domradio.de-Reporter für einen Monat im Vatikan - Ein Tagebuch

Franziskus als Nachbar

Es war eine bewegte Woche im Vatikan. Der Höhepunkt: die Veröffentlichung des Papstschreibens "Amoris Laetitia". Mittendrin im vatikanischen Geschehen ist momentan domradio.de-Reporter Renardo Schlegelmilch und schreibt Tagebuch.

Papst Franziskus winkt / © Ettore Ferrari (dpa)
Papst Franziskus winkt / © Ettore Ferrari ( dpa )

Morgens brauche ich keinen Wecker, denn ich wache entweder von den Glocken des Petersdoms (täglich ab 7 Uhr) oder von den Gebeten und Gesängen der Pilger auf. Das ist immer mittwochs und sonntags der Fall. Ich wohne im Deutschen Haus im Vatikan, von meinem Zimmer aus schaue ich genau auf den Petersplatz.

Einen Monat lang lebe und arbeite ich in Rom. Als Reporter für domradio.de und als Praktikant bei Radio Vatikan. Das Radio ist eine der Einrichtungen, die nicht im Vatikan liegt, sondern auf dem italienischen Staatsgebiet.

Stimmgewirr bei Radio Vatikan

Auf vier Etagen im altehrwürdigen Sendegebäude spielt sich ein fast babylonisches Stimmengewirr ab. Radio Vatikan sendet in 47 Sprachen. Von Albanisch über Deutsch und Latein bis Vietnamesisch. Dementsprechend multikulturell ist auch die Zusammensetzung der Mitarbeiter. Der Pförtner wird aber natürlich, höflicherweise, trotzdem von allen auf Italienisch begrüßt. Das deutsche Programm wird in drei Büros auf der dritten Etage produziert. Radio Vatikan produziert heute nicht mehr nur reines Radioprogramm, sondern auch Auftritte auf Facebook und Twitter, auf denen über die Aktivitäten von Papst und Weltkirche informiert wird.

Das Funkhaus steht direkt gegenüber der Engelsburg, am Beginn der Via della Conciliazione. Dementsprechend muss ich bei meinem Weg zur Arbeit einfach vom Vatikan aus über den Petersplatz und diese Prunkstraße entlang. Am Mittwoch, dem Tag der wöchentlichen Generalaudienz, ist das kein leichter Weg. Zwischen mir und meinem Arbeitsplatz liegen noch mehrere zehntausend Pilger, die einmal im Leben Papst Franziskus von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen wollen.

Vigil mit dem Papst

Diese Ehre hatte ich am vergangenen Samstag. Der Papst feierte am Abend auf dem Petersplatz eine Vigil zum Jahr der Barmherzigkeit, also quasi unter meinem Schlafzimmerfenster. Das macht dann auch den Weg zum Gottesdienst etwas einfacher. Sobald die Gesänge vorm Fenster so laut werden, dass man sich nicht mehr konzentrieren kann, huscht man einfach schnell durch die Tür, an Schweizer Gardisten vorbei, und schon steht man mit 20.000 anderen Pilgern dem Papst gegenüber.

Salute von der Schweizer Garde

An diesen Ausnahmezustand scheint sich die italienische Hauptstadt schon lange gewöhnt zu haben. An Audienztagen stehen immer neue Zäune und Absperrgitter zwischen mir und meinem Arbeitsplatz. Ich muss den Polizisten und Ordnern dann immer mit meinen paar Fetzen Italienisch klar machen, dass ich kein Pilger bin, der sich vordrängeln will, sondern nur durch die Masse muss, um zur Arbeit zu kommen ("No pellegrino. Radio Vaticana!"). Für das Privileg, zum Feierabend wiederum von der Schweizer Garde salutiert zu werden, nehme ich das aber gerne in Kauf.

Die kommende Woche wird sich im Vatikan eher ruhig gestalten, neben der Generalaudienz am Mittwoch steht noch nicht viel auf dem päpstlichen Terminkalender. Die große Aufregung kommt dann erst kommenden Samstag (16. April), wenn Franziskus kurzfristig ein Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos besuchen wird.

In der Zwischenzeit versuche ich auf alle Fälle nah dran zu bleiben...

Renardo Schlegelmilch, 

domradio.de-Reporter in Rom


Quelle:
DR