Vor 75 Jahren starb der kroatische Kapuziner Leopold Mandic

Körperlich ein Zwerg, geistig ein Riese

"Dem menschlichen Auge erscheint das Leben dieses Heiligen wie ein Baum, dem eine unsichtbare, grausame Hand alle Zweige abgeschnitten hat." So bilanzierte Johannes Paul II. den Opfergang des kroatischen Kapuziners.

Autor/in:
Anselm Verbeek
Der Leichnam von Pater Leopold / © Stefanie Stahlhofen (KNA)
Der Leichnam von Pater Leopold / © Stefanie Stahlhofen ( KNA )

Es war kein spektakuläres Leben, das der Kapuziner Leopold Mandic geführt hat: Über Jahrzehnte empfing der Pater Menschen, die Seelenfrieden suchten. Tag für Tag saß er in seiner winzigen "Beichtzelle" von zwei mal drei Metern: ein ungeheizter, fensterloser Raum im Kapuzinerkloster von Padua, winters ein Eiskeller und sommers ein Brutkasten. Der Spross einer kroatischen Familie verzichtete auf seinen Jugendtraum, Brücken zwischen den christlichen Kirchen in Ost und West zu bauen. Von Natur war "Padre Leopoldo" benachteiligt: gerade mal 1,38 Meter klein und kränklich. Doch in der Enge der Beichtzelle wuchs er zum spirituellen Riesen.

Am 30. Juli 1942, vor 75 Jahren, ist Leopold Mandic unter den geistlichen Gesängen seiner Mitbrüder gestorben. Ein Tumor an der Speiseröhre hatte ihn völlig ausgezehrt. Der Kapuziner, Urbild eines gütigen Beichtvaters, war als österreichischer Staatsbürger an der Bucht von Kotor in Dalmatien am 12. Mai 1866 geboren worden. Seine Eltern nannten ihr behindertes Kind Bogdan, Geschenk Gottes. Der Junge blieb in der Entwicklung zurück: Von Statur ein Zwerg, war er mit leiser, lispelnder Stimme schwer verständlich.

Fehler vor Perfektion

"Gott zieht den Fehler, der demütig macht, der stolzen Perfektion vor", dämmerte Bogdan als eine frühe Erkenntnis. Das Vorbild seiner frommen Eltern weckte in ihm Glaubenskraft; er verbitterte nicht, nahm seinen gebrechlichen Körper an. Der junge Kroate erlebte und erlitt die Spannungen zwischen den Volksgruppen im Balkan, zwischen kroatisch-katholischen und serbisch-orthodoxen Christen. Im Pulverfass des habsburgischen Vielvölkerstaats wollte er versöhnen. Er wurde Kapuziner und nahm den Ordensnamen Leopold an.

Nur drei Jahre konnte Pater Leopold in seiner kroatischen Heimat, in der Küstenstadt Zadar wirken. In Kapuzenkutte, mit dem Strick um den Bauch und baumelndem Rosenkranz, suchte der vollbärtige Mönch die Begegnung mit orthodoxen Christen. Der Kapuziner sprach mit ihnen über das Gemeinsame im Glauben wie die Verehrung der Gottesmutter, die er mit kindlichem Urvertrauen liebte. Der Gehorsam Mariens gegenüber Gottes Wort, auch wenn der Sinn anfangs noch dunkel erschien, war ihm Vorbild, als er 1909 gegen seinen Willen von seinen Oberen aus Zadar nach Padua geschickt wurde.

Befreiung trotz Enge

Leopold unterrichtete den Ordensnachwuchs. Seine Beichtgespräche lockten zahllose Menschen in seine Zelle, die trotz ihrer Enge Befreiung bot. Jeden Tag wartete ein buntes Publikum auf die Absolution - vom stammelnden Bauern bis zum näselnden Akademiker. Bis zu 15 Stunden konnte Pater Leopold in seinem abgewetzten Sessel Beichte hören. Geduldig warteten die Leute in der Schlange. Wenn wenig Andrang war, las er in den Pausen neueste theologische Fachliteratur. Der Beichtvater, kein studierter Psychologe, hatte therapeutische Erfahrung erworben. Er verstand sich selbst als Medium, als Werkzeug Jesu als dem Arzt, der die seelischen und leiblichen Leiden heilen kann.

Wunderbare Anekdoten werden von dem feinnervigen, verständnisvoll milden Beichtvater erzählt. Einen gesellschaftlich avancierten Paduaner, der lange das Sakrament der Versöhnung gescheut hatte, komplimentierte der kleine Kapuziner einst in seine Kammer. Der Klient war über die liebenswürdige Aufnahme derart verwirrt, dass er sich in den alten Sessel des Beichtvaters setzte. Leopold rettete geistesgegenwärtig die Situation, indem er sich anstelle des reuigen Sünders in die Kniebank drückte: Das war der Auftakt zu einem fruchtbaren Gespräch.

Seelsorger und Versöhner

Natürlich weckte der erfolgreiche Beichtvater, den auch die Bischöfe von Venedig, darunter der spätere Papst Johannes Paul I., aufsuchten, anfangs Neid. Laxe Moral wurde dem Pater vorgehalten. Bloß wenige Male als Jungpriester hatte Leopold die Lossprechung von Sünden verweigert. Seine Nachsicht verteidigte er, indem er auf die Gottesliebe verwies: Christus selbst habe "dieses schlechte Beispiel" gegeben. Denn er sei "aus göttlicher Nächstenliebe am Kreuz für die Errettung der Seelen gestorben". Mit biblischen Sündern wie dem Zöllner oder der Ehebrecherin sei Jesus milde verfahren.

Auch als Leopold zum Beichtvater von Venetien reifte, verlor er seinen unerfüllten Wunsch nicht aus dem Auge: Seelsorger in Dalmatien, Versöhner zwischen Kroaten und Serben, Katholiken und Orthodoxen zu werden. Doch das Schichsal entschied anders. Padua blieb bis zu Leopolds Tod seine neue Heimat.

Vergessen wurde der Kapuziner indes nicht: Papst Paul VI. hat Leopold seliggesprochen: Als der Fachausdruck "Ökumene" unbekannt war, habe der Kapuziner sie bereits gelebt. Johannes Paul II. hat Leopold heilig gesprochen. Und Papst Franziskus hat ihn zusammen mit Padre Pio zu den Patronen des Jahres der Barmherzigkeit 2016 erhoben. Er rühmte verständnisvolle Beichtväter wie die beiden Heiligen als "demütig und ihrer eigenen Sünden bewusst".


Kapuzinerpater Leopold Mandic / © Romano Siciliani (KNA)
Kapuzinerpater Leopold Mandic / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA