Langjähriger Weggefährte erinnert sich an erste Begegnung mit Mutter Teresa

Wie eine liebende Mutter

Leo Maasburg ist skeptisch vor seinem ersten Treffen mit Mutter Teresa: "Das ist so jemand, der von allen angehimmelt wird", denkt er. Seine Meinung soll sich schnell ändern. Am Sonntag wird Mutter Teresa heiliggesprochen.

Msgr. Maasburg mit Mutter Teresa am Flughafen / © NN (Missio.at)
Msgr. Maasburg mit Mutter Teresa am Flughafen / © NN ( Missio.at )

domradio.de: Was hat Mutter Teresa damit gemeint, als sie sagte "Ich bin nur ein kleiner Bleistift in der Hand Gottes"?

Monsignore Leo Maasburg (Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich und langjähriger Weggefährte von Mutter Teresa): Sie hat damit ein großes Anliegen ausgedrückt. Das Anliegen, das ihr ganzes Leben beschäftigt hat, war die Sehnsucht Gottes nach seinen Geschöpfen zu stillen. Das klingt etwas theologisch oder kompliziert, ist aber sehr einfach: Gott ist aus uns unerfindlichen Gründen verliebt in die Menschheit, die er geschaffen hat. Das war Mutter Teresas intensivstes Erlebnis in ihrem Leben: den Durst Jesu zu erfahren, das letzte Wort Jesu am Kreuz war "mich dürstet" und sie wollte diesen Durst stillen. Das hat sie immer wieder gesagt und genau das war ihre Aufgabe als Pencil (Bleistift) Gottes. Sie hat gesagt, wenn wir den Durst Jesu nach Liebe und nach Seelen stillen, dann werden wir Boten Gottes, dann sind wir Gottes gute Nachricht für die Welt. Sie hat in jeden Ärmsten der Armen Jesus präsent gesehen.

domradio.de: Sie waren langjähriger Weggefährte als Mutter Teresas geistlicher Begleiter, als Übersetzer, als ihr Fahrer. Wie kam es eigentlich dazu?

Msgr. Maasburg: Es kam ganz zufällig dazu, weil sie einen Übersetzer gebraucht hat, um mit einem Bischof sprechen zu können. Und der war zufällig ich. Gleich nach der Übersetzung hat sie mich gefragt, ob ich ein Auto habe und ich habe "Ja" gesagt. Und schon hatte ich meinen ersten Job. Sie war da sehr konkret: Kannst Du drei Schwestern auf den Flughafen bringen? Und am nächsten Tag musste ich sie in den Vatikan führen.

domradio.de: Sie war recht resolut, wenn sie etwas wollte, dann hat sie versucht das durchzusetzen. Es gibt in Ihrem Buch eine nette Anekdote, da schreiben sie, wie Mutter Teresa Sie charmant und gleichzeitig sehr hartnäckig an den Schweizer Gardisten und dem Sicherheitspersonal vorbeibugsiert. Ende der Geschichte: Sie sitzen mit beim Papst, obwohl es gar nicht erlaubt war. Setzte sie sich über Konventionen hinweg, wenn es ihr nicht sinnvoll erschien?

Msgr. Maasburg: Besonders wenn sie gemeint hat, es ist liebevoll, es zu tun. Dort hat sie keinen Grund gesehen, warum ich nicht zum Papst kommen soll. Als Monsignore Dziwisz, der damalige Sekretär von Johannes Paul II. sie begrüßte, sagte sie "Monsignore, aber Vater Leon wird mit dem Papst konzelebrieren!" also nicht "bitte könnte er oder dürfte er, sondern er wird mit dem Papst konzelebrieren". Wir sind nämlich zur Morgenmesse hingegangen.

domradio.de: Also der Papst hatte gar nicht viel zu melden?

Msgr. Maasburg: Er hatte da nicht viel zu entscheiden (lacht). Msgr. Tsiviv hat damals nur gelacht, weil er sie sicherlich kannte. Sie ist ja nicht zufällig "benevolent dictator" genannt worden, ein wohlwollender Diktator.

domradio.de: Sie schreiben trotzdem an anderer Stelle, dass sie eine sehr gehorsame Person als Ordensfrau gewesen sei. Wie passt denn das zusammen?

Msgr. Maasburg: Sie hat sehr genau zu unterscheiden gewusst, wo sie jemanden Gehorsam schuldig war und wo sie selbst die Autorität war. Sie war Generaloberin ihres Ordens und dieser Orden ist nach "ihrer Pfeife getanzt". Hingegen war sie Mitglied der katholischen Kirche und hat im vollen Umfang das Lehramt der katholischen Kirche respektiert.

domradio.de: Das erste Kapitel ihres Buches ist überschrieben mit dem Titel "Liebe auf den zweiten Blick". Was bedeutet das? Waren Sie kritisch bei der ersten Begegnung?

Msgr. Maasburg: Ich war sehr skeptisch, daran kann ich mich gut erinnern. Ich habe damals in Rom studiert und Rom war einfach der "Markplatz der Heiligen", in Rom gab´s Visionäre, Propheten und alle möglichen Heiligen. Wir haben als Theologen ein wenig darüber gelächelt. Mutter Teresa war für mich eben auch eine von den vielen Heiligen. Ich habe sie nur von der Ferne gesehen, da habe ich mir gedacht, das ist jetzt auch so jemand, der von allen angehimmelt wird und ich habe eigentlich nichts Besonderes an ihr gesehen. Als ich ihr zum ersten Mal persönlich begegnet bin, da ist etwas ganz Neues entstanden. Sie war eine ganz normale Frau, sie hat mich sehr an meine Großmutter erinnert, mit Runzeln im Gesicht, aber zum Beispiel mit ganz weichen und liebevollen Händen. Jeder, der ihr begegnet ist, ist nicht unbeeindruckt geblieben. Über 50 Prozent der Leute, die aus ihrem Zimmer gekommen sind, haben geweint. Nicht Tränen der Verzweiflung, sondern eher der Erleichterung. Mutter Teresa hat jeden Menschen bedingungslos angenommen, genau so wie er war. Wie eben bei einer liebenden Mutter. Das heißt nicht, dass man nicht manchmal eine Zurechtweisung bekommt, aber trotzdem war es nie verletzend, es war nie kränkend, es war nichts weiches, sondern es war eine klare Führung, aber zum eigenen Guten hin. Man hat gewusst, wenn man sich ihr anvertraut, dann führt sie einen einen Schritt weiter.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.

Hinweis: Monsignore Leo Maasburg ist heute Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke missio in Österreich und Autor des Buches: Mutter Teresa. Die wunderbaren Geschichten, erschienen im Knaur-Verlag.


Father Leo interviewt Mutter Teresa / © NN (Missio.at)
Father Leo interviewt Mutter Teresa / © NN ( Missio.at )
Quelle:
DR