Heilige Stiege in Rom bis Pfingsten im Originalzustand

28 Marmorstufen

Rom-Pilger haben in den kommenden zwei Monaten eine seltene Gelegenheit: Erstmals seit fast 300 Jahren können sie auf den Original-Marmorstufen der Heiligen Treppe beten. Zu verdanken haben sie dies einem Restaurator.

Autor/in:
Stefanie Stahlhofen
Wiedereröffnung nach Restaurierungsarbeiten: Pilger auf der Scala Santa / © Cristian Gennari (KNA)
Wiedereröffnung nach Restaurierungsarbeiten: Pilger auf der Scala Santa / © Cristian Gennari ( KNA )

Die Heilige Treppe in Rom ist Gläubigen so heilig, dass sie deren 28 Stufen nicht betreten: Pilger bewegen sich nur kniend und betend vorwärts - schließlich schritt gemäß der Tradition Jesus am Karfreitag auf dem Weg zur Kreuzigung über genau diese Treppe.

In Erinnerung an die Leiden Jesu bitten Pilger daher seit Jahrhunderten auf der "Scala Santa" kniend um Vergebung ihrer Sünden. Auf Dauer nutzte dies den Marmor so sehr ab, dass Papst Innozenz XIII. (1721-1724) im Jahr 1723 zum Schutz eine Holzverkleidung anbringen ließ.

Von Mitte April bis Pfingsten haben Rom-Pilger dank Restaurierungsarbeiten nun Gelegenheit, wieder auf den Originalstufen zu beten.

28 Stufen im Gedenken an die Passion

Eine ganz besondere spirituelle Erfahrung, sagt Francesco Guerra, Rektor des Heiligtums: "Wer sich auf Knien betend die 28 Stufen der Heiligen Stiege hinaufbegibt, spürt nicht nur die körperliche Anstrengung. Er tritt so auch in Kontakt mit den moralischen Leiden im Inneren."

Hinzu komme das Gedenken an die Passion Christi, das Nachempfinden seines Leids, das er zur Erlösung der Menschen durchlitt.

"So fühle ich mich vertieft von Jesus angenommen, und es gelingt mir auch selbst, mich und meine persönliche Lage besser anzunehmen", erklärt der Ordensmann. Er gehört dem Passionistenorden an, der seit 1853 für die Seelsorge an der "Scala Santa" unweit der Lateranbasilika zuständig ist.

In Kontakt mit der Heilsgeschichte kommen

Guerra verweist auch auf die Bedeutung der Fresken, die zu den Seiten sowie über der Heiligen Treppe zu sehen sind. Sie wurden seit 2012 unter Leitung der Vatikanischen Museen restauriert. Das Bildprogramm mit Szenen des Alten und Neuen Testaments erstrahle nicht nur neu, sondern stütze die Glaubenserfahrung.

Es helfe, mit der Heilsgeschichte in Kontakt zu treten, so der Rektor der "Scala Santa": "Wenn ich zu Beginn der Heiligen Treppe Jesus sehe, wie er Petrus die Füße wäscht, bewundere ich nicht nur die fachliche Geschicklichkeit des Malers. Ich erfasse auch, dass Jesus in dieser Geste nicht nur Petrus, sondern gleichsam auch mir die Füße reinigt."

Gerade in der Fastenzeit als Tage der Besinnung und Umkehr betont Guerra die "reinigende Wirkung" der "Scala Santa". Nicht zufällig können Pilger gerade vor Ostern auf den Original-Stufen um Vergebung bitten.

Am Karfreitag ist dies zudem mit einem vollkommenen Ablass verbunden. Dass der Vatikan entschied, die schützende Holzverkleidung nach der Restaurierung nicht sofort wieder aufzusetzen, ist aus Sicht des Ordensmanns auch eine Würdigung der Volksfrömmigkeit, deren Bedeutung Papst Franziskus immer wieder betont.

Pilgerstrom bricht nicht ab

Wie stark sie bei der Heiligen Treppe zum Ausdruck kommt, macht die Restaurierung anschaulich: Auch mit Anbringung der Holzplanken vor bald 300 Jahren fand der Strom der Pilger kein Ende, so dass 2018 Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten der Marmorstufen und ihres historischen Walnussbaumschutzes begannen.

Dabei fanden die Restauratoren unter einer beachtlichen Menge Erde und Schmutz zahlreiche Zettel mit Glaubensanliegen, Fotos sowie Münzen.

Eine Vermessung der Originalstufen ergab zudem teilweise Einbuchtungen im Marmor mit einer Tiefe von 15 Zentimetern - verursacht eindeutig durch die Fortbewegung auf Knien.

Die größte Überraschung der Arbeiter war jedoch die Freilegung dreier Kreuze, die im Mittelalter auf dem weißen Marmor angebracht wurden.

Sie markieren die Stellen, auf die gemäß der Überlieferung Jesu Blut tropfte - auf der zweiten, elften und 28. Stufe. Das letzte Kreuz wurde sogar mit einem Gitter versehen, um die Stelle vor allzustarker Abnutzung durch die Berührung der Gläubigen zu bewahren.

Jene Entdeckung soll übrigens der Auslöser gewesen sein, den Pilgern erneut den direkten Kontakt mit der Heiligen Stiege zu ermöglichen:

"Diese Kreuze zu finden war sehr emotional. Dabei kam mir der Gedanke, die Treppe wieder im Originalzustand zu zeigen. Dass dies wirklich möglich würde, hätte ich jedoch nicht gedacht", berichtet Restaurator Paolo Violini.

Auch für viele Pilger dürfte die Freilegung der Heiligen Treppe eine Überraschung sein. Die Botschaft davon machte schnell die Runde: Zur Wiedereröffnung standen Gläubige teilweise mehrere Stunden an, um die Original-Marmorstufen kniend hinaufzusteigen - damit die Heilige Treppe nicht allzuschnell wieder gereinigt werden muss, übrigens mit blauem Plastikschutz für die Schuhe.


Quelle:
KNA