Mit Johannes XXIII. starb der Konzilsvater

Trauer um den Papst - Sorge um sein Werk

Was wird aus dem Konzil, wenn der Papst stirbt? Diese Frage stellten sich im Frühjahr 1963 nicht nur Kirchenrechtler, als es mit der Gesundheit Johannes' XXIII. sichtlich bergab ging.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Das Zweite Vatikanische Konzil (dpa)
Das Zweite Vatikanische Konzil / ( dpa )

Der 81-Jährige, der es initiiert und seinen Beginn mit allen ihm bleibenden Kräften vorangetrieben hatte, hoffte zunächst, das Konzil werde nur wenige Monate dauern. Doch angesichts der Dynamik, die die größte Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts entwickelte, wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er selbst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) nicht würde vollenden können.

Johannes XXIII. erlag am 3. Juni 1963, vor 50 Jahren, seinem Krebsleiden. Schon zuvor hatte es Stimmen gegeben, mit dem Tod des Papstes erlösche das Konzil, und seinem Nachfolger stehe es frei, es erneut einzuberufen. Immer wieder wurde während des tagelangen Todeskampfes der Wunsch des Papstes transportiert, das Konzil möge fortgeführt werden, sei es über das ärztliche Bulletin, den Vatikansprecher oder über die Vatikanzeitung "Osservatore Romano". So titelte etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30. Mai: "Der Wunsch des Papstes eine Bitte für das Konzil".

Paul VI. hatte keine Wahl

Auch die überlieferten Letzten Worte des Papstes, "ut unum sint" (dass alle eins seien), wurden von der internationalen Presse auf das ökumenische Grundanliegen des Konzils hin interpretiert. Starb Johannes XXIII. nicht an Pfingsten, wo er doch sein Konzil einmal als ein "neues Pfingsten" bezeichnet hatte?

Kurz: Sein Wunschnachfolger, Papst Paul VI., vormals Kardinal Giovanni Battista Montini von Mailand, konnte sich einer Fortsetzung der Kirchenversammlung kaum entziehen - auch weil dies schon bald als Letzter Wille Johannes XXIII. in der kirchlichen Öffentlichkeit verankert war. Und obwohl Montini nicht zögerte und bereits kurz nach seiner Wahl die nächste Sitzungsperiode für den September 1963 festsetzte: Es ist nicht ohne Pikanterie, dass eben Montini als geistlicher Ziehsohn des Papstes im Januar 1959, am Abend nach der überraschenden Konzilsankündigung, einem Vertrauten am Telefon sagte, der Papst wisse offenbar nicht, in welches "Wespennest" er damit steche.

Zeitenwende ausgelöst

Als damals der bereits 77-jährige Kirchenhistoriker Angelo Giuseppe Roncalli, der eigentlich als "Übergangspapst" gewählt worden war, den verblüfften bis entsetzten Kardinälen verkündete, er werde ein Konzil der Gesamtkirche einberufen, waren die Vorbehalte groß - zumal an der römischen Kurie. Johannes XXIII. wünschte sich kein weiteres Lehrkonzil mit Verurteilungen und Abgrenzungen, sondern ein "Pastoralkonzil", einen seelsorglichen Versuch, die Botschaft der Kirche in die moderne Welt hineinzusprechen. Als er starb, war noch kein einziges der zahlreichen Konzilsdokumente spruchreif. Und doch ist das Zweite Vatikanum nicht zuletzt sein Werk.

Das Konzil veränderte die Kirche zutiefst. Die Versammlung von rund 2.400 Bischöfen der Weltkirche, von theologischen Beratern und ökumenischen Beobachtern öffnete den Katholizismus für die gesellschaftlichen und politischen Fragen der Zeit; für die Probleme der zeitgenössischen Menschen, wo möglich auf Augenhöhe. Es öffnete die Türen für einen ökumenischen und interreligiösen Dialog. Es wertete die Rolle der Bischöfe gegenüber Rom auf und die Rolle der Laien gegenüber den Bischöfen. Es schnitt alte Zöpfe ab und brach mit Traditionen, bot so Menschen eine neue geistliche Heimat; andere vertrieb es, die sich im Neuen nicht mehr heimisch fühlten.

Der vermeintliche "Übergangspapst" hatte eine Zeitenwende ausgelöst - im Wunsch, "dass alle eins seien". Dieser Wunsch ist auch ein halbes Jahrhundert später selbst innerhalb der römisch-katholischen Kirche noch unerfüllt geblieben. Ein Indiz dafür ist die gemeinsame Seligsprechung der beiden Konzilspäpste Pius IX. (1846-1878) und Johannes XXIII. (1958-1963) im Jahr 2000: ein kirchenpolitischer Kompromiss zwischen päpstlichem Primat, Unfehlbarkeit und Verurteilungskatalogen einerseits und dem "aggiornamento" (Verheutigung) Roncallis andererseits.


Quelle:
KNA