Pell-Verfahren eröffnet: Kommt der Finanzminister je zurück?

"Franziskus braucht ein paar starke Minister"

Kurienkardinal Pell hat bei einer Anhörung vor einem Gericht in Melbourne gegen ihn erhobene Missbrauchsvorwürfe zurückgewiesen. Was das Verfahren für Papst Franziskus bedeutet, darüber hat domradio.de mit KNA-Chefredakteur Ring-Eifel gesprochen.

Polizeischutz für Kurienkardinal George Pell / © Joe Castro (dpa)
Polizeischutz für Kurienkardinal George Pell / © Joe Castro ( dpa )

domradio.de: Was bedeutet das denn, dass Papst Franziskus seinen Finanzchef freigestellt hat?

Ludwig Ring-Eifel (Chefredakteur Katholische Nachrichtenagentur): Ich glaube, das ist eine Mitteilung gewesen, die damals ziemlich viel Aufsehen erregt hat und die von einigen auch missverstanden worden ist. Wenn man jemanden beurlaubt, kann das ja schon so eine Art Vorverurteilung sein. Wenn man sich aber den Text der Erklärung von damals genau durchliest, sieht man, dass er ihn auf eigenen Antrag freigestellt hat. Pell hatte den Papst gebeten, nach Australien reisen zu dürfen, um sich selber vor Gericht verteidigen zu können. Das Verfahren geht ja nach australischem Recht ziemlich lange, bis weit in den Herbst. Das ist nicht einfach nur eine Anhörung und ein einfaches Verfahren. Kardinal Pell will sich dort verteidigen und wir sehen schon, dass das in den Medien in Australien ziemlich hochgespielt wird und da ist einfach seine physische Präsenz erforderlich, so dass er selber dort Stellung beziehen kann.

domradio.de: Die ersten Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Pell wurden ja schon 2008 erhoben. Außerdem hat er zugegeben, andere Fälle sexuellen Missbrauchs heruntergespielt zu haben. Trotzdem hat Papst Franziskus ihn 2013 zum Mitglied des Kardinalrats und 2014 dann zum Finanzchef erhoben. Nicht ganz leicht nachzuvollziehen, oder?

Ring-Eifel: Das kann man eigentlich nur dann nachvollziehen, wenn man weiß, dass der Papst von der Unschuld Pells überzeugt ist - zumindest was die aktuellen Vorwürfe angeht. Dass er früher beim Handling anderer Missbrauchsfälle nicht genau das erfüllt hat, was heute Standard ist, ist eigentlich auch klar. Das ist etwas, was man fast jedem Bischof heute vorwerfen kann, dass er damals nicht so stringent gehandelt hat, wie es nach den heutigen Vorschriften nötig wäre. Das ist aber kein Grund einen Bischof nicht weiter zu befördern, wenn er sich selber nichts hat zuschulden kommen lassen. Also, der Papst war offenbar damals davon überzeugt, dass Pell sich nichts hat zuschulden kommen lassen, sonst hätte er ihn nicht für so einen wichtigen Posten ernannt.

domradio.de: Die Medien stürzen sich jetzt natürlich auf das Missbrauchsverfahren gegen Kardinal Pell. Was würden Sie sagen:  In welchem Verhältnis steht der Fall Pell zu der Entlassung von Kardinal Müller aus dem Vatikan?

Ring-Eifel: Ich glaube nicht, dass es da irgendeinen Zusammenhang gibt. Das einzige ist, dass es zwei sehr hochrangige Leute im Vatikan sind, die jetzt in die Schlagzeilen kommen. Kardinal Müller eben, weil seine Amtszeit nicht verlängert wurde und Pell, weil er wegen dieses Verfahrens beurlaubt wird. Das ist gewissermaßen ein Zufall. Es wird in einigen Kommentaren jetzt so gedreht, "naja der Papst kommt überhaupt nicht mehr weiter mit seinen Reformen und seine wichtigsten Leute entlässt er oder die gehen von Bord". Das ist alles ein bisschen mit heißer Nadel gestrickt, was da im Moment kommentiert wird. Denn die Reformen gehen ja Schritt für Schritt voran und er hat ja die wichtigsten Posten neu besetzt. Er hat auch für Müller einen sehr guten Nachfolger ernannt. Es ist also nicht so, dass da jetzt alles ins Stocken käme.

domradio.de: Kardinal Pell ist zurzeit der ranghöchste Kirchenmann des Vatikans, dem sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Was bedeutet das für Papst Franziskus?

Ring-Eifel: Was es im Vatikan bedeutet, versuchen wir selber gerade über unsere Korrespondenten in Rom herauszukriegen. Einfach mal die Frage zu erörtern, was bedeutet es, wenn sozusagen der Finanzminister - das ist ja Pell eigentlich - mehrere Monate abwesend ist. Funktioniert denn eigentlich noch alles mit den Finanzen dort? Oder erledigt das sein Stellvertreter im Range eines Sekretärs, bekommt der alles alleine hin? Ich vermute mal, dass das genau so ist: Er hat ein ziemlich starkes Team mit ein paar sehr fähigen Leuten, die arbeiten ja auch schon seit 2013 zusammen. Das ist also ein eingespieltes Team, die können also auch ein paar Monate, wenn nicht sogar ein Jahr ohne Präfekten weiterwirtschaften. Wenn aber Pell sich aus gesundheitlichen oder anderen Gründen komplett zurückziehen würde, dann müsste natürlich ein neuer Präfekt auch für diese Behörde ernannt werden.

domradio.de: Was heißt das für Franziskus, für sein Ansehen, auch in der Weltkirche?

Ring-Eifel: Ich glaube, Franziskus muss in dieser Situation, wo zwei sehr hochrangige Leute entlassen bzw. beurlaubt worden sind, klarmachen, auf wen er setzt. Er muss, glaube ich, auch die Leute in der zweiten Reihe nach ihm stärken. Das ist nach meiner Einschätzung ein Manko dieses Pontifikats bisher gewesen, dass sich alles nur auf Papst Franziskus konzentriert hat und dass die Leute, die neben und unter ihm arbeiten, alle ein bisschen in seinem Schatten gestanden haben. Ich glaube, da würde er gut dran tun, dort auch ein paar Figuren stärker nach vorne zu bringen, die auch öffentliches Vertrauen genießen, die starke "Minister" sind.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.


KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel (KNA)
KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel / ( KNA )
Quelle:
DR