Weihbischof Boom: Wiederentdeckung der Freude am Evangelium

Heiliges Jahr in Deutschland

Nicht nur in Rom wird in der kommenden Woche der Start ins Heilige Jahr der Barmherzigkeit gefeiert. In Deutschland werden am 8. Dezember die Pforten in einigen Bistümern geöffnet. Weihbischof Boom ist der Beauftragte für das Heilige Jahr in Deutschland.

Weihbischof Ulrich Boom / © Harald Oppitz (KNA)
Weihbischof Ulrich Boom / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit, braucht es das gerade in dieser Zeit?

Weihbischof Ulrich Boom (Beauftragter für das Heilige Jahr in Deutschland): Der heilige Vater hat es ja ausgerufen im Zusammenhang mit dem 50-jährigen Jubiläum des zweiten Vatikanums. Wir haben zum Schluss des Vatikanums kein Papier, das in die Welt geschickt wird. Das ist quasi ein Jahr Exerzitien, das uns der Heilige Vater uns ans Herz legt. Und ich denke, es ist noch viel viel mehr. Nämlich wir haben ja in den beiden Dokumenten "Lumen gentium" und "Gaudium et spes", die uns die Barmherzigkeit ans Herz legen und wir nicht so sehr im Blick haben sollten, dass wir das vor uns her tragen, sondern dass wir sie bei uns selbst entdecken, und so auch zu dem werden, was über dem Jahr der Barmherzigkeit steht, nämlich barmherzig wie der Vater zu sein.

domradio.de: Wie definieren Sie Barmherzigkeit?

Boom: In erster Linie heißt das, dass ich ein Herz habe. Und dann ist da die Gewissheit, das kommt nicht aus mir selbst heraus, sondern da ist ein anderer, der gibt mir die Kraft, dass ich leben kann. Ihn berührt, meine Trauer und Angst, meine Freude und Hoffnung die ich mit mir herumschleppe. Nicht nur ein paar Stunden, sondern mein ganzes Leben lang. Da gibt es einen, der größer ist als ich selbst. Dessen Herz schlägt für mein Herz. 

domradio.de: Wie kann die Kirche in dem Jahr Zeichen setzen? 

Boom: Das erste Zeichen fängt bei den Menschen selbst an, dass sozusagen alles was in der Welt ist bei mir wiederhallt. Das ist zum Beispiel jetzt bei den Flüchtlingen so. Wir sollten uns nicht verschließen bei all den Sorgen, die das mit sich bringen kann und Problemen, die das auch hat. Dass wir da keine Angst haben müssen, dass wir z. B. unsere Türen aufmachen. Wir stehen im Moment im Advent. Wir singen in vielen Gemeinden: "Macht hoch die Türen, die Tor macht weit." Da geht es ja darum, dass wir unsere Herzenstüren aufmachen für die Anliegen der Menschen, die Anliegen der Welt. Papst Franziskus hat es ja jetzt auch vorgemacht bei seiner Afrika-Reise. Die erste Tür die er geöffnet hat, ist ja in Afrika gewesen. Afrika ist ja auch Loser der Weltgeschichte im Moment. Es gibt viele Reiche und die am Ärmsten dran sind, sind ja die, die in Afrika leben. 

domradio.de: Viele Bistümer werden neben dem Petersdom Pforten öffnen. Was erhoffen Sie sich vom Zeichen die Pforten zu öffnen?

Boom: Im Blick auf die Welt: Die Kirche ist ein Raum des Glaubens oder des Vertrauens, wo die Menschen  hineinkommen können und für ihren Lebensweg neu Vertrauen schöpfen können. Nicht daraus, dass die Kirche viel erzählt, sondern, dass sie auf Jesus hört, dass sie das Evangelium liest und dieses die Herzen der Zuhörer berührt. Aber auch, dass man aus den Kirchen hinaus geht in die Welt hinaus. Ich spreche ganz gerne davon: "es gibt die Tür nach außen, und die nach innen." Man sollte auch nach außen gehen. Da legen uns die Werke um die Barmherzigkeit nahe, was zu tun ist, Durstige tränken, Hungrigen Essen zu geben und Nackte zu kleiden. Da sind nicht nur Menschen die kein Brot haben, sondern es gibt auch diejenigen, die hungern nach Zuwendungen, oder die Durst haben, weil ihr Leben ausgedürrt scheint. 

domradio.de: Wie können die deutschen Gemeinden das Jahr bewusst gestalten?

Boom: In vielen Gemeinden werden es eine Art Exerzitien sein. Eine wichtige Zeit wird auch die österliche Bußzeit und die Erneuerung des Beicht-Sakramentes sein. Das wichtige ist ja, dass Gott nicht den Daumen auf uns hält, sondern, dass er es ist, der uns aufrichtet. Ich wünsche mir, dass dies in vielen Gemeinden auch passiert mit unseren Seelsorgern. Ein Gebet, das uns der Heilige Vater ans Herz legt, sagt: Die, die das Sakrament spenden, dass sie selber von ihrer Schwachheit wissen und nicht von oben herab auf die Welt zukommen. Das wird das eine sein. Das andere ist, dass wir hoffentlich wieder die Freude am Evangelium finden. Die Mitte des Lukasevangelium ist die Geschichte des verlorenen Sohnes und vom barmherzigen Vater, dass er uns Menschen entgegen kommt mit unserem Versagen und unserer Schuld. Er ist der erste, der den ersten Schritt macht. Das wünsche ich mir von den Gemeinden, dass man das neu spürt, dass Gott der ist, der uns immer wieder entgegen kommt.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR