Vatikan stellt Erzbischof wegen Missbrauchsvorwurf unter Hausarrest

"Null Toleranz"

Der Vatikan hat einen ehemaligen Erzbischof unter Hausarrest gestellt. Der frühere Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, Josef Wesolowski, soll in der Karibik mehrere Jungen sexuell missbraucht haben.

Autor/in:
Thomas Jansen
Jozef Wesolowski (dpa)
Jozef Wesolowski / ( dpa )

Die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen - diesen Vorwurf bekam auch der Vatikan nicht selten zu hören, wenn es um die Ahndung sexuellen Missbrauchs ging: Einfachen Priestern lege man das Handwerk, Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle hingegen blieben unbehelligt, meinte zuletzt auch das UN-Kinderschutzkomitee. Nun hat der vatikanische Staatsanwalt den früheren Botschafter des Heiligen Stuhls in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski (66), unter Hausarrest gestellt. Es ist das erste Mal, dass der Vatikan derart streng gegen einen Erzbischof und vatikanischen Staatsbürger vorgeht. Dem polnischen Geistlichen wird vorgeworfen, Minderjährige für sexuelle Handlungen bezahlt zu haben.

Der Hausarrest für Wesolowski ist das spektakulärste Beispiel für die "Null-Toleranz"-Politik im Kampf gegen sexuellen Missbrauch, die Franziskus von seinem Vorgänger Benedikt XVI. übernahm. Mit dieser Maßnahme habe der vatikanische Staatsanwalt den "ausdrücklichen Willen" des Papstes befolgt, heißt es in der Pressemitteilung des Heiligen Stuhls vom Dienstagabend. Franziskus wünsche, dass ein "derart schwerwiegender und delikater Fall ohne Verzögerungen und mit der rechten und notwendigen Strenge" behandelt werde. Ob der sich direkt in das Verfahren eingeschaltet hat, blieb unklar.

Keine Auslieferung

Wesolowski wird vorgeworfen, in der Dominikanischen Republik zwischen 2008 und 2013 Jungen sexuell missbraucht zu haben. Im Sommer 2013 berichtete darüber erstmals ein privater Fernsehsender der Dominikanischen Republik über die Anschuldigungen. Demnach soll Wesolowski unter anderem an einem Strand Minderjährige für sexuelle Handlungen bezahlt haben.

Groß war die Aufregung, als der Vatikan den Botschafter im August 2013 nach Rom beorderte und unter Berufung auf seine Immunität nicht an die Dominikanische Republik und an Polen ausliefern wollte. Die Kirchenleitung sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie wolle Wesolowski einer Strafe entziehen. Der Vatikan versicherte hingegen, dass Wesolowski von der eigenen Justiz der Prozess gemacht werde. Es gebe im Kampf gegen sexuellen Missbrauch für niemanden Privilegien, sagte der Papst Ende Mai. Im Juli traf er im Gästehaus Santa Marta erstmals mit sechs Missbrauchsopfern zusammen. Zuvor hatte er im Januar eine Kinderschutzkommission eingerichtet.

Der Fall Wesolowski ist ohne Vorbild. Beim Wiener Kardinal Hans Hermann Groer (1919-2003) etwa, dem ebenfalls sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde, verzichtete der Vatikan in den 1990er Jahren auf rechtliche Schritte - gegen den Willen des damaligen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger. Der belgische Bischof Roger Vangheluwe, der 2010 wegen sexuellen Missbrauchs seines Neffen zurücktrat, konnte vom Vatikan nicht mehr juristisch belangt werden, weil das Vergehen zu diesem Zeitpunkt nach dem Kirchenrecht schon verjährt war.

Entlassung aus dem Priesterstand

Der Untersuchungshaft entging Wesolowski offenbar nur, weil sein angeschlagener Gesundheitszustand dies nicht zulässt. Nach vatikanischen Angaben befindet sich der Beschuldigte in "Räumlichkeiten innerhalb des Vatikanstaats". Italienische Medien berichten, er werde im vatikanischen Gerichtsgebäude festgehalten.

Verurteilt wurde Wesolowski bislang freilich erst in einem kirchenrechtlichen Prozess der vatikanischen Glaubenskongregation. Weil er als kirchlicher Diplomat vatikanischer Staatsbürger ist, muss er sich auch vor der weltlichen Gerichtsbarkeit des Vatikanstaats verantworten. Das kirchenrechtliche Verfahren endete im Juni mit der Höchststrafe - die Exkommunikation ausgenommen: der Entlassung aus dem Priesterstand. Der Prozess war aufgrund einer offenbar erdrückenden Beweislast verkürzt worden. Wesolowski legte jedoch Berufung gegen die Entscheidung in erster Instanz ein.

Wie viele Wesolowskis gibt es noch in der katholischen Kirche, fragen manche Beobachter. Franziskus sprach Ende Mai von drei Bischöfen gegen die Ermittlungen eingeleitet worden seien und von einem weiteren schon verurteilten, für den nur noch das Strafmaß festgelegt werden müsse.


Quelle:
KNA