Prozess gegen Ex-Vatikanbotschafter wegen Missbrauchs

Auch für Bischöfe kein Pardon

Dieser Samstag wird wohl ein historisches Datum im Kampf der Kirche gegen sexuellen Missbrauch werden. Erstmals muss sich ein vormals ranghoher katholischer Würdenträger wegen Missbrauchs vor einem weltlichen Gericht im Vatikan verantworten.

Autor/in:
Thomas Jansen
Jozef Wesolowski, ehemaliger Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, am 4.9.13 (dpa)
Jozef Wesolowski, ehemaliger Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, am 4.9.13 / ( dpa )

Es geht um den früheren Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski (66). Die vatikanische Staatsanwaltschaft wirft dem aus Polen stammenden Ex-Geistlichen sexuellen Missbrauch mehrerer Jungen in dem Karibikstaat und den Besitz von kinderpornografischem Material vor. Wesolowski drohen nach Vatikanangaben vom September 2014 bis zu sieben Jahre Haft.

Als früherer Vatikanbotschafter besitzt Wesolowski die vatikanische Staatsbürgerschaft. Deshalb verzichteten die Dominikanische Republik und sein Heimatland Polen auf einen Auslieferungsantrag. Nach internationalem Recht ist die Justiz des entsendenden Staates für die Ahndung der Straftat eines Botschafters zuständig. Im Gegensatz zu anderen beschuldigten Bischöfen, die sich nur vor einem kirchlichen Gericht im Vatikan zu verantworten hatten, wird Wesolowski deshalb auch vor dem Strafgericht des Vatikanstaates der Prozess gemacht. Der Besitz von kinderpornografischem Material ist seit 2013 ein eigener Straftatbestand in dessen Strafrecht.

Als "Monsignore" wird Wesolowski in dem Prozess vom Richter nicht mehr angeredet. Den Titel eines Erzbischofs, den jeder vatikanische Botschafter trägt, hat er schon nach einem kirchenrechtlichen Verfahren verloren, das die vatikanische Glaubenskongregation gegen ihn führte. Es endete im Juni 2014 mit der Höchststrafe für Kleriker - die Exkommunikation ausgenommen: der Versetzung in den Laienstand, dem Verlust aller priesterlichen Rechte. Angeklagt ist also "Herr Wesolowski". Der wies die Vorwürfe zurück und legte Berufung gegen das kirchenrechtliche Urteil ein. Sein Einspruch wurde jedoch abgelehnt.

Papst: Keine Ausnahmen für Bischöfe

Franziskus hat den Fall Wesolowski von Anfang an zur Chefsache gemacht. Es gebe keine Ausnahmen für Bischöfe, sagte er kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe, die im August 2013 zur Abberufung Wesolowskis aus der Dominikanischen Republik geführt hatten. Auf seine persönliche Anordnung hin wurde der frühere Botschafter im September 2014 unter Hausarrest im Vatikan gestellt. Dieser endete im Dezember des gleichen Jahres - mit Ablauf der zulässigen Höchstdauer. Der Untersuchungshaft entging er nur, weil seine Gesundheit angeschlagen war. Seither kann sich Wesolowski unter Auflagen innerhalb des Vatikan bewegen.

Der Papst informierte sich persönlich über den Stand der Ermittlungen. Den Generalstaatsanwalt aus der Dominikanischen Republik, der mit dem Fall Wesolowski befasst war, empfing er im Dezember 2014 zu einer Privataudienz im Vatikan. Er versicherte ihm nach Vatikanangaben, dass die Wahrheit stets Vorrang haben müsse.

Nach unbestätigten italienischen Medienberichten fanden die Ermittler auf dem Computer des ehemaligen Botschafters 86.000 kinderpornografische Fotos. Auf dem vatikaneigenen Rechner in der Apostolischen Nuntiatur in der Dominikanischen Republik seien zudem 130 Videos von Kindern in erotischen Posen nachgewiesen worden. Wesolowski soll laut den Berichten intensive Kontakte zur Kinderpornografie-Szene gehabt haben.

Prozess mit Signalwirkung

Der Prozess dürfte nach Einschätzung von Beobachtern Signalwirkung haben. Denn Kritiker halten dem Vatikan bis heute vor, Bischöfe aus Rücksicht auf ihr Amt im Kampf gegen Missbrauch nicht zur Rechenschaft zu ziehen.

Der letzte spektakuläre Prozess, der im Gerichtssaal an der Piazza Santa Marta hinter dem Petersdom stattfand, war das Verfahren gegen den Kammerdiener von Benedikt XVI., Paolo Gabriele. Das war im Oktober 2012. Gabriele wurde in der "Vatileaks-Affäre" Diebstahl vertraulicher Akten vom Schreibtisch des Papstes vorgeworfen. Das Verfahren werteten viele Beobachter als Farce. Auch am Samstag dürfen wieder acht Journalisten den Prozess im Gerichtssaal verfolgen. Diesmal dürfte der Vatikan alles dafür tun, dass dieser Eindruck nicht entsteht.


Quelle:
KNA