Eine deutsche Gemeinde feiert den Tridentinischen Ritus

Mit dem Latein noch nicht am Ende

Die Sprache ist Latein, der Priester steht mit dem Rücken zur Gemeinde: Das sind die wohl bekanntesten Merkmale einer Messe, die im Außerordentlichen Ritus gefeiert wird. Vor genau zehn Jahren wurde der von der Kirche erlaubt.

Autor/in:
Marion Sendker
"Ad Dominum" zelebriert der Priester die Messe / © Marion Sendker (DR)
"Ad Dominum" zelebriert der Priester die Messe / © Marion Sendker ( DR )

Es riecht ein bisschen so wie in einem Antiquariat oder wie zu Hause bei den Großeltern oder wie in einer Kiste mit alten Kleidungsstücken. Die Kirche Maria Hilf in der Kölner Südstadt ist tatsächlich schon sehr alt. Hier wird jeden Tag eine Messe im Außerordentlichen Ritus gefeiert. Diese Form der Liturgie ist noch viel älter als das Kirchgebäude, denn ihre Ursprünge reichen bis zum Apostel Paulus zurück.

Die Menschen, die hier sonntags zum Gottesdienst anreisen, sind dagegen zum Teil noch sehr jung, sogar Kinder sind dabei. Manche Besucher sind von weit her gereist, nur um an diesem Gottesdienst teilzunehmen. Einige haben sich besonders schick gemacht: Sie tragen Anzug und Kostüm, ein Mädchen trägt ein Trachtenkleid, eine Frau hat ein verziertes Kopftuch auf – um die anderen nicht mit ihren Haare abzulenken, erklärt sie. Wieder andere kommen in Jeans und Bikerjacke. Einen Dresscode gibt es hier nur für den Priester und die Ministranten. 

Keine Überraschungen

Der Ablauf einer Messe nach dem Außerordentlichen Ritus ist klar festgelegt. Es gibt wenig Gesang, fast keine deutschen Lieder und es gibt auch keinen Handschlag zum Friedensgruß. Jede Stellung des Priesters, jedes Wort und jede Tonlage haben ihre Bedeutung. Wenn der Priester zum Beispiel das Evangelium verkündet, richtet er sich gen Norden: denn dort ist die Dunkelheit. Grundsätzlich zelebriert er die Messe ad Dominum – also mit Blick auf den Hochaltar. Er spricht und betet nicht zu den Gläubigen, sondern zu Gott. Die Gemeinde empfindet das nicht als Ausschluss ihrer selbst, sondern vielmehr als Inklusion Gottes, und um den geht es ja zuallerst.

"Man weiß genau, wann was passiert", erzählt eine Gläubige. Das mag sie, denn so ist sie nicht von Äußerlichkeiten abgelenkt, sondern kann sich ganz auf den Kern der Messe konzentrieren: Jesus Christus. Den Ablauf hat die Frau aber lernen müssen. Länger als ein Jahr hat sie gebraucht, um sich mit der Liturgie des Tridentinischen Ritus auseinanderzusetzen, sagt sie. "Am Anfang war das schwer", gibt sie zu. "Aber je mehr ich mich damit beschäftigt und je mehr ich zu dem Thema gelesen habe, umso intensiver konnte ich die Messe feiern."

Ein Fest in schlichter Nüchternheit

Die Kirche Maria Hilf in Köln ist nicht besonders groß. Als sie im Zweiten Weltkrieg von einer Bombe getroffen wurde, hat sie ihren ursprünglichen Prunk verloren. Und der ist bis heute nicht wieder gekommen; stattdessen strahlt die Kirche in trister Sachlichkeit eine bescheidene Ruhe aus. Im hinteren Teil steht ein Tisch mit gebrauchten Büchern zum Verkauf. Der Mittelgang führt durch das rechteckige Kirchenschiff vorbei an langen eckigen Fenstern zum Altarraum. Ungefähr auf der Hälfte stehen zwei metallene, weiße Kästen mit dunkelgrünem Vorhang: Hier kann gebeichtet werden.

Durch die matten Fensterscheiben dringt nur wenig Licht in das Gebäude und die Decke ist zu hoch oder die Lampen dort sind zu schwach, um das Kirchinnere zu erhellen. Im Gang über dem Mittelschiff stehen einsam ein paar kleine Kerzen. Die machen zwar kein Licht, zeugen aber immerhin von Detailliebe.

Die Kirche ist ein bisschen so wie der Ritus, der hier gefeiert wird. Was auf den ersten Blick genügsam und karg aussieht, hat im Grunde eine tiefgehende Bedeutung. Ein Grundelement des Außerordentlichen Ritus ist gerade, dass er jeder Ablenkung eine Absage erteilt. Es geht darum, sich ganz auf Christus zu konzentrieren und nicht auf Verzierungen und Schnörkel. "Die lateinischen Gesänge wirken dabei fast meditierend", sagt eine Gläubige.

Der Priester ist für den Ritus da, nicht der Ritus für den Priester

Pater Miguel Stegmaier ist seit 14 Jahren Priester und zelebriert genauso lange in der Kölner Südstadt den Außerordentlichen Ritus. Zum ersten Mal hat er diese Form der Messe in seiner Ausbildung in Chile erlebt. "Es war ungewohnt, ich sah den Altar auf einmal ganz anders", erinnert er sich. Für ihn hat diese Messe von dem einen auf den anderen Tag einen großen Unterschied gemacht. "Für mich war das wie das himmlische Jerusalem auf der Erde, es passte alles zusammen: Musik, Gewänder, Zeremonien, Altarschmuck."

Die Sachlichkeit und Stille der Messe ist für ihn eine ganz besondere Form von liturgischer Ästhetik. Dass er sich als Priester an einen bestimmten Ablauf halten muss, ist für ihn keine Einschränkung, sondern eine Befreiung: "Wenn wir richtig lernen die Messe zu feiern und verstehen, was ein Ritus ist, dann sind wir befreit. Dann fühlen wir uns in der Messe sehr wohl und nicht als Sklaven eines Ritus."


Ein Messbuch in der Kirche Maria Hilf in Köln / © Marion Sendker (DR)
Ein Messbuch in der Kirche Maria Hilf in Köln / © Marion Sendker ( DR )

Die Messdiener haben Kerzen zum Sanctus gebracht / © Marion Sendker (DR)
Die Messdiener haben Kerzen zum Sanctus gebracht / © Marion Sendker ( DR )

Im Hochamt kommt Weihrauch zum Einsatz / © Marion Sendker (DR)
Im Hochamt kommt Weihrauch zum Einsatz / © Marion Sendker ( DR )

 Das Evangelium wird gen Norden verkündet  / © Marion Sendker (DR)
Das Evangelium wird gen Norden verkündet / © Marion Sendker ( DR )

In der Kirche Maria-Hilf in Köln finden fast täglich Messen im außerordentlichen Ritus statt / © Marion Sendker (DR)
In der Kirche Maria-Hilf in Köln finden fast täglich Messen im außerordentlichen Ritus statt / © Marion Sendker ( DR )

Während der Messe in Maria-Hilf in Köln / © Marion Sendker (DR)
Während der Messe in Maria-Hilf in Köln / © Marion Sendker ( DR )
Quelle:
DR
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