Vatikan wehrt sich bei Vorwürfen zu Entführungsfall

"Durchweg falsch"

Angeblich soll der Vatikan vor rund 25 Jahren an der Entführung eines jungen Mädchens beteiligt gewesen sein - das Presseamt des Heiligen Stuhls wies nun entsprechende Vorwürfe zurück. Ein Beweisstück - ein Dokument - soll nicht echt sein.

Dunkle Wolken über dem Vatikan / © Gregorio Borgia (dpa)
Dunkle Wolken über dem Vatikan / © Gregorio Borgia ( dpa )

Der Vatikan hat Behauptungen zurückgewiesen, an dem Verschwinden der damals 15-jährigen Emanuela Orlandi im Jahr 1983 beteiligt gewesen zu sein. Anlass ist die Veröffentlichung eines Dokuments, das angeblich vom damaligen Chef der vatikanischen Güterverwaltung Kardinal Lorenzo Antonetti stammen soll und demzufolge der Vatikan eine geheime Unterbringung Orlandis im Ausland organisierte.

Dazu erklärte das päpstliche Presseamt am Montagabend, das vatikanische Staatssekretariat dementiere nachdrücklich die Echtheit des Dokuments. Die darin enthaltenen Informationen seien "durchweg falsch und ohne jede Grundlage". Weiter hieß es, die Publikation verletze die Ehre des Heiligen Stuhls und rühre vor allem den "ungeheuren Schmerz der Familie Orlandi" wieder auf. 

Familie hat Zweifel

Das Verschwinden von Emanuela Orlandi, Tochter eines Vatikanangestellten, am 22. Juni 1983 gehört zu den bekanntesten ungelösten Kriminalfällen Italiens. Ihre Familie glaubt bis heute nicht an ein einfaches Gewaltverbrechen. Am Montag veröffentlichten die Tageszeitungen "La Repubblica" und "Corriere della Sera" einen Vorab-Beitrag des italienischen Journalisten Emilio Fittipaldi, in dem dieser von einem angeblichen Rechnungsabschluss der vatikanischen Finanzverwaltung aus dem Jahr 1998 berichtet.

Aufgelistet werden angebliche Auslagen für die Entführung und Unterbringung Orlandis in der Chapman Road 176 in London, für diverse investigative Maßnahmen, Medienkontakte und das Legen einer falschen Fährte. Eine Gynäkologin stellte eine Rechnung, auch Reisekosten des Leibarztes von Johannes Paul II., Renato Buzzonetti, und des damaligen vatikanischen Polizeichefs Camillo Cibin erscheinen in der Bilanz. Alles in allem 483 Millionen Lire, in heutiger Währung 250.000 Euro.

Den aufgeführten Posten zufolge finanzierte der Vatikan bereits einige Monate vor der mutmaßlichen Entführung bis Juli 1997 Maßnahmen in Zusammenhang mit der Verschleppung und dem Verbleib Orlandis, unter anderem eine Wohnung in London. Das Dokument weist jedoch einige Ungereimtheiten auf. 

Ermittlungen 2012

Bis heute sind viele Fragen offen. Die italienische Justiz nahm im Mai 2012 nochmals Ermittlungen auf, nachdem in der Hauskirche der römischen Opus-Dei-Universität im Grab des Chefs der Magliana-Bande, Enrico De Pedis, fremde Knochen gefunden wurden. Vermutungen, es handele sich um Überreste Orlandis, erwiesen sich als falsch.

2015 schloss die Staatsanwaltschaft die Akten. Nicht jedoch die Familie Orlandi. Sie unterhält eine Facebookseite, auf der sie volle Wahrheit fordert. "Die Mauer bricht ein", postete Emanuelas Bruder Pietro am Montag.


Plakat mit dem Bild der 1983 verschwundenen vatikanischen Staatsbürgerin Emanuela Orlandi aus dem Jahr 2012 / © Alexander Brüggemann (KNA)
Plakat mit dem Bild der 1983 verschwundenen vatikanischen Staatsbürgerin Emanuela Orlandi aus dem Jahr 2012 / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
KNA