Journalistin zur Heiligsprechung von Mutter Teresa

"Teresa und Franziskus wie Zwillinge"

Über 100.0000 Besucher aus aller Welt verfolgten am Sonntag auf dem proppenvollen Petersplatz die Heiligsprechung von Mutter Teresa. Ganz nah dran war auch Gudrun Sailer von Radio Vatikan - mit einer überraschenden Erkenntnis.

Bild von Mutter Teresa an der Fassade des Petersdoms / © Paul Haring (KNA)
Bild von Mutter Teresa an der Fassade des Petersdoms / © Paul Haring ( KNA )

domradio.de: Was sagt man denn nun eigentlich? Heilige Teresa? Oder Heilige Mutter Teresa? Oder wie sonst?

Gudrun Sailer (Journalistin, Buchautorin und Redakteurin bei Radio Vatikan): Das kann man sich aussuchen. Mutter Teresa würde sich über beides freuen und der Papst und die Weltkirche auch. Der Papst selbst hat ja angemerkt, dass es einem fast schwerfällt, jetzt Heilige Mutter Teresa von Kalkutta zu sagen. Er wird sie weiter Mutter Teresa nennen, weil diese Bezeichnung für ihn persönlich die zutreffendste ist.

domradio.de: Wir sind im Jahr der Barmherzigkeit. Nun das Vorbild an Barmherzigkeit schlechthin - Mutter Teresa - heilig zu sprechen, war dem Papst doch sicher eine ganz besondere Freude. Hat man Franziskus das angemerkt?

Sailer: Ich weiß nicht, ob ich es ihm angemerkt habe. Jedenfalls weiß ich, dass der Papst diese Heilige außerordentlich schätzt. Für ihn war es ein Glücksfall, ausgerechnet Mutter Teresa im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit heiligzusprechen. Sie ist die Frau, die genau das an christlicher Sendung lebte, was der Papst immer propagiert: raus in die Welt zu gehen, dorthin, wo es brennt, Feldlazarette zu errichten, Wunden zu verbinden, raus an die Ränder zu gehen, zu den Bedürftigsten, die man finden kann. Franziskus hat schon länger von Mutter Teresa gesprochen, von ihrer Beispielhaftigkeit. Er hat sie auch oft in seinen Lehrschreiben in einem Atemzug mit beispielsweise Franz von Assisi genannt - also einer weiteren Ikone der katholischen Kirche.

Übrigens hat er sie auch persönlich gekannt. Er hat als Erzbischof von Buenos Aires diese albanisch-indische Schwester im Jahr 1994 ausgerechnet im Vatikan auf einer Bischofssynode getroffen. Da saß er auf Armeslänge genau vor Mutter Teresa und hat später gesagt, er bewunderte die Kraft, die Entschiedenheit und die Furchtlosigkeit ihrer Wortmeldungen. Sie sind fast wie Zwillinge der katholischen Kirche: Papst Franziskus und Mutter Teresa.

domradio.de: In Deutschland gab es in einigen Medien auch Kritik an Mutter Teresa und den Krankenhäusern, die sie aufgebaut hat. Hat sich das auch irgendwie bis nach Rom weiter getragen?

Sailer: Eine Heiligsprechung ist ein riesengroßes katholisches Fest für die Weltkirche. Das gilt gerade für die Heiligsprechung von Mutter Teresa. Kritische Töne kamen da nur als Anfragen von außen. In Rom steht auch nach dem jahrelangen Heiligsprechungsprozess fest, dass Mutter Teresa auch nur ein Mensch war. Alle Heiligen sind schließlich auch Menschen gewesen. Aber sie war eben auch eine ganz große Heilige, die den Blick auf Jesus in dem freigab, was sie tat. Kritik wird da geradezu als Beweis für die Heiligkeit empfunden. Denn was heilig ist, reizt immer auch zum Widerspruch, weil es ja den zeitgenössischen Vorstellungen der säkularen Welt entgegensteht.

Mutter Teresa war teilweise sehr radikal in dem, was und wie sie es getan hat. Auch wie sie die Gebote von Jesus gelebt hat. Wenn wir uns zurückerinnern an die Zeit vor einigen Jahren, als ihre Briefe veröffentlicht worden sind, dann ist es ja bemerkenswert, wie diese Veröffentlichung aufgenommen worden ist. In diesen Briefen stand, dass sie jahrzehntelang unter einer Dunkelheit der Seele litt - also einer Abwesenheit Gottes. Von kritischer Seite wurde sofort gesagt, sie sei ja gar nicht so heilig, wie man immer tue. Das sei alles Scheinheiligkeit bei Mutter Teresa gewesen. Aber in Wirklichkeit ist es aus kirchlicher und christlicher Sicht ja geradezu der Beweis ihrer Heiligkeit, dass sie eine so große Prüfung überhaupt bestanden hat.

domradio.de: Heute ist ja auch der Todestag von Mutter Teresa. Heute Morgen gab es noch einen Dankgottesdienst für die gestrige Heiligsprechung. Was fand da heute in Rom statt?

Sailer: Das war ein Dankgottesdienst, den die Nummer Zwei im Vatikan und der wichtigste Mitarbeiter von Papst Franziskus, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, zelebriert hat. Der Gottesdienst war auch dazu gedacht, zu zeigen, wie wichtig die Heiligsprechung gewesen ist. Wieder haben Zehntausende Menschen mitgefeiert. Nach wichtigen Heiligsprechungen findet oftmals entweder noch eine Papstaudienz oder ein Gottesdienst statt. Nun gab es so etwas Ähnliches wie eine Audienz bereits am Samstag. Deshalb wäre noch eine Audienz zu viel gewesen. Deshalb schien dem Papst so ein Gottesdienst die richtige Geste zu sein.

domradio.de: Mutter Teresa ist für viele Menschen ohnehin schon eine Heilige gewesen. Ändert diese tatsächliche Heiligsprechung nun etwas an ihrer Strahlkraft oder ihrer Verehrung?

Sailer: Mein Eindruck ist, dass sich viele gewundert haben, warum diese Heiligsprechung erst jetzt stattgefunden hat. Alle dachten, Mutter Teresa sei bereits schon längst heiliggesprochen. Das Volk, weit über die christlichen Gemeinden hinaus, hat sie ja schon immer als Heilige verehrt. Das ist ja auch eine Grundvoraussetzung für die Heiligsprechung durch die Kirche. Insofern meine ich, dass die Heiligsprechung von Mutter Teresa im Vatikan ihrer Aura kaum noch etwas hinzufügen kann. Sie ist schon längst heilig gewesen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Gudrun Sailer / © privat
Gudrun Sailer / © privat
Quelle:
DR