Vatikan stellt Nachforschungen im Fall Orlandi nicht ein

Analyse der Knochen begonnen

Hunderte menschliche Knochen, die vergangenen Woche unter dem deutschen Priesterkolleg im Vatikan gefunden wurden, werden nun katalogisiert. Ein DNA-Test könnte klären, ob einige der Gebeine zur vermissten Emanuela Orlandi passen.

Pietro Orlandi mit einem Bild seiner verschwundenen Schwester / © Serena Cremaschi Insidefoto (dpa)
Pietro Orlandi mit einem Bild seiner verschwundenen Schwester / © Serena Cremaschi Insidefoto ( dpa )

Hunderte Knochen und Knochenteile will der Vatikan auf der Suche nach der vor 36 Jahren verschwundenen Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi untersuchen. Morphologische Analysen von Knochenfunden auf dem deutschen Friedhof im Vatikan sollen an diesem Sonntag fortgesetzt werden, teilte Vatikansprecher Matteo Bruni nach den sechsstündigen Arbeiten am Samstag mit.

Der vom Vatikan bestellte Forensiker Giovanni Arcudi und sein Team analysierten laut Bruni von 9.30 bis 15.30 Uhr in Anwesenheit des von der Familie Orlandi bestellten Gutachters einen ersten Teil der Knochenfunde.

Zunächst sollte die Knochenstruktur untersucht werden, um eine Altersbestimmung der Überreste durchzuführen. Diese waren vor einer Woche aus zwei unterirdischen Gebeinkammern im deutschen Priesterkolleg Campo Santo Teutonico am Petersdom entnommen worden und in mehr als 20 Beutel verpackt worden.

Knochen aus sechs Beuteln wurden am Samstag untersucht. Die Analysen sollten in den kommenden Tagen fortgesetzt werden, sagte Emanuela Orlandis Bruder Pietro laut italienischen Medien.

Einer der mysteriösesten Kriminalfälle Italiens

Nach Angaben der Familie Orlandi wurden Hunderte Knochen gefunden, die zu unterschiedlichen Skeletten gehörten, darunter auch solche von Kindern. Emanuela Orlandi war 15 Jahre alt, als sie verschwand. Laut der Familie sollen die Knochen nun katalogisiert und nach Alter sortiert werden. Falls sich Gebeine fänden, die zu Emanuela passen könnten, werde die Identität durch einen DNA-Vergleich abgesichert.

Die Nachforschungen sollen Licht in das Schicksal der jungen Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi bringen, die am 22. Juni 1983 vom Musikunterricht nicht nach Hause zurückkehrte. Es ist eine der mysteriösesten Kriminalfälle Italiens. Zu ihrem Verschwinden gibt es mehrere Theorien, etwa Bezüge zur Mafia oder dem Papst-Attentäter Ali Agca.

Agca hatte 1981 Papst Johannes Paul II. durch Schüsse auf dem Petersplatz lebensgefährlich verletzt; bis 2010 saß er in italienischer und türkischer Haft. Einer Theorie zufolge wurde Emanuela entführt, um Agcas Freilassung zu erpressen.

Agca selbst erklärte in dieser Woche über seinen Anwalt, Emanuela lebe; es handele sich um eine vom US-Geheimdienst CIA konzertierte internationale Verschwörung. Emanuelas Bruder Pietro Orlandi äußerte starke Zweifel an dieser Version. Agca suche lediglich "mediale Aufmerksamkeit", sagte Orlandi der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

"Anonymer Hinweis" oder konkrete Informationen aus dem Vatikan?

Seit 16 Tagen wird im Priesterkolleg Campo Santo Teutonico nach neuen Hinweisen geforscht. Die Untersuchungen hatte die Familie Orlandi gefordert, nachdem sie laut eigenen Angaben konkrete Informationen von mehreren Personen aus dem Vatikan erhalten hatte. Der Vatikan hingegen sprach von einem "lediglich anonymen Hinweis".

Eine erste Untersuchung der Gräber zweier deutscher Adliger, Sophie von Hohenlohe (1758-1836) und Charlotte Friederike zu Mecklenburg (1784-1840), blieb Mitte Juli ergebnislos. Die Gräber waren bei ihrer Öffnung leer.


Quelle:
KNA