Publizist Kissler: Päpste sollten nicht über ihre Vorgänger zu Gericht sitzen

Wenn Päpste Päpste heiligsprechen

Im Grunde findet der Publizist und Katholik Alexander Kissler Heiligsprechungen gut. Sie zeigten, "dass der Himmel auch heute noch offen steht ". Ihn stört aber ein Automatismus bei der Heiligsprechung von Päpsten.

Trubel rund um Heiligsprechung (dpa)
Trubel rund um Heiligsprechung / ( dpa )

domradio.de:  Die Überschrift ihres Artikels in der aktuellen Cicero-Ausgabe lautet: "Päpste sollten nicht heilig gesprochen werden" - Warum nicht?

Alexander Kissler (Ressortleiter beim Magazin "Cicero"): Ich möchte vielleicht vorausschicken, dass ich jetzt nicht in den Chor derer einfallen möchte, die generell Heiligsprechungen kritisieren. Es ist das ureigenste Recht der Päpste, Menschen heilig zu sprechen. Franziskus macht dies nun auch. Er steht also hinter diesen Heiligsprechungen. Es ist ein wichtiger Selbstvollzug der Kirche, und er soll ja letzten Endes zeigen, dass der Himmel auch heute noch offen steht, dass es auch heute noch Menschen gibt, die heiligmäßig leben und wandeln. Das finde ich auch gut. Und solche plumpen Kritiken im Sinne von ‚man müsse das nun auch demokratisieren‘ oder ‚das sei nicht mehr zeitgemäß‘, das halte ich für Humbug. Was mir aber eher in diesem Fall kritisch aufstößt, ist die Tatsache, dass Päpste Päpste heilig sprechen, weil man da in eine schwierige Debattenlage hineinkommt. Je mehr Päpste man heilig spricht, umso mehr schaut man auf die, die nicht heilig gesprochen worden sind. Und man fragt sich dann: Mein Gott, was haben die denn falsch gemacht? Also Benedikt XV. etwa oder Leo XIII., große Päpste, die vermutlich nie heilig gesprochen werden. Und je mehr von ihren Nachfolgern nun in diesen Rang gehoben werden, desto mehr hat man ja den Eindruck, das gehört gewissermaßen zum Job dazu. Und deswegen finde ich, man sollte Päpste eben nicht heilig sprechen.

domradio.de: Es gibt nun auch Spekulationen über die Seligsprechung von Papst Paul VI.. Also es gibt schon welche, die da noch nachrücken.

Kissler: Ja, es gibt welche, die nachrücken. Aber es darf natürlich kein Automatismus sein. Ich habe ja geschrieben: Der heroische Tugendgrad, den man hier in Anschlag bringt, der gehört gewissermaßen zur Arbeitsplatzbeschreibung des Papstes. Er muss den Verlockungen der Zeit standhalten, den Einflüsterungen des Weltgeistes, den Ansprüchen verschiedener politischer Kreise. Er muss also heroisch sein in dem Sinne, dass er bereit sein muss zu bekennen, auch das, was die Welt nicht hören will. Und da nun innerhalb der Päpste eine Rangfolge herzustellen, wer nun am heroischsten diese Tugend gezeigt hat, das halte ich für falsch. Und je mehr man nun dazu hineinruft in diesen Rang, desto mehr werden dennoch natürlich draußen bleiben und umso mehr kommt man in Beweisnöte.

domradio.de: Im Zweiten Vatikanischen Konzil ist festgesetzt: Wir alle sollen nach Heiligkeit streben. Jetzt kann man natürlich auch sagen: Je mehr Vorbilder wir dafür haben, desto besser ist das.

Kissler: Das ist richtig. Es ist ein Vorbild und es zeigt eben, dass Heiligkeit auch heute möglich ist. Nur auf Grund dieser Strukturidentität, dass das selbe Amt eben, das jemand ausgeübt hat, das Papsttum, nun vom selben Amt, vom Papst, heilig gesprochen wird, auf Grund dieser problematischen Strukturidentität haben solche Heiligsprechungen immer ein Geschmäckle. Man richtet über seinen Vorgänger. Es ist ja die völlige autonome Entscheidung des Papstes, wen er heilig spricht. Wenn Franziskus also der Meinung gewesen wäre, ich möchte dieses Verfahren nicht zu Ende führen oder ich stehe nicht zu diesem Ruf der Heiligkeit von Johannes XXIII., Johannes Paul II, hätte er es nicht getan. Dadurch allerdings, dass er es machen kann, wird es gewissermaßen zur persönlichen Willensentscheidung. Und ich glaube, dass Päpste nicht über ihre Vorgänger zu Gericht sitzen sollten.

domradio.de: Jetzt sagt der Religionssoziologe Michael N. Ebertz, Papst Franziskus sei da nur auf einen „Zug aufgesprungen", was die Heiligsprechung angeht. Er wollte es selber eigentlich gar nicht.

Kissler: Das ist natürlich unfassbar dummes Zeug! Als würde der Herr Ebertz nun im Hirn des amtierenden Papstes sitzen und wissen, was er will und eigentlich nicht will. Nein, man muss die Menschen an ihren Taten messen. Franziskus spricht ihn heilig. Also müssen wir komplett davon ausgehen, dass er auch zu dieser Doppelheiligsprechung steht. Alles andere wäre ja ihm entweder Feigheit oder Schizophrenie zu unterstellen. Nein, davon halte ich nichts.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR