Eine breite Mehrheit der Polen hat der katholischen Kirche in ihrem Land in einer Umfrage ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. 65,7 Prozent sind der Meinung, die Kirche spiele eine negative Rolle im öffentlichen Leben, wie eine Erhebung für die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna" und Radio RMF ergab. Nur 27,4 Prozent beurteilen die Rolle als positiv. Die übrigen Befragten trauten sich kein Urteil zu.
Bei den Polen, die regelmäßig ihren Glauben praktizieren, sieht es etwas anders aus. 50 Prozent von ihnen bewerten demnach die Rolle der katholischen Kirche im öffentlichen Leben negativ, 48 Prozent hingegen positiv. Besonders viele Wähler der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sind mit der Kirche zufrieden, nämlich 69 Prozent.
Der Politologe Antoni Dudek sprach gegenüber der Zeitung von einer "tiefen Krise" der Kirche. Diese Krise sei über die Jahre immer größer geworden. Als Gründe hierfür nannte er Vertuschung von Verstrickungen mit dem ehemaligen kommunistischen Geheimdienst, Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, mangelnde Bescheidenheit von Geistlichen sowie Verbindungen von Priestern mit der Regierungspartei PiS.
Das Institut United Surveys befragte insgesamt 1.000 Polen. Knapp 90 Prozent der Bürger des Landes gehören laut dem staatlichen Statistikamt der katholischen Kirche an. (kna/04.11.2020)
12.11.2020
In Polen wird die Kritik am Krakauer Kardinal und ehemaligen Papstsekretär Stanislaw Dziwisz lauter. Der Abgeordnete Bartlomiej Sienkiewicz nannte den 81-Jährigen einen "Betrüger und Menschen mit doppeltem Gesicht".
Dziwisz habe Missbrauchstäter geschützt und seine Hilfeleistung verheimlicht, so der Politiker der liberalen Oppositionspartei Bürgerplattform am Mittwoch im Privatsender Radio Zet. Der Vatikan sei "zerfressen von Korruption und sexueller Leidenschaft", schimpfte Sienkiewicz. Auch in Polens katholischer Kirche gebe es einen "Sittenverfall".
Gegen Dziwisz demonstrierten am Dienstagabend in Krakau laut polnischen Medien rund 100 Menschen vor der Bischofsresidenz und der ebenfalls in der Altstadt gelegenen Wohnung des Kardinals. Dem Online-Portal Onet zufolge skandierten sie "Krakau dziwiszfrei", "Schande" und "jagt Bischöfe, nicht Bürger".
Anschuldigungen in TV-Reportage
Anlass war die Reportage "Don Stanislao - Das andere Gesicht von Kardinal Dziwisz" des Nachrichtensenders TVN24 von Montagabend. Darin wurde der 81-Jährige beschuldigt, Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch ignoriert und vertuscht zu haben. Der US-Amerikaner James Grein sagte in der Sendung, der 2019 aus dem Klerikerstand entlassene Ex-Kardinal Theodore McCarrick (90) habe 1988 für eine Privataudienz mit Papst Johannes Paul II. (1978-2005) 10.000 Dollar an Dziwisz gezahlt. Grein wurde nach eigenen Angaben seit seinem elften Lebensjahr über fast ein Vierteljahrhundert von McCarrick sexuell missbraucht. Bei der gemeinsamen Papstaudienz im Juli 1988 habe er McCarrick, damals Erzbischof von Newark, entlasten sollen.
Dziwisz war während des gesamten Pontifikats von Johannes Paul II. dessen Privatsekretär und anschließend bis 2016 Erzbischof von Krakau, dem vormaligen Bischofssitz von Karol Wojtyla. Der heutige Erzbischof Krakauer Marek Jedraszewski warnte am Mittwoch bei einer Messe zum polnischen Nationalfeiertag in der Wawel-Kathedrale vor "Versuchen, in Polen eine antichristliche, neomarxistische Kultur einzuführen". Zu den Vorwürfen gegen Dziwisz äußerte er sich bislang nicht.
Dzwisz weißt Behauptungen zurück
Dziwisz hatte am Montagabend erneut eine unabhängige Untersuchungskommission zu den Anschuldigungen vorgeschlagen. "Ich möchte eine transparente Aufklärung dieser Fragen", so der Kardinal in einer schriftlichen Erklärung. In der TV-Reportage wies er alle Vorwürfe zurück. Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, sagte, er hoffe, dass alle in der Sendung angeführten Fragen durch eine Vatikan-Kommission geklärt werden.
Eine breite Mehrheit der Polen hat der katholischen Kirche in ihrem Land in einer Umfrage ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. 65,7 Prozent sind der Meinung, die Kirche spiele eine negative Rolle im öffentlichen Leben, wie eine Erhebung für die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna" und Radio RMF ergab. Nur 27,4 Prozent beurteilen die Rolle als positiv. Die übrigen Befragten trauten sich kein Urteil zu.
Bei den Polen, die regelmäßig ihren Glauben praktizieren, sieht es etwas anders aus. 50 Prozent von ihnen bewerten demnach die Rolle der katholischen Kirche im öffentlichen Leben negativ, 48 Prozent hingegen positiv. Besonders viele Wähler der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sind mit der Kirche zufrieden, nämlich 69 Prozent.
Der Politologe Antoni Dudek sprach gegenüber der Zeitung von einer "tiefen Krise" der Kirche. Diese Krise sei über die Jahre immer größer geworden. Als Gründe hierfür nannte er Vertuschung von Verstrickungen mit dem ehemaligen kommunistischen Geheimdienst, Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, mangelnde Bescheidenheit von Geistlichen sowie Verbindungen von Priestern mit der Regierungspartei PiS.
Das Institut United Surveys befragte insgesamt 1.000 Polen. Knapp 90 Prozent der Bürger des Landes gehören laut dem staatlichen Statistikamt der katholischen Kirche an. (kna/04.11.2020)