Erzbistum ordnet Berichte über Religionslehrende ein

Verschwindend geringe Zahl an "Missio canonica"-Rückgaben

Steigt der Frust über ihre Kirche unter Religionslehrenden im Erzbistum Köln soweit, dass sie ihre Lehrerlaubnis zurückgeben? Diesen Eindruck erweckt die Vereinigung katholischer Religionslehrer. Das Erzbistum widerspricht.

Katholischer Religionsunterricht / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Katholischer Religionsunterricht / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Christoph Westemeyer (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: Im Interview mit dem WDR hat die Vorsitzende der Vereinigung katholischer Religionslehrerinnen und -lehrer, Agnes Steinmetz behauptet, sie erhalte immer wieder Meldungen von Religionslehrern, die ihre Lehrerlaubnis zurückgäben. Das treffe "wirklich ins Mark". Nehmen Sie das auch so wahr?

Christoph Westemeyer (Abteilungsleiter "Schulische Religionspädagogik und Kath. Bekenntnisschulen" Erzbistum Köln): Zunächst einmal wird man immer sagen müssen: Es ist einfach unfassbar traurig und auch bedauerlich um jeden und auch jede, die ihre Missio canonica oder ihre kirchliche Lehrerlaubnis zurückgibt. Und daher mag das subjektive Empfinden auch immer groß sein, wenn man von einem Fall hört. Und wir schauen natürlich auch nicht in die Köpfe der Menschen, was sie sich vielleicht überlegen. Aber objektiv sind die Zahlen in der Tat nicht so hoch, wie das öffentlich vermutet wird.

Insgesamt 21 Personen haben seit Mitte 2020 ihre kirchliche Unterrichtserlaubnis zurückgegeben, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Neun davon mit Bezug auf den Umgang des Erzbistums Köln mit der Missbrauchs-Thematik. Das ist sicher auch keine erfreuliche Zahl, aber doch im Verhältnis zu den anderen Zahlen eine eher geringe Zahl.

DOMRADIO.DE: 21 von wie vielen im Erzbistum Köln?

Westemeyer: Das sind insgesamt weit über 4.900 und davon wie gesagt 21, tatsächlich neun Rückgaben, die Bezug zur Missbrauchs-Thematik haben. Das ist natürlich ganz gering. Das macht die Sache nicht besser. Es ist wirklich bedauerlich und traurig. Aber es ist doch insgesamt eine wirklich geringe Zahl, statistisch gesehen. Aber es geht gar nicht um Statistik. Es geht um Menschen, die sich hier von der Kirche abwenden und das muss uns einfach auch beschäftigen.

Christoph Westemeyer

"Es geht eben nicht um Statistik. Es geht um Menschen, die sich hier von der Kirche abwenden. Und das ist einfach traurig und das muss uns einfach auch beschäftigen."

DOMRADIO.DE: Weiter heißt es ja in dem Interview, dass es bereits erste Grundschulen geben würde, an denen der Religionsunterricht aus eben diesem Grund, weil immer mehr Religionslehrer und Lehrerinnen hinschmeißen, nur noch eingeschränkt erteilt werden kann. Ist das tatsächlich so?

Westemeyer: Darüber haben wir keine Kenntnis, das kann ich mir im Moment ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, das müssen tatsächlich Einzelfälle sein. Und dabei wäre dann auch zu bedenken, dass in Grundschulen ja oft nur eine einzige Lehrerin oder ein Lehrer die kirchliche Unterrichtserlaubnis hat. Das sind ja kleine Systeme. Und sollte diese Person dann die Missio zurückgegeben haben, dann wird es zum Problem. Aber das haben wir so noch nicht mitbekommen. Das wäre dann auch eine Frage, die die staatliche Schulaufsicht irgendwie klären würde.

DOMRADIO.DE: Wie nehmen Sie denn die Stimmung unter den Lehrenden wahr, die Religion unterrichten? Wie gehen die mit der Krise in der Kirche um?

Religionsunterricht im Erzbistum Köln

Ordentliches Lehrfach

Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen, vgl. Art. 7 III GG. Er wird nach Bekenntnissen getrennt in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt, vgl. SchOG § 31. Er unterliegt als ordentliches Lehrfach der staatlichen Schulaufsicht.

Religionsunterricht / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Religionsunterricht / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Westemeyer: Ich glaube, das wird alle beschäftigen, was im Moment in der Kirche los ist. Sei es jetzt im Erzbistum Köln oder sei es weit darüber hinaus. Viele Gläubige sind einfach sehr verunsichert, viele auch fassungslos angesichts dieser wirklich schweren Verbrechen, die von Priestern oder auch anderen Hauptamtlichen an Kindern begangen wurden. Da kann man gar nicht drum herumreden. Wer wird sich davon freisprechen können, dass man einfach nur fassungslos darauf schauen kann? Und das wird auch bei Religionslehrerinnen und Religionslehrern nicht anders sein, vielleicht sogar noch mal etwas stärker der Fall, weil sie in der Tat sehr nah dran sind. Sie kriegen jeden Tag gesagt, was los ist, was in der Welt passiert und wie die Menschen heute die Kirche wahrnehmen. Das wird so sein bei den Religionslehrern und Religionslehrerinnen in besonderer Weise.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn im Allgemeinen auch längerfristig eher einen Mangel an Religionslehrern? Also wird dieser Beruf auch eher unattraktiver?

Westemeyer: Das glaube ich nicht. Der Lehrberuf muss insgesamt attraktiver werden, auch finanziell, vor allem für die Grundschule. Aber das gilt für alle Fächer. Das gilt bestimmt nicht nur für das Fach Religionslehre. Mindestens mal in der Grundschule, wo ein besonderer Mangel herrscht an Lehrkräften. Und deshalb ist das keine Frage, die sich besonders auf den Religionsunterricht bezieht.

Aber man muss eben immer wieder auch dafür werben. Das ist ein ganz toller Beruf. Lehramt generell. Aber der Religionsunterricht noch mal insbesondere. Und deshalb ist es natürlich an uns allen, auch dafür Werbung zu machen und dafür zu sorgen, dass es in Zukunft auch weiterhin Personen gibt, die das Fach studieren.

DOMRADIO.DE: Was melden die Religionslehrer denn aus den Schulen? Melden sich zunehmend Schülerinnen und Schüler vom Religionsunterricht ab?

Westemeyer: Das kann man klar mit Nein beantworten. Ganz im Gegenteil. Seit Jahrzehnten ist es eher so, dass die Zahl der sogenannten Abmeldungen zurückgeht. Und das ist wirklich erstaunlich, weil Religion ja das einzige Fach ist, von dem man sich überhaupt abmelden kann. Das kann man ja nicht von Mathe oder Latein oder Chemie. Und dennoch melden sich so gut wie keine Kinder davon ab. Das ist wirklich auch prozentual sehr gering.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR