Kardinal Zuppi ist ein Verbündeter von Franziskus

Ein Besuch beim Erzbischof von Bologna

Sein Vorgänger Kardinal Caffarra zählte zu den Hauptkritikern von Papst Franziskus. Matteo Zuppi hingegen ist einer von dessen wichtigsten Verbündeten in Italien. Ein Besuch beim Erzbischof von Bologna.

Autor/in:
Roland Juchem
Matteo Zuppi (Archivbild) / © Alvise Armellini (dpa)
Matteo Zuppi (Archivbild) / © Alvise Armellini ( dpa )

"Der Kardinal sitzt noch am PC", sagt sein Sekretär. "Wenn er uns nicht in der Tür stehen sieht, hört er nicht auf." In der Tat: Matteo Zuppi schaut kurz hoch, hackt weiter in seine Tastatur. Dabei sagt er entschuldigend: "Mein Vorvorgänger, Kardinal Biffi, meinte einmal: 'Nur Dummköpfe wollen Bischof werden. Das Schlimme ist, dass auch nur Dummköpfe zu Bischöfen ernannt werden'."

Zuppi lacht und tippt weiter. "Ecco, fatto - so, geschafft", sagt er kurz darauf, kommt um den mit Büchern und bekritzelten Notizzetteln beladenen Schreibtisch herum und widmet sich dem Besucher.

Durch und durch Römer

Das erste, was an Zuppi auffällt, sind seine Mundwinkel: immer nach oben gezogen. Auf nahezu jedem Foto wie auch live. Selbst mit Corona-Schutzmaske verraten blitzende Augen, wie der Mund steht. Bolognas Erzbischof ist durch und durch Römer. Rom, so sagt er, "hat ein Gen der Universalität, das aber von den Römern kaum verstanden und gelebt wird". Bologna hingegen sei durch Universität und Industrie geprägt - "eine extrem lebendige Stadt", in der er sich sofort heimisch gefühlt habe.

1973 lernt Zuppi, damals 18-jährig, Andrea Riccardi kennen, der fünf Jahre zuvor die Gemeinschaft Sant'Egidio gegründet hatte. Am Rand der Drei-Millionen-Metropole geben sie Nachhilfe für Schüler, kümmern sich später zusätzlich um alleinstehende Alte im Arbeiterviertel Trastevere - damals noch kein Touristen-Hotspot. Anders als Riccardi entscheidet sich Zuppi für den Priesterberuf; 1981 wird er geweiht.

30 Jahre lang Seelsorger

Fast 30 Jahre lang ist er als Seelsorger in Santa Maria in Trastevere tätig, wird so zum Pfarrer von Sant'Egidio, die dort ihr tägliches Abendgebet hält. 2012 ernennt Benedikt XVI. Zuppi zum Weihbischof für das Bistum Rom. Franziskus schickt den sozial engagierten Römer 2015 nach Bologna - als Nachfolger der profilierten konservativen Kardinäle Giacomo Biffi (1984-2003) und Carlo Caffarra (2003-2015). Wollte Franziskus einen Kurswechsel?

Dass er in manchem anders denkt als seine Vorgänger leugnet Zuppi nicht; vielleicht habe der Papst gerade für Bologna "einen Bischof gewollt, der kein Professor ist", sagt er ausweichend. Doch abgesehen von den je eigenen Talenten und der "zum Glück unterschiedlichen Art" gebe es Kontinuität. Biffi wie Caffarra, immerhin Initiator der Dubbia gegen Franziskus' Schreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie, seien beide "sehr konkrete, aufmerksame, lebensnahe Seelsorger" gewesen.

Im knapp 100 Quadratmeter großen Vorraum zu den Büroräumen des Bologneser Erzbischofs steht auf einer Anrichte das aus Kupfer und Zinkblech gefertigte Modell einer Art Gondel mit Dutzenden Personen darin. Auf der Bordwand der Satz aus der Ansprache des Papstes in seiner Pandemie-Andacht am 27. März 2020 auf dem einsamen, verregneten Petersplatz: "Wir sind alle im selben Boot".

Die Kunst der Diplomatie

Vorwürfe, die Kirche sei während der Pandemie zu stark abgetaucht, lässt Zuppi nicht gelten. Zwar habe es im ersten Lockdown Debatten um das Verbot von Präsenz-Gottesdiensten gegeben. Aber diese Einmischung des Staates hält er für gerechtfertigt, "weil der berechtigterweise die notwendigen Hygiene-Vorschriften umsetzen wollte". Er persönlich habe in der Pandemie viel über Kommunikation gelernt - nicht nur, wie sie online geschieht. Der Gebrauch digitaler Medien "war eine notwendige und großartige Entdeckung", so der Kardinal. "Dadurch sind wir auch etwas aus unserem bisherigen Kirchenslang herausgekommen."

Unter Italiens fast 400 Bischöfen ist Zuppi einer der bekanntesten, mischt sich auch in die Politik ein. Als im Januar eine weitere Regierungskrise das Land lähmte - mitten in der Pandemie -, schrieb Zuppi einen offenen Brief an die "Liebe Verfassung". Auf die Frage, ob ein Bischof Politikern erklären müsse, was die Verfassung bedeutet, lacht er. "Nein, nein" - allen habe er noch einmal in Erinnerung rufen wollen, auf welchen Werten das Gemeinwesen basiere. Womit er Staatspräsident Sergio Mattarella sekundierte, der die Damen und Herren Abgeordneten öfters an ihre Pflichten erinnert.

Mit Auseinandersetzungen ist der Kardinal vertraut. Über Jahrzehnte war Zuppi mit Andrea Riccardi Chefdiplomat von Sant'Egidio, der "UNO von Trastevere", wie auswärtige Politiker sagen. Zuppi vermittelte zwischen Guerilla und Regime in Mosambik sowie in Algerien. Im Auftrag von Ostafrikas früherem "elder statesman" Julius Nyerere moderierte er auch in Burundi. Wenn jetzt Italiens neue Regierung unter Mario Draghi Leute vereine, "die sich gestern noch bekämpft haben", ist das für ihn kein Drama. Hauptsache, allen sei klar, "dass man nur gemeinsam aus der Krise herauskommt".

Ein Mann des Papstes

Für Aufsehen sorgte der Kirchenmann bereits 2019 mit seinem Buch "Du sollst deinen Nächsten hassen, wie dich selbst", das als Kritik an der Politik und dem Auftreten Matteo Salvinis galt. Zuppi bestritt dies; ihm sei es um das Klima in der Gesellschaft, aber auch der Kirche gegangen. Klar ist dennoch: Kirchenvertreter wie er positionieren sich deutlich gegen nationalistisch-populistische Töne und Initiativen von rechts. Bischöfe, die bei Salvini & Co durchaus Bedenkens- und Unterstützenswertes sehen, sind aktuell etwas stiller. Auch, weil sie weniger Rückendeckung vom Papst haben. Zuppi hingegen ist dessen Mann.

Unter Italiens Bischöfen wird der Römer von Bologna sicher einer der Protagonisten des synodalen Prozesses, zu dem der Papst die Kirche des Landes unlängst gedrängt hat. Zwar hätten schon Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zu Aufbrüchen gemahnt, aber "Franziskus kommt jetzt wie mit dem Besen daher, um uns Beine zu machen und aus dem bequemen Haus zu jagen", sagte er, lacht und imitiert den Kehraus.


Friedensmarsch in Bologna mit Erzbischof Matteo Maria Zuppi (3.v.l.) im Jahr 2018 / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Friedensmarsch in Bologna mit Erzbischof Matteo Maria Zuppi (3.v.l.) im Jahr 2018 / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA