Theologe kritisiert Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten

Kirchenpolitisch motiviert?

Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück kritisiert die Vielzahl von Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten. Diese stünden in "krassem Missverhältnis zu den Krisen und Skandalen" der letzten Zeit & wären oft kirchenpolitisch motiviert.

Heiligsprechungen auf dem Petersplatz / © Giogio Onorati (dpa)
Heiligsprechungen auf dem Petersplatz / © Giogio Onorati ( dpa )

Die "Akkumulation von Heiligsprechungen von Päpsten durch Päpste" rufe inzwischen "selbst bei gläubigen Katholiken ein gewisses Stirnrunzeln hervor", schreibt der Dogmatiker Jan-Heiner Tück in einem Beitrag für die "Neue Zürcher Zeitung" (Mittwoch). Anlass der Wortmeldung des Theologen ist die nahende Heiligsprechung von Papst Paul VI. (1963-1978) am Sonntag durch Papst Franziskus in Rom.

Missverhältniss zwischen Selbstsakralisierung und Krisen

Die Kritik des Theologen entzündet sich dabei nicht allein an der Häufung der Selig- und Heiligsprechungen in den vergangenen drei Pontifikaten, sondern vor allem an der aktuellen innerkirchlichen Krisensituation: "Steht die Selbstsakralisierung der Institution Kirche nicht in krassem Missverhältnis zu den Krisen und Skandalen, die in letzter Zeit publik geworden sind?", fragt Tück.

"Man könnte meinen", so der Theologe weiter, "dass der anhaltende Bedeutungsverlust, den die päpstliche Autorität in den freien Gesellschaften erlitten hat, durch eine gesteigerte Bedeutungszuschreibung auf der Ebene des Persönlich-Charismatischen aufgefangen werden soll."

Beispiele für die vermehrte Selig- und Heiligsprechungspraxis gebe es genug: angefangen bei Pius X. (1903-1914), der 1954 durch Papst Pius XII. (1939-1958) heiliggesprochen wurde, über die Päpste Pius IX. (1846-1878) und Johannes XXIII. (1958-1963), die beide im Jahr 2000 durch Johannes Paul II. (1978-2005) seliggesprochen wurden, bis hin zum polnischen Pontifex selbst, den Papst Benedikt XVI. (2005-2013) schließlich 2011 selig- und Papst Franziskus 2014 heiliggesprochen hatte. Ein weiteres Seligsprechungsverfahren läuft für den 33-Tage-Papst Johannes Paul I. (1978).

Würdigung der Lebensleistung oder Kirchenpolitik?

Gewiss würden diese Selig- und Heiligsprechungen die Lebensleistungen der betreffenden Päpste für die Kirche würdigen, jedoch seien sie auch nicht selten kirchenpolitisch motiviert, so Tück - etwa, wenn wie im Fall Pius X. und Pius IX. jeweils ein Anti-Modernist und Liberalismus-Kritiker zur Ehre der Altäre erhoben wurde; oder wenn im Fall Johannes XXIII. jener Papst gewürdigt wurde, der das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) einberufen hatte.

 

Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien / © Dieter Mayr (KNA)
Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien / © Dieter Mayr ( KNA )
Quelle:
KNA
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