Leere Gräber im Vatikan begründen neues Rätsel

Wo sind die sterblichen Überreste?

Die Öffnung von zwei alten Gräbern im Vatikan sollte das Schicksal der seit 36 Jahren vermissten Emanuela Orlandi klären. Doch nun steht man vor einem neuen Rätsel. Die Gräber sind leer. Wie kann das sein? Ein Rechtsmediziner klärt auf.

Grabsteine auf dem deutschen Friedhof Campo Santo Teutonico innerhalb der Vatikan-Mauern / © Jan Woitas (dpa)
Grabsteine auf dem deutschen Friedhof Campo Santo Teutonico innerhalb der Vatikan-Mauern / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das eine Grab stammt aus dem Jahr 1836, das andere aus dem Jahr 1840. Und nun sind beide leer. Was wäre denn zu erwarten gewesen? Was hätte man darin finden können?

Prof. Dr. Markus Rothschild (Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Uniklinik Köln): Wenn sich tatsächlich dort über diese bis heute knapp 180 Jahre ein menschlicher Körper befunden hätte, dann hätte man noch jede Menge Überreste finden müssen. Das Skelett wäre zum Beispiel noch praktisch vollständig erhalten und die Weichteile wären ebenfalls, überwiegend als papierene, relativ leicht zerbrechliche Reste am Körper, vorhanden.

DOMRADIO.DE: Wenn man also noch nicht einmal ein Skelett gefunden hat, dann hat irgendjemand etwas ausgeräumt?

Rothschild: Oder es war nie eine Leiche drin.

DOMRADIO.DE: Experten können feststellen, aus welcher Zeit Knochen stammen, die bei solchen Graböffnungen gefunden werden. Sieht man das sofort oder wie bestimmt man so etwas?

Rothschild: Wenn wir davon sprechen, dass jemand erst seit einigen Monaten oder einigen wenigen Jahren tot ist, dann kann man das tatsächlich relativ schnell und mit einfachen rechtsmedizinischen Methoden feststellen.

Bei längeren Rückdatierungen bedient man sich allerdings der Radiocarbonmethode, bei der man den Zerfall von Kohlenstoff-Isotopen misst. Das ist eine relativ aufwändige Geschichte. Aber damit gelingen ganz gute Datierungen.

DOMRADIO.DE: Was hat denn alles Einfluss darauf, wie und ob ein menschlicher Körper zerfällt und sich zersetzt?

Rothschild: Im Anfangsstadium spielt vor allen Dingen die Temperatur eine ganz wichtige Rolle, weil ja letzten Endes auch Zerfallsvorgänge chemische Prozesse sind. Je wärmer etwas ist, desto schneller läuft eine chemische Reaktion ab - und umgekehrt. Das ist auch der Grund, warum wir Lebensmittel im Kühlschrank aufbewahren, um sie länger haltbar zu machen.

Ein anderer wichtiger Faktor sind Bakterien. Wir haben eigentlich in der Anzahl sogar mehr Bakterien als eigene Körperzellen am beziehungsweise im Körper. Die meisten davon befinden sich im Dickdarm. Die werden natürlich durch unsere normalen Zellmembranen wie beispielsweise die Darmwand davon abgehalten, einfach frei durch den Körper zu flottierenden. Aber in dem Augenblick, in dem der Körper stirbt, zerfallen auch diese Grenz-Membranen. Damit können die Bakterien über das gesamte Blutgefäß-System in den gesamten Körper vordringen. Das ist auch ein ganz wesentlicher Motor für Zerfallsprozesse.

DOMRADIO.DE: Vor kurzem ist in Mainz ein 1000 Jahre altes Grab, ein Stein-Sarkophag geöffnet worden. Darin sind Überreste eines Menschen gefunden worden. Warum wurde dort etwas gefunden, obwohl das schon so lange her ist?

Rothschild: Das kommt ein bisschen darauf an, wie ungestört der Körper dort liegen kann und wie vor allen Dingen auch der sogenannte Witterungsdurchsatz von einem Grab aussieht.

Wenn ein Körper in einer steinernen Kammer liegt, die selber kaum bis gar nicht verwittert, dann stellt sich noch die Frage, ob irgendwelche Organismen Zutritt zu dieser Kammer haben - von Säugetieren angefangen und kleinen Nagern bis hin zu Insekten. Wenn das auch nicht mehr gegeben ist, dann zerfällt der Körper einfach über Hunderte und Tausende von Jahren ganz, ganz langsam. Das ist letztlich davon abhängig, wie geschützt der Körper in so einem Steingrab liegt.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR