50 Jahre "Katakombenpakt" für eine dienende Kirche

Die Väter des Franziskus

Er war ein Nebenschauplatz des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und doch betraf er eine Kernbotschaft der Kirche: Der "Katakombenpakt" von rund 40 Bischöfen der Weltkirche wies ihr denselben Weg wie heute Papst Franziskus.                                    

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Eröffnungsgottesdienst beim II. Vatikanischen Konzil 1962 / © Ernst Herb (KNA)
Eröffnungsgottesdienst beim II. Vatikanischen Konzil 1962 / © Ernst Herb ( KNA )

"Wie sehr wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen!" Dieser Ausruf aus den ersten Tagen der Amtszeit von Papst Franziskus hat viele in der Kirche aufgeschreckt. Eine arme Kirche? Bitte nicht! Immer wieder zielt der Papst aus Lateinamerika auf Pomp, Selbstzufriedenheit und Äußerlichkeiten, auf Klerikalismus und auf die Beschäftigung mit sich selbst. All das ist keineswegs neu - es steht in langer Tradition.

Verpflichtung zu einer dienenden und armen Kirche

Wie sehr, das zeigt nicht nur der theologische Armutsstreit des Mittelalters, sondern auch ein genau 50 Jahre altes Dokument: Am 16. November 1965, kurz vor Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), trafen sich rund 40 Bischöfe aus allen Erdteilen in der römischen Domitilla-Katakombe. In ihrem sogenannten "Katakombenpakt" verpflichteten sie sich nach einer gemeinsamen Messfeier auf eine dienende und arme Kirche. Der Pakt griff das Leitwort des verstorbenen Konzilspapstes Johannes XXIII. (1958-1963) von einer "Kirche der Armen" auf.

Ihrer Selbstverpflichtung, nach ihrer Rückkehr vom Konzil ihr Leben und ihren Dienst ändern zu wollen, schlossen sich später noch weitere 500 Bischöfe an. Sie enthält unter anderem das Bemühen, "so zu leben, wie die Menschen um uns her üblicherweise leben, im Hinblick auf Wohnung, Essen, Verkehrsmittel", sowie den Verzicht, "als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein, insbesondere in unserer Amtskleidung (teure Stoffe, auffallende Farben) und in unseren Amtsinsignien".

Ansprache mit Titel abgelehnt

Die Bischöfe kündigten an, die Finanz- und Vermögensverwaltung ihrer Diözesen "in die Hände einer Kommission von Laien zu legen, die sich ihrer apostolischen Sendung bewusst und fachkundig sind, damit wir Hirten und Apostel statt Verwalter sein können".

Zudem lehnten sie es ab, "mit Titeln oder Bezeichnungen angesprochen zu werden, in denen gesellschaftliche Bedeutung oder Macht zum Ausdruck gebracht werden (Eminenz, Exzellenz, Monsignore ...)". Stattdessen wollten sie als "Padre" angesprochen werden: "eine Bezeichnung, die dem Evangelium entspricht". Ausdrücklich verpflichteten sie sich zum "Dienst an den wirtschaftlich Bedrängten, Benachteiligten und Unterentwickelten". Das Schreiben endete mit der Bitte: "Gott helfe uns, unseren Vorsätzen treu zu bleiben."

Helder Camara eine der treibenden Kräfte

Treibende Kräfte dieses Paktes waren Helder Camara (1909-1999), damals frisch ernannter Erzbischof von Olinda und Recife in Brasilien, und Bischof Manuel Larrain von Talca/Chile (1900-1966), zu dieser Zeit Vorsitzender des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM. Zu den Erstunterzeichnern gehörten der spätere Kardinal Aloisio Lorscheider als Bischof von Santo Angelo/Brasilien, Bischof Leonidas Proano von Riobamba/Ecuador, Bolognas Kardinal Giacomo Lercaro und sein Weihbischof Luigi Bettazzi sowie der Essener Weihbischof Julius Angerhausen und Hugo Aufderbeck, Weihbischof für das Bistum Fulda mit Sitz in Erfurt.

Beim Konzil waren die Lateinamerikaner - obwohl sie mehr als ein Fünftel der Teilnehmer und fast die Hälfte der Katholiken weltweit stellten - nicht durch viele Wortmeldungen aufgefallen. Sie beziehungsweise ihre Gläubigen hatten eine ganz andere Perspektive auf die Verheutigung der kirchlichen Botschaft und ganz andere Probleme als die der europäischen Postmoderne: Massenverelendung in Straßen und Dörfern, Menschenrechtsverletzungen, heraufziehende Bürgerkriege und Diktaturen von rechts und links.

"Kleine Bischöfe" Lateinamerikas

Allerdings hatte auch der zweite Konzilspapst, Paul VI. (1963-1978), ein sehr offenes Ohr für den Einsatz von Bischöfen zugunsten einer evangeliumsgemäßen Gestalt der Kirche. Ausdrücklich gab er den Bischöfen Lateinamerikas den Auftrag, das Problem der Unterentwicklung in ihrer Seelsorge anzupacken und deutlich ihre Stimme zu erheben. Ein konkretes Ergebnis waren die sogenannten "Kleinen Bischöfe" Lateinamerikas, die sich explizit an die Seite der Landarbeiter (Campesinos) und gegen die Unterdrücker stellten - statt wie zuvor meist auf die Seite der Mächtigen.

Der "Katakombenpakt" sei auch eine Anfrage an die Kirche in Deutschland, räumt der Weltkirche-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, heute ein. Die reiche Kirche Deutschlands finanziert viel Gutes, auch in der Entwicklungshilfe. Am Ende ist sie aber auch mittelbar ins (Steuer-)System jener Weltwirtschaft eingebunden, die der aktuelle Papst Franziskus als "tödlich" diagnostiziert.


Quelle:
KNA