Der kleinste Staat der Welt wird 90 Jahre alt

Runder Geburtstag

Happy Birthday Vatikan: Der kleinste Staat der Welt feiert Geburtstag. Auf der Torte sind nun 90 Kerzen platziert. Am 11. Februar 1929 wurden in Rom die Lateranverträge zwischen dem Königreich Italien und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet.

Das Zentrum des Vatikan: Petersdom und Petersplatz / © Stefano Spaziani (KNA)
Das Zentrum des Vatikan: Petersdom und Petersplatz / © Stefano Spaziani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am 11. Februar 1929 wurden die sogenannten Lateranverträge unterschrieben, die den Vatikan als Staat, wie wir ihn heute kennen, etabliert haben. Was bedeutet das denn?

Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Kenner): Das war eine sehr, sehr wichtige Angelegenheit. Wir hatten über 60 Jahre hinweg eine Zeit, in der Italien und der Heilige Stuhl mehr oder weniger im Clinch lagen. Sie standen in einer Beziehung, die eigentlich gar keine Beziehung war.

Im Jahr 1870 hatte das Königreich Italien den Kirchenstaat einverleibt. Der Papst zog sich dann als dessen Gefangener, wie er es selbst formulierte, in den Vatikan zurück. Es entstand so eine Art Eiszeit zwischen dem Königreich Italien und dem Heiligen Stuhl, beziehungsweise dem Papst selbst.

DOMRADIO.DE: Das Ganze hat aber auch eine Vorgeschichte. 60 Jahre lang hat der Vatikan Italien quasi komplett ignoriert und der Papst hat sich, wie Sie schon sagten, als Gefangener bezeichnet. Warum das denn?

Nersinger: Weil er natürlich diesen Akt von 1870, die Besetzung Roms und die Annektierung, als einen Gewaltakt und als einen unrechtmäßigen Akt ansah. Natürlich pochte der Papst darauf, dass er über ein eigenes Staatsgebiet verfügen müsse. Das war ein Streitpunkt. Auf diese Forderung wollte er nicht verzichten. Er konnte da nicht nachgeben, um auch die Freiheit der Kirche und die Freiheit des Agierens des Heiligen Stuhls zu garantieren.

DOMRADIO.DE: Damals war auf italienischer Seite Diktator Benito Mussolini an der Macht. Man kann aber nicht sagen, dass es ohne die Faschisten heute keinen Vatikan geben würde, oder?

Nersinger: Nein, das darf man nicht. Natürlich bestand auch für Mussolini ein Interesse daran, endlich eine Lösung dieser sogenannten "Römischen Frage" zu erreichen. Für ihn war auch der Gedanke da, dadurch einen Prestigegewinn zu erzielen. Aber die Verträge sind mit dem Königreich Italien geschlossen worden. Das Staatsoberhaupt Italiens war nicht der Duce, sondern der König.

DOMRADIO.DE: Nach diesen 90 Jahren kann man auch mal gucken wie es weitergeht. Wird es den Vatikanstaat auch noch weitere 90 Jahre so geben? Wie schätzen Sie das ein?

Nersinger: Ich hoffe ja. Etwas macht mir Sorge. Ich sehe bei den Leuten, die im Vatikan arbeiten und die dort leben, eine fehlende Identifikation mit dem Vatikan, mit seiner historischen Dimension und mit seiner Bedeutung für die Weltkirche.

Ich war vor kurzem sehr überrascht, dass man offenbar manchmal einen Anstoß von außen bekommen muss. Als der Heilige Vater jetzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten war, sah ich mit großer Freude, dass der Papst von Lanzen-Reitern, die die Vatikan-Flagge mit sich führten, eskortiert wurde und wie die Luftwaffe der Emirate in den Himmel gelb-weiße Streifen zeichnete. Das hatte auch etwas von einem Staatsbesuch. Man muss manchmal von außen so einen Impuls bekommen, der auch ein bisschen an die Bedeutung des Vatikanstaates erinnert.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR