Missio: Christen im Nahen Osten hoffen auf päpstliche Hilfe

"Vor Ort eine Stütze"

Viele Christen im Nahen Osten können ihren Glauben nicht offen leben. Sie erhoffen sich von einem neuen Papst Hilfe, um offen Zeugnis abzulegen. Dazu im domradio.de-Interview Harald Suermann vom katholischen Hilfswerk Missio.

Ägypten: Christen unter Druck (DR)
Ägypten: Christen unter Druck / ( DR )

domradio.de: Papst Benedikt hatte sich der Situation der Christen im Nahen Osten angenommen. Welche Wirkung hat das erzielt?

Suermann: Der Ausdruck seines starken Interesses war natürlich die Nahostsynode im Oktober 2010, wo alle Bischöfe zusammen in Rom gewesen sind und eines der wichtigsten Anliegen war es auch, dort ihn um Unterstützung zu bitten, einen zivilen Start aufzubauen und wir wissen, dass das wenig später mit den Umstürzen los ging. Hier stellt sich die Frage, was kann der Vatikan, was kann die Weltkirche tun, um diesen Christen vor Ort eine Stütze zu sein, im Beitrag um eine gerechte Gesellschaft zu bilden.

domradio.de: Wie bedrohlich ist eine wachsende Islamisierung, wie sie etwa in Ägypten gerade zu beobachten ist?

Suermann: Sie ist sicherlich sehr bedrohlich in vielerlei Hinsicht. Erstens dadurch, dass viele Christen auswandern. Der Staat kann im Moment keine Sicherheit mehr herstellen, es gibt radikale Gruppen, die Christen verfolgen, Kirchen zerstören, Familien und ganze Sippschaften bekriegen. Wie weit die Muslimbrüder tatsächlich für die Christen gefährlich werden können, können wir noch gar nicht sagen. Ich glaube, dass das noch sehr in Frage steht, wie sich die Gesellschaft entwickelt, wie die Muslimbrüder sich entwickeln, das ist kein einheitlicher Block. Es scheint von der Realpolitik so zu sein, dass wir uns immer mehr mit einem Regime anfreunden, das von Muslimbrüdern geführt wird. Eine Muslimbruderschaft, die dann auch zu einer Stabilisierung führt. Diese muss nicht dazu laufen, dass es eine Gleichberechtigung gibt, wird es wahrscheinlich auch nicht, weil der Islam die ideologischen und religiösen Vorgaben einer Gleichberechtigung eigentlich so nicht zulässt, obwohl das auch in der Diskussion ist. 

domradio.de: Auch wenn es vielleicht schwierig ist, eine einheitliche Linie in diesen vielen unterschiedlichen Ländern festzustellen – von Palästina über den Irak bis nach Syrien. Wie positionieren sich die katholischen Gemeinden in den arabischen Ländern zu Rom?

Suermann: Sie standen mit dem Papst in enger Verbindung, sie hoffen auf Unterstützung. Das Problem ist, dass sie untereinander nicht die besten Beziehungen haben, sondern diese innerkatholischen ökumenischen Beziehungen noch weiter entwickelt werden müssen. Man erhofft sich auch nicht nur innerhalb der katholischen Kirchen eine engere Zusammenarbeit, sondern auch eine vertiefte Ökumene. Die Beziehungen des Vatikan zu den Orthodoxen Kirche sind im Orient insgesamt sehr gut. Ein großes Problem ist zum Beispiel das Osterdatum, wenn man an zwei verschiedenen Daten - dieses Jahr sind es fünf Wochen Unterschied - Ostern feiert, dann ist das ein Problem vor Ort, auch des Zeugnisses. Da erhofft man sich Unterstützung vom Vatikan, aber es ist eben nicht nur eine regionale, sondern eine weltweite Angelegenheit.

domradio.de: Gibt es abseits vom Thema Verfolgung, Herausforderungen, die die Christen im Nahen Osten bewegen?

Suermann: Der interreligiöse Dialog und das Zeugnis sind zwei Themen, die immer wieder von den Bischöfen und den Ordensvertretern angesprochen worden sind. Zeugnis heißt jetzt nicht unbedingt Missionierung in dem Sinne, wie wir es verstehen, dass man jemanden zur Taufe führt, sondern Zeugnis, dass man offen ist für die Gesellschaft und vor Ort christliche Werte vertritt und auch danach lebt. Viele Leute im Orient haben das Problem, dass sie aufgrund der Verfolgungssituation sich auf den inneren Kreis der Kirche, auf die eigene Familie zurückziehen und dieses Zurückziehen auf sich selber lässt kein Zeugnis in der Gesellschaft zu.

domradio.de: Was erhoffen sich die Katholiken in den arabischen Ländern von einem neuen Papst?

Suermann: Ich glaube, dass die Beziehungen zum Islam noch einmal neu hergestellt werden. Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Sachen und damit auch für den Aufbau der Gesellschaft. Ein Dialog, der etwas schwierig gewesen ist unter Papst Benedikt, aber der auch eine neue Ehrlichkeit hereingebracht hat. Es geht jetzt darum einen Dialog zu finden, in Ehrlichkeit mit Partnern in der islamischen Welt, aber auch in Liebe, in gegenseitigem Verständnis dafür. Es darf aber kein Dialog sein, der Schwierigkeiten, Unterschiede überdeckt.

 

Das Interview führte Aurelia Rütters


Quelle:
DR