Vatikan-Briefmarke zeigt Martin Luther

Eine kleine Sensation

Ab kommenden Donnerstag gibt es eine neue Briefmarke des Vatikan. Das Besondere: Auf ihr ist der Reformator Martin Luther abgebildet. Wie es dazu gekommen ist – von der Idee bis zum Versand – kann man hier lesen.

Autor/in:
Stefanie Stahlhofen
Vatikan-Briefmarke zur Reformation, links kniet Martin Luther mit der deutschen Bibel / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Vatikan-Briefmarke zur Reformation, links kniet Martin Luther mit der deutschen Bibel / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Ob Martin Luther damit gerechnet hätte, einmal eine Briefmarke des Vatikan zu zieren? Schließlich löste der deutsche Reformator einst die Spaltung der Kirche aus, war im Vatikan damals nicht gern gesehen, ja wurde sogar verdammt.

Auch 500 Jahre später sind die Gräben nicht völlig überwunden. "Aber es geht voran", sagt Mauro Olivieri, seit 2011 Leiter des vatikanischen Münz- und Briefmarkenamts. Er hatte zum Reformationstag 2016 die Idee, 2017 mit einer Vatikan-Marke an 500 Jahre Reformation zu erinnern. Nach gut einem Jahr ist sie nun fertig, ab 23. November erhältlich. Gerade liegt diese kleine Sensation vor Olivieri auf dem Schreibtisch: die erste Vatikan-Briefmarke, die Martin Luther zeigt.

"Anerkennung einer Entwicklung"

Nun ja, nicht Luther allein - als Motiv für die Ein-Euro-Marke wurde auf Olivieris Vorschlag hin das Bild über dem "Thesenportal" der Schlosskirche in Wittenberg aus dem 19. Jahrhundert gewählt. Dieses zeigt Christus am Kreuz vor der Stadt, vom Betrachter aus links daneben kniet Luther mit der deutschen Bibel, rechts vom Kreuz Philipp Melanchthon mit dem Augsburger Bekenntnis.

"Es ist ein sehr bedeutsames Bild, denn es ist im Portal der Kirche von Wittenberg, und darunter sind in Bronze die 95 Thesen zu sehen, die Luther der Legende nach am 31. Oktober 1517 dort angeschlagen haben soll", erklärt Olivieri. Dass es 500 Jahre später eine Vatikanmarke mit diesem Motiv gibt, sei als "Anerkennung einer Entwicklung" zu verstehen: Die Kirchenspaltung, die Luther auslöste, sei heute zumindest in Teilen überwunden.

Begegnung in Schweden

Als Beispiel führt der Chef des vatikanischen Briefmarkenamts das gemeinsame Reformationsgedenken von Papst Franziskus und dem damaligen Präsidenten des Lutherischen Weltbundes am 31. Oktober 2016 an. Bischof Munib Younan und der Papst trafen sich dazu im schwedischen Lund. Die Begegnung habe die Ökumene einen großen Schritt vorangebracht - und ihn zur Gestaltung der Luther-Marke inspiriert, so Olivieri.

Da verwundert kaum, dass der Vatikan auch die historische Begegnung in Schweden auf einer Briefmarke verewigt, die übrigens gemeinsam mit der Luther-Marke an den Start geht: Am gleichen Tag veröffentlicht der Vatikan auch die Markenserie, die an die Papstreisen des Vorjahres erinnert. Dass die Gedenkmarke zur Schwedenreise des Papstes mit der Luther-Marke in Verbindung steht, war Olivieri besonders wichtig.

Unter der Lupe

Nach einem kurzen Anruf liegt auch diese Marke auf seinem Schreibtisch. Der Briefmarkenamtschef zückt die Lupe, prüft Details, nickt zufrieden. Die Parallelen der Motive sind auch mit bloßem Auge

sichtbar: Im Zentrum jeweils ein Kreuz, auch die Hintergründe ähnlich. Die Luther-Marke mit der Stadt Wittenberg, die Schwedenreisemarke mit der Kirche von Lund und einer Landschaft, deren Farbgebung an das Land erinnert: blauer Himmel über gelbem Boden. Im oberen Teil des Kreuzes der Schwedenreisemarke sind Papst Franziskus und Bischof Munib Younan bei der Unterzeichnung ihrer gemeinsamen Erklärung zu sehen. Beide befinden sich auf jeweils unterschiedlichen Seiten des Kreuzes - genau wie Luther und Melanchthon auf der anderen Marke.

Der Weg vom Gedanken zur Grafik

Es steckt ein Konzept hinter den Motiven - doch wie geht es weiter, wenn der Gedanke steht? Unterschiedlich, erklärt Olivieri. Existiert das gewünschte Motiv, wie etwa im Fall der Luthermarke bereits, müssen die Bildrechte geklärt und eine Druckerlaubnis eingeholt werden. Dann kann die Marke in etwa einer Woche fertiggestellt werden. Soll ein neues Motiv geschaffen werden, dauert es länger: Gestaltung, Sichtung von Entwürfen und Änderungswünsche kosten Zeit.

Steht alles, kommt der Grafiker des vatikanischen Briefmarkenamts zum Einsatz. Sein Büro ist nur wenige Schritte von dem Olivieris entfernt - der Weg vom Gedanken zur Grafik ist also nicht weit.

Noch ohne Zähne

Roberto Cortesini sitzt hinter einem großen Bildschirm, insgesamt gibt es in seinem Büro ganze vier davon. Hier bekommen die Vatikan-Marken den letzten Schliff. Ein Doppelklick mit der Maus - schwupps erscheint das Motiv der Luthermarke auf dem Bildschirm. Ganz fertig ist sie da allerdings noch nicht: Es fehlt der typische gezahnte Briefmarkenrand. Cortesini passt diesen immer an die neuen Marken an. Die Zahl der Briefmarkenzähne kann übrigens variieren, verrät er.

Ist das Motiv der Marke fertig, verlässt es den Vatikan: Gedruckt wird außerhalb, da, wo es das günstigste Angebot gibt. Doch die Marken sind nicht lange jenseits der vatikanischen Mauern: Um ihre Verteilung kümmert sich das Vatikan-Amt für Philatelie und Numismatik dann wieder selbst.

Von Hand eingetütet

Das Herz des Versandzentrums liegt ein Stockwerk tiefer, im Untergeschoss des vatikanischen Governatorats, das das Marken-und Münzamt beherbergt. Hier herrscht geschäftiges Treiben: Begleitet von Papiergeraschel machen neun Mitarbeiterinnen die Vatikan-Briefmarken und -Münzen versandfertig. Jede Münze und Marke wird von Hand eingetütet. Stolz zeigt Michela Avesani, wie sie Versandkartons faltet und Briefumschläge zuklebt, bevor sie auf die Reise gehen.

Auf sehr vielen Adressaufklebern steht übrigens "Germania" - Deutschland. Die Bundesrepublik ist nicht nur Heimat des Reformators, der erstmals eine Vatikan-Briefmarke ziert, sondern auch vieler Sammler. Der Gebrauch von Postwertzeichen hat im Zeitalter von E-Mail und Co natürlich abgenommen, aber in Deutschland ist das Interesse der Sammler immer noch hoch, so Briefmarkenamtschef Olivieri. Die meisten Kunden seien Italiener, "aber direkt danach kommt Deutschland".

Brief in die Heimat

Im Schnitt werden etwa 20.000 Exemplare einer einzelnen Marke gedruckt - "besonders beliebt sind natürlich die mit dem Papst drauf". Zum Glück habe Franziskus das bisher nicht geändert. Auf den Vatikanmünzen ist sein Bild auf seinen Wunsch hin nun nicht mehr zu sehen. "Wir werden uns hüten, ihn an die Briefmarken zu erinnern", sagt Olivieri und lacht. Eine Motiv-Briefmarke sei immer ein besonderes Zeichen der Wertschätzung und eine populäre Form des Gedenkens.

Das gilt auch für die Luther-Marke. Dass sie den Wert "1 Euro" hat, ist übrigens kein Zufall - damit kann Post aus dem Vatikan nach ganz Europa geschickt werden. "So können viele Menschen die Marke sehen - auch in Deutschland, der Heimat des Reformators."


Das Motiv der Vatikan-Briefmarke zur Reformation mit Martin Luther (links) / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Das Motiv der Vatikan-Briefmarke zur Reformation mit Martin Luther (links) / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Grafiker bearbeitet Vatikan-Briefmarke / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Grafiker bearbeitet Vatikan-Briefmarke / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )
Quelle:
KNA