Kardinal Schönborn über Johannes Paul II.

Ganz großer Papst mit Schwächen

Ungeachtet mancher Schwächen sieht der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in Johannes Paul II. "einen der ganz großen Päpste". Auch in Österreich habe der Papst direkt Einfluss genommen, und zwar "schmerzlich", so Schönborn.

Wird nicht nur in Polen verehrt: Der verstorbene Papst Johannes Paul II. / © Photoillustrator (shutterstock)
Wird nicht nur in Polen verehrt: Der verstorbene Papst Johannes Paul II. / © Photoillustrator ( shutterstock )

In einem ausführlichen Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" zeichnet er ein differenziertes Bild des am 18. Mai vor 100 Jahren geborenen Papstes aus Polen und seiner langen Amtszeit. Neben den zahlreichen Verdiensten und Erfolgen Johannes Pauls II. thematisiert Schönborn auch die schwierigen Felder der Bischofsernennungen und des kirchlichen Missbrauchsskandals.

In den 70er und 80er Jahren sei die "nachkonziliare Krise" und die "Zerrissenheit" in der Kirche '"zwischen konservativ und progressiv" deutlich spürbar geworden, erinnert der Wiener Kardinal. Es habe einen "Kampf um jeden Bischofssitz" gegeben: "Kommt jemand Liberaler oder jemand Konservativer?" Auch Österreich habe diesen Konflikt intensiv erlebt, so Schönborn.

"Ein Mann des Konzils"

Johannes Paul II. sei "ganz eindeutig ein Mann des Konzils" gewesen, aber auch geprägt durch Erfahrungen mit den beiden totalitären Regimen Nationalsozialismus und Kommunismus. Angesichts theologischer Entwicklungen, die ihm Sorgen gemacht hätten, habe der Papst "gegengesteuert" durch Bischofsernennungen, disziplinäre Maßnahmen und sein eigenes Lehramt.

Bischöfe habe Johannes Paul II. manchmal "an allen Institutionen oder allen Gremien vorbei" ernannt, sagte der Wiener Erzbischof. Das habe zu großen Bischofspersönlichkeiten wie dem Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini oder dem für Paris ernannten "jüdischen Kardinal" Jean-Marie Lustiger geführt - eine "charismatische Entscheidung" des Papstes, so Schönborn.

"Zweifellos hatte er Schwächen"

Auch in Österreich habe der Papst direkt Einfluss genommen, und zwar "schmerzlich", so Schönborn. Der damalige Wiener Kardinal Franz König habe die Wahl Wojtylas sehr unterstützt und hatte nach Schönborns Worten die Zusage, er werde in die Entscheidung über seine Nachfolge einbezogen. Johannes Paul II. habe dann allerdings "vertikal" entschieden und ohne das gängige Auswahlverfahren Hans Hermann Groer ernannt. Groer musste später nach Pädophilie-Vorwürfen zurücktreten.

Schönborn räumte ein: "Ich kann nur im Blick auf mich selbst sagen: Der Papst ist nicht unfehlbar mit Bischofsernennungen. Ich weiß selber, wie gebrechlich ich bin und wie viele Fehler ich habe." Auch Petrus sei ein Mann voller Schwächen gewesen, trotzdem habe ihn Jesus erwählt. Gleiches gelte für Johannes Paul II.: "Zweifellos hatte er Schwächen. Welcher Mensch hat sie nicht?"

Zum Umgang Johannes Pauls II. mit den Missbrauchsskandalen in der Kirche sagte der Kardinal: "Er war mit dem Thema 'Missbrauch' irgendwie überfordert... Ich glaube, er war ein so lauterer Mensch, dass er sich das nicht vorstellen konnte."


Quelle:
KNA