz rückläufiger Zahlen - auf 4,5 bis 5 Milliarden Euro schätzen Experten das jährliche Spendenaufkommen in Deutschland. Rund um Weihnachten sind die Portemonnaies der Bundesbürger besonders offen. Doch die Spendenbranche ist im Umbruch. Immer mehr Einrichtungen und Initiativen kämpfen um diesen zuletzt gleich gebliebenen Finanztopf.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Und die Spender binden sich immer weniger an bestimmte Hilfsorganisationen. "Nach einem Jahr sind nur noch 50 Prozent der Neuspender aktiv", wie der Kölner Professor für Sozialmarketing, Michael Urselmann, erläutert. Danach gehe Jahr für Jahr ein weiteres Drittel verloren.



Neue Spender zu gewinnen ist gleichzeitig immer schwieriger und teurer geworden. "Die Kosten für einen Neuspender haben sich in den vergangenen 20 Jahren verzehnfacht", analysiert Urselmann. 100 bis 200 Euro an Vollkosten müssen die Hilfsorganisationen dafür rechnen - bei einer durchschnittlichen Erstspende von 50 Euro. Zugleich müssen sie darauf achten, dass die Verwaltungskosten nicht zu hoch werden. Denn nur, wenn Hilfsorganisationen unter einem Verwaltungsanteil von 30 Prozent bleiben, erhalten sie das begehrte Spendensiegel des Deutschen Sozialinstituts für soziale Fragen. Im Schnitt liegen alle Hilfsorganisationen mit Spendensiegel allerdings weit unter diesem Wert: bei 14 Prozent.



Für den Fundraisingexperten steht fest: Hilfsorganisationen und Initiativen sollten verstärkt in die langfristige Bindung der Spender investieren. "Schon eine geringe Steigerung der Spenderbindungsquote hat eine große Auswirkung auf die Summe der Einnahmen." Ein Ziel, das nach Darstellung der Spendenexperten in Deutschland noch zu wenig im Blick ist - anders als etwa in Frankreich und Großbritannien.



Schmaler Grad

"Das erste Jahr ist entscheidend", betont Urselmann. Rezepte gibt es viele: etwa ein telefonisches Dankeschön nach der Erstspende, eine Grußkarte zu Geburts- oder Namenstag. Oder, wie es die Naturschutzorganisation WWF in einigen Ländern macht: Erstspender erhalten ein "Willkommenspaket" und einen Zugangscode für den geschützten Bereich des WWF im Internet. Denkbar auch, was Unicef unternimmt: Spender werden zu Premieren von Kinofilmen eingeladen, die Bezug zur Thematik des Kinderhilfswerks haben.



Spendensammler räumen ein, dass der Grat zwischen freundlicher Zuwendung und Aufdringlichkeit schmal ist: Nicht jeder Spender möchte eine Dankeschön-Mail nach jeder zehnten Spende oder einen Telefonanruf für ein konstruiertes Jubiläum ("Vielen Dank, dass Sie uns schon fünf Jahre unterstützen") erhalten. Erst recht dürften Telefonanrufe bei manchen "inaktiven Dauerspendern" auf Widerstand treffen.



Die Rolle der sozialen Netzwerke

Einen Weg zur dauerhaften Spenderbindung sehen die professionellen Spendensammler auch in sozialen Netzwerken und im Internet. Ob durch gute Information auf der eigenen Homepage, eine Fan-Seite bei Facebook oder ein internes Diskussions-Forum: Spender fühlten sich ernst genommen, wenn sie schnell über Neuigkeiten informiert würden und sich auch an Debatten über Hilfsprojekte beteiligten könnten, erläuterte Julia Biermann von der Hilfsorganisation World Vision. Es gehe darum, dass sich Spender emotional mit der Organisation verbunden und in ihren Anliegen ernst genommen fühlten.



Mitmach-Möglichkeiten statt Einbahnstraßen-Kommunikation: Wer als Internetnutzer das Gefühl bekommt, direkt dabei zu sein, kann spannende Projekte per Knopfdruck auch an seine Freunde weiter empfehlen, die wiederum ihren Freundeskreis im Netz informieren. Dass die langfristige Bindung von Spendern auch in Deutschland gelingen kann, zeigen die etwa von der Kindernothilfe, World Vision, SOS-Kinderdörfer und Plan beworbenen Patenschaften für Kinder aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Sie sind von 446.000 im Jahr 2005 auf rund 540.000 im Jahr 2010 angewachsen - eine Steigerung um mehr als 20 Prozent.