Tagung über Schlüsselfigur des deutschen Katholizismus in Rom

"Deutsches Heim im goldnen Rom"

Vor 100 Jahren starb Anton de Waal. Der Priester vom Niederrhein erlebte im Rom den Untergang des Kirchenstaates, setzte auf den preußischen König und baute das "Deutsche Schwalbennest am Petersdom" aus.

Autor/in:
Benjamin Leven
Campo Santo Teutonico / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Campo Santo Teutonico / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Es ist ein beschaulicher, fast paradiesischer Ort im Schatten des Petersdoms - der Campo Santo Teutonico. Auf dem Gelände des "Friedhofs der Deutschen und Flamen", wie er offiziell heißt, gibt es nicht nur Gräber, sondern auch eine Kirche und weitere Bauten. Schon im 8. Jahrhundert soll es hier eine Pilgerherberge gegeben haben. Das Anwesen besteht noch heute. Es befindet sich kaum 100 Meter von der "Casa Santa Marta" entfernt, in der Papst Franziskus wohnt.

Erzbruderschaft ist Trägerin des Campo Santo

Trägerin des Campo Santo ist eine im 15. Jahrhundert gegründete Erzbruderschaft. Sie sorgt für den Friedhof und den deutschsprachigen Gottesdienst in Rom und kümmert sich um Pilger aus dem deutschen und niederländischen Kulturkreis. "Ein Schwalbennest am Riesendom, ein deutsches Heim im Goldnen Rom" - dieser Spruch stand im 19. Jahrhundert über dem Eingang.

Angebracht hat ihn der langjährige Rektor der Einrichtung, der vor 100 Jahren in Rom starb: Anton de Waal (1837-1917). Aus Anlass seines 100. Todestages treffen sich zurzeit zahlreiche Historiker im Campo Santo zu einer Tagung. De Waal übernahm 1873 die Leitung der Einrichtung und erfand sie im Grunde neu. Er kümmerte sich nicht nur intensiv um deutsche Pilger und die Kolonie der deutschen Katholiken in Rom, sondern gründete 1876 auch ein "wissenschaftliches Priesterkolleg": Deutsche Geistliche sollten nach Rom kommen, um hier zusammen leben und wissenschaftlich forschen zu können. 1881 öffnete Papst Leo XIII. die vatikanischen Archive, was viele Historiker nach Rom lockte. Und christliche Archäologen interessierten sich brennend für die römischen Katakomben.

Deutsche Präsenz während schwieriger Zeiten

1888 entstand am Campo Santo zusätzlich das "Römische Institut der Görres-Gesellschaft" als wissenschaftliche Einrichtung. Beide Institutionen - Priesterkolleg und Institut -, existieren bis heute. Während de Waal die deutsche Präsenz in Rom organisierte, machte die Kirche schwierige Zeiten durch, wie bei der Tagung in verschiedenen Beiträgen deutlich wurde.

Der vom Niederrhein stammende Priester de Waal lebte seit 1868 in Rom und erlebte dort die Eroberung durch die italienischen Truppen mit. Der Kirchenstaat ging unter; die Päpste blieben für die nächsten Jahrzehnte "Gefangene im Vatikan". In Deutschland tobte gleichzeitig der Kulturkampf zwischen Preußischem Staat und der katholischen Kirche. Katholiken waren hin- und hergerissen zwischen "Päpstlichkeit und Patriotismus".

Begeisterung für das Papsttum

Das galt nicht zuletzt für die deutschen Katholiken in Rom. De Waal versuchte, beides zu verbinden, wie der Potsdamer Historiker Thomas Brechenmacher erklärte. So schrieb de Waal populäre Lebensbeschreibungen der Päpste seiner Zeit, mit denen er seine Landsleute für das Papsttum begeistern wollte. Vor allem nach der diplomatischen Beilegung des Kulturkampfes kam bei ihm aber auch ein preußischer Patriotismus auf. De Waal hoffte etwa, die Hohenzollern könnten zur Lösung der ungeklärten "römischen Frage" beitragen: also dem Papst in seiner Auseinandersetzung mit dem Königreich Italien beistehen - was freilich völlig illusorisch war.

Der Kirchenhistoriker Georg Kolb ging auf das literarische Schaffen de Waals ein. Für den deutschen "katholischen Gesellenverein" in Rom verfasste der Priester erbauliche Theaterstücke, die etwa den heldenhaften Kampf deutscher Soldaten im päpstlichen Heer gegen die italienischen Eroberer zum Gegenstand hatten. Das gleiche Thema bereitete er in seinem Roman "Der 20. September" - das Datum der Eroberung Roms durch Garibaldis Truppen - auch für ein gebildetes bürgerliches Publikum auf.

Multitalent im Schatten des Petersdoms

De Waal begeisterte sich aber auch für die deutschen Kolonialbestrebungen in Ostafrika und die damit verbundenen Aktivitäten der damals neu gegründeten Missionsbenediktiner; er veröffentlichte das Schauspiel "Tim, der Negerknabe". De Waal, so der Wiener Ethnologe Peter Rohrbacher, war hier "ganz Kind seiner Zeit". Anton de Waal, so zeigt die römische Tagung, war ein Multitalent: Theologe, Historiker, Archäologe, Wissenschaftsorganisator, Propagandist für den Papst und Schriftsteller. Den Campo Santo Teutonico hat er entscheidend geprägt.


Blick über den Campo Santo Teutonico im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Blick über den Campo Santo Teutonico im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )
Quelle:
KNA