Papst Franziskus hat zwei von drei Ehrentiteln abgeschafft

"Es gab eine Tendenz zum Karrierismus"

Die Titel "Apostolischer Protonotar" und "Ehrenprälat seiner Heiligkeit" gibt es nicht mehr. Vatikanexperte Ulrich Nersinger erklärt im domradio.de-Interview, worum es bei diesen Ehrentiteln geht und warum der Papst sie abgeschafft hat.

Zu viele Ämter und Titel? (epd)
Zu viele Ämter und Titel? / ( epd )

domradio.de: Zuerst einmal konkret zu den Titeln, was genau sind das für Titel "Apostolischer Protonotar" und "Ehrenprälat seiner Heiligkeit"?

Nersinger: Ja, wir können eigentlich sagen, schon im ersten christlichen Jahrtausend hat sich in Rom herauskristallisiert, dass es sinnvoll ist, verdiente Geistliche sowohl in Rom als auch auf dem ganzen Erdkreis mit bestimmten Ämtern, Ehrenämtern und Titeln auszuzeichnen. Der Papst hat schon früh gesehen, dass er mit solchen Auszeichnungen und Titeln verdiente Geistliche, aber auch Laien, seine Wertschätzung darbringen kann. Aber auch mit der Intention immer, dass man mit solchen Ernennungen bestimmte Personen noch enger an Rom, also an den Apostolischen Stuhl, bindet.

domradio.de: Nun gibt es ja diese Ämter bald nicht mehr. Was hat das für Folgen für die Kirche nach innen?

Nersinger: Er schafft nicht alles ab. Denn man muss etwas unterscheiden. Wir sprechen ja von diesen drei Klassen und er schafft zum Beispiel nicht das Amt des Apostolischen Protonotars ab. Es gibt in Rom ein Kollegium von sieben Prälaten, die diesen Titel führen. Das sind aber die so genannten "wirklichen" Apostolischen Protonotare, das sind Geistliche, die die ganz bedeutsamen Dokumente des Papstes und der Kirche mit ihrer Unterschrift beurkunden. Die bleiben weiterhin bestehen und die haben auch weiterhin alle Rechte, die sie bisher hatten. Die Ehrenprälaten werden auch jetzt nicht ganz verschwinden, denn alle Titel, die jetzt abgeschafft werden, werden natürlich von den Leuten, die sie bisher getragen haben, weiter benutzt werden können. Es wird einzig und allein nur noch der "Kaplan Seiner Heiligkeit" bleiben. Und bei diesem Titel wird es so sein, dass er nur noch an verdiente Geistliche, die das 65. Lebensjahr überschritten haben, verliehen wird.

domradio.de: Wie nehmen denn die Geistlichen diese Entscheidung von Franziskus auf?

Nersinger: Ich habe schon in den letzten Tagen ein sehr, sehr starkes Grummeln bemerkt. Also, es ist doch für einige Geistliche, sowohl Leute, die den Titel haben oder auch die, die sich ihn erhofft haben, eine Enttäuschung da, ein gewisser Frust da. Und ich glaube, das wird noch eine enorme Auswirkung haben. Denn das wird das Pontifikat des jetzigen Heiligen Vaters nicht leichter machen, wenn Titel, auf die man doch mehr oder weniger glaubte, einen Anspruch zu haben, nun verschwinden. Sie werden nicht ganz verschwinden, auch im Vatikan wird es weiter diese Titel geben und bestimmte Würdenträger werden sie bekommen. Aber so wie es bisher gehandhabt wurde, diese Zeit ist vorbei. Und das war eigentlich auch zu erwarten, denn wir haben in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass die Zahl der Ernennungen immer mehr anstieg, dass es fast zu einer inflationären Tendenz kam.

domradio.de: Was ist denn die Intention dahinter, die Franziskus hatte?

Nersinger: Ich glaube, der Heilige Vater hat gesehen, dass bei diesen Titeln etwas eingetreten ist - wie ich schon sagte, zunächst einmal eine inflationäre Tendenz - und dann natürlich auch ein Automatismus. Man hat sowohl in den Diözesen, als auch an der Kurie gedacht, dass bestimmte Ämter oder dass eine bestimmte Arbeitszeit, die man verbracht hat, also, wenn man in Rom vier oder fünf Jahre in einer Kongregation gearbeitet hat, war man doch so ziemlich sicher, einen dieser Titel zu bekommen. Und ich glaube, gegen diesen Automatismus wollte der Papst einschreiten, aber er hat wahrscheinlich auch gesehen, dass dieser Titel - so ehrenvoll er ist, und ich halte ihn auch weiterhin für sinnvoll - dass er doch auch einen gewissen Missbrauch die Tür öffnete, dass viele Leute darin eigentlich nur rein Äußerliches sahen. Denn eigentlich ist ja auch die Intention der Verleihung eines solchen Titels, außer dem Gedanken, dass man hier jemanden seine Wertschätzung zeigt, dass es auch ein Ansporn ist, weiter gut zu arbeiten für die Kirche, auch selbstlos zu arbeiten. Und das ist, glaube ich, von vielen Geistlichen auch falsch verstanden worden. Man hat also das auch so ein bisschen als Karrierismus-Gedanken für sich verinnerlicht. und das hat dann diese eigentlich altehrwürdige Tradition ein wenig in Verruf gebracht.

domradio.de: Inwiefern kann diese Entscheidung von Papst Franziskus dem Papst selbst das Leben schwer machen im Vatikan?

Nersinger: Ich glaube schon, dass der Frust und die Enttäuschung darüber sehr groß sein kann und dass man das vielleicht nicht unbedingt groß in der Öffentlichkeit sagt, aber dass sich das unter Umständen auch in der Arbeit widerspiegeln kann. Dass man dann vielleicht nicht so engagiert wie man eigentlich sein sollte weiterhin seinen Dienst versieht und vielleich auch manchmal - damit muss man rechnen, das liegt in der Natur des Menschen, dass man dann auch manche Entscheidungen, sowohl jetzige als auch künftige Entscheidungen, des Papstes nicht so ganz mitträgt. Und das kann natürlich dann auch den Betrieb, wenn ich das so salopp formulieren kann, in Rom ein wenig behindern.

domradio.de: Kann denn ein neuer Papst denn diese Regel einfach wieder verändern, auch die Ehrentitel wieder einführen?

Nersinger: Ja, der Papst ist in diesem Bereich der Herr der gesamten Materie und ein neuer Papst könnte sich zu einer ganz anderen Defintion dieser Ehrentitel entscheiden. Er könnte sie ganz aufheben, er könnte sie aber auch wieder einsetzen, er könnte modifizieren, er könnte bestimmte neue Regelungen einsetzen - da ist der Papst völlig frei.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.

 


Quelle:
DR