Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen über das vergangene und das nächste Jahr

Alles in einem langen Fluss

Familiensynode, das Heilige Jahr, Flüchtlinge. Wir schauen mit domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen in das Jahr 2015 zurück und wagen einen Blick in 2016.

Die Heilige Pforte am Kölner Dom (Erzbistum Köln)

domradio.de: Wenn wir zurückblicken auf das Jahr 2015: Die Familiensynode in Rom hat zum Beispiel eine große Rolle gespielt in der katholischen Kirche, du warst selber vor Ort  – Wie wirst du dieses 2015 in Erinnerung behalten? 

Ingo Brüggenjürgen: Als sehr bewegtes Jahr, als ein Jahr in dem Franziskus voll auf seiner Spur war und versucht hat alle mitzunehmen. Man weiß immer nicht, ob er mit dem Tempo nicht ein bisschen zu weit vorne ist. Er überrascht uns immer wieder. Bei der Familiensynode habe ich noch mal ganz neu Weltkirche erleben dürfen, fantastisch, wenn man merkt, aus wie vielen Erdteilen und Kontinenten Bischöfe zusammen kommen. Und wie unterschiedlich dann auch die Positionen sind und wie schwierig es ist solche schwierigen Fragen - gerade im Bereich der Familie, was ja viel mit Emotionen behaftet ist, da Lösungen zu finden. Trotzdem glaube ich, dass es hier eine Weltgemeinschaft von Christen gibt, die unterwegs ist und mit Franziskus genau den Richtigen hat, der die ganze Herde anführt.

domradio.de:Die Erwartungen waren groß vor der Familiensynode. Mit den Ergebnissen sind einige zufrieden, einige weniger. Wie würdest du das einschätzen, haben wir Ende 2015 eine andere katholische Kirche als Anfang 2015? 

Brüggenjürgen: Ja, das glaube ich. Kirche ist ja immer auf dem Weg. Es wäre ja schlimm, wenn alles stehen bleiben würde. Nein ich glaube, Franziskus ist auch ein treibender Motor.  Es gibt viele Signale, Impulse und Kraft für die Christen, die sich überall an den Rändern draußen engagieren - Stichwort Flüchtlingsarbeit etc… Ja bei der Familiensynode muss man sagen, vor allem auch hier im Westen, war das sehr polarisierend. Nach dem Motto: Konservative Bischöfe kämpfen gegen die fortschrittlichen Bischöfe. Das muss man ad acta legen. Klar, es gibt immer wieder das Ringen um die Wahrheit, das war schon bei den Aposteln so. Aber ich glaube, gerade was die deutschsprachige Arbeitsgruppe bei der Synode vorgelegt hat, hat bleibenden Wert. Ich denke an das Schuldbekenntnis. Ich denke aber auch an den Weg, den man zusammen aufgezeichnet hat, um Wiederverheirateten wieder den Zugang zu den Sakramenten zu ermöglichen.

domradio.de: Blicken wir hier zu uns nach Deutschland. DAS große Thema 2015 war die Flüchtlingsfrage. Über eine Million Menschen sind zu uns gekommen. Grade auch im Erzbistum Köln spielt das eine große Rolle unter dem neuen Erzbischof Kardinal Woelki. 

Brüggenjürgen:Ja das spielt überall eine große Rolle. Für mich war total faszinierend, dass Kardinal Woelki eigentlich bevor die Flüchtlingswelle Mega-Thema in den Medien und der Gesellschaft wurde, den Finger bereits in die Wunde gelegt hat. Ich erinnere mich daran, bei seiner ersten Pressekonferenz von ihm, das ist ja jetzt schon eineinhalb Jahre her, wo er genau deutlich gemacht hat, dass diese Problematik der Flüchtlinge auf uns zukommen wird. Ich habe zuletzt noch mal in das Archiv gehört, und diese Töne könnte man heute eins zu eins spielen. Er hat gesagt, dass es dringend notwendig ist, dass wir hier aktiv werden. Wir erinnern uns an die Glockenschläge für die 22 000 Toten im Mittelmeer, wo er eine enorme Aufmerksamkeit bekommen hat. Deshalb glaube ich, dass das Erzbistum gerade in der Flüchtlingsfrage besonders gut aufgestellt ist. 

domradio.de: Gar nicht mal so lange zurück liegt die Eröffnung des Heiligen Jahres durch Papst Franziskus in Rom. Auch hier bei uns am Kölner Dom wurde am gleichen Tag noch die Heilige Pforte eröffnet. Was hat das für dich für eine Bedeutung?

Brüggenjürgen: Also ich sehe das alles in einem langen Fluss. Franziskus weiß wo er hin will. Deshalb war das nur konsequent, dieses Jahr der Barmherzigkeit auszurufen. Er hat ja wieder einige überrascht. Aber gerade dieser Moment  der Barmherzigkeit mit den ganz verschiedenen Aspekten ist ein ganz zentraler Moment und wird ein zentraler Punkt in seiner Amtszeit bleiben. Weil seine ganzen Botschaften machen sich immer wieder fest an der Barmherzigkeit Gottes, die wir Menschen geschenkt bekommen. Und wo auch wir aufgefordert sind, sie immer weiter zu schenken. Insofern das mit den offenen Toren überall ist wunderbar. Ich denke nur an die schönen Worte von Papst Franziskus, der gesagt hat: „selbst diejenigen, die in Krankenhäusern oder Gefängnissen sind, und nicht durch die Tore schreiten können.  Wenn sie aber die richtige Einstellungen haben, kann selbst die Starke Tür des Gefängnisses zu einer Tür des Heiles werden“ - starke Botschaft.

domradio.de: Ingo, was wird uns erwarten? Besonders auch hier im Erzbistum Köln?

Brüggenjürgen: Zunächst einmal geht das jetzt schnell los. Wir haben am 10. Januar um 15 Uhr im Dom eine Bischofsweihe. Es wird Rolf Steinhäuser, der langjährige Stadtdechant von Düsseldorf, in das Amt des Weihbischofs eingeführt. Das ist ohne Frage ein Highlight. So oft gibt es den Moment der Bischofsweihe auch nicht hier in Köln. Aber wir erwarten auch das ganze Jahr der Barmherzigkeit hier in Köln, wo immer wieder neu die Christen herausgefordert werden, die Barmherzigkeit in die Gesellschaft hinein zu transportieren, es aber auch selber zu leben.

domradio.de: Einige Bistümer in Deutschland warten im Moment noch auf neue Bischöfe. Limburg ist vakant seit dem Weggang von Tebartz-van Elst, auch der Bischofsstuhl von Dresden-Meißen ist unbesetzt. Du als ‚Insider‘, was denkst du, welches Bistum bekommt kommendes Jahr einen neuen Oberhirten

Brüggenjürgen: Prognosen sind bekanntlich immer schwer. Also ich denke, es liegt jetzt nahe, dass vielleicht jetzt doch genügend Wasser die Lahn hinuntergeflossen ist und dass man in Limburg wieder in Ruhe arbeiten kann und dass der dortige apostolische Administrator Grothe doch den Boden bereitet hat für den zukünftigen Bischof, der dann hoffentlich bald gefunden ist. Das ist sicherlich kein leichtes Pflaster, weil Limburg durch die Vorfälle um den Bischof Tebartz-van Elst über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden ist. Da hoffen wir, dass da ein Neubeginn vielleicht auch im neuen Jahr möglich ist.


Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )
Quelle:
DR