Prozess gegen Ex-Vatikanbotschafter vertagt

"Gegen die christliche Religion"

Der Prozess gegen den früheren Vatikanbotschafter Jozef Weselowski wegen sexuellen Missbrauchs und Besitz von Kinderpornografie wurde nach wenigen Minuten vertagt. Weselowski erschien nicht im Gerichtssaal.

Jozef Wesolowski, ehemaliger Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, am 4.9.13 (dpa)
Jozef Wesolowski, ehemaliger Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, am 4.9.13 / ( dpa )

Der frühere Nuntius in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski (66), muss sich seit Samstag im Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Besitz von Kinderpornografie "in enormer Menge" vor einem Strafgericht verantworten.

Der Staatsanwalt des Vatikanstaates, Gian Piero Milano, wirft dem polnischen Ex-Geistlichen unter anderem vor, in dem Karibikstaat mehrere Jungen im Alter von 13 bis 16 Jahren sexuell missbraucht zu haben. In mindestens einem Fall soll dies in der Öffentlichkeit geschehen sein. Es ist das erste Mal, dass einem vormals ranghohen kirchlichen Würdenträger vor einem weltlichen Strafgericht des Vatikanstaates wegen dieser Delikte der Prozess gemacht wird.

Wesolowski erschien zum ersten Prozesstag nicht im Gerichtssaal. Er sei am Freitag nach gesundheitlichen Beschwerden kurzfristig in die Intensivstation eines römischen Krankenhauses gebracht worden, teilte der Vatikan mit. Sein Anwalt sagte am Samstag, sein Mandant sei zur Aussage bereit gewesen. Der Prozess wurde nach rund sechs Minuten auf unbestimmte Zeit vertagt. Zum Strafmaß äußerte sich der Staatsanwalt nicht. Im September 2014 hatte der Vatikan mitgeteilt, dem Angeklagten drohten bis zu sieben Jahre Haft.

Vor einem Jahr abberufen

Nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe wurde Wesolowski im August 2013 von seinem Posten als Papst-Botschafter in der Dominikanischen Republik abberufen. Nach einer ersten gerichtlichen Anhörung im Vatikan wurde er im September 2014 auf persönliche Anordnung von Papst Franziskus unter Hausarrest gestellt. Von einer Inhaftierung sah die vatikanische Justiz wegen seines schlechten Gesundheitszustands ab. Im Dezember 2014 wurde Wesolowski nach Ablauf der zulässigen Höchstdauer aus dem Hausarrest entlassen, muss sich seither aber weiter im Vatikan aufhalten.

Als früherer Diplomat des Heiligen Stuhls ist Wesolowski vatikanischer Staatsbürger. Daher muss er sich auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit des Vatikanstaats verantworten. Nach einem kirchenrechtlichen Prozess hatte der Vatikan ihn bereits im Juni 2014 in den Laienstand versetzt, also aller priesterlichen Rechte und Pflichten enthoben.

Der vatikanische Staatsanwalt verlas am Samstag eine Anklageschrift mit fünf Punkten. Neben sexuellem Missbrauch und Besitz von Kinderpornografie beschuldigt er Wesolowski, für "schwere psychologische Schäden" seiner Opfer verantwortlich zu sein. Weiter wirft er dem Angeklagten vor, mit seinem Verhalten "die Prinzipien der christlichen Religion und Moral" verletzt zu haben. Ein eigener Anklagepunkt, der sich auf kinderpornografisches Material bezieht, das auf zwei Computern in der Dominikanischen Republik gefunden wurde, ist der Kauf von "Sachen, die einem Verbrechen entstammen". Rechtliche Grundlage des Verfahrens ist das Strafrecht des Vatikanstaates. Seit 2013 ist der Besitz von Kinderpornografie darin ein eigener Straftatbestand.


Quelle:
KNA