Pogrom-Debatte

Jüdischer Geistlicher stützt Erzbischof Müller

In der Debatte über seine Pogrom-Äußerungen erhält Erzbischof Gerhard Ludwig Müller jetzt Unterstützung durch einen hohen jüdischen Geistlichen. ZdK-Präsident Glück nennt seinen Pogromvergleich "nicht hilfreich".

 (DR)

Müller habe keinen Vergleich mit dem Holocaust ziehen wollen, sagte der internationale Direktor des amerikanisch-jüdischen Komitees für interreligiöse Angelegenheiten, Rabbi David Rosen, der "Welt" (Dienstag). "Dies dem Interview zu entnehmen, kann nur das Ergebnis einer böswilligen Absicht sein." Der Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation hatte in derselben Zeitung am Samstag mit Blick auf kirchenkritische Kommentare im Internet und den klassischen Medien "gezielte Diskreditierungs-Kampagnen" gegen die katholische Kirche beklagt. In Blogs, aber "auch im Fernsehen" würden "Attacken gegen die katholische Kirche geritten, deren Rüstzeug zurückgeht auf den Kampf der totalitären Ideologien gegen das Christentum". Weiter sagte Müller: "Hier wächst eine künstlich erzeugte Wut, die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert."

Der Vize-Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, empfahl dem Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, seinen Holocaust-Vergleich schnellstmöglich zurückzunehmen. Dagegen stand der internationale Direktor des amerikanisch-jüdischen Komitees für interreligiöse Angelegenheiten, Rabbi David Rosen, dem Erzbischof bei. Schuster sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es könne zwar sein, dass manche kritischen Äußerungen gegenüber der katholischen Kirche oder einzelnen Würdenträgern überzogen seien. Wenn Erzbischof Müller diese Kritik aber mit einer Pogromstimmung vergleiche, "dann hat er offensichtlich nicht verinnerlicht, was ein Pogrom bedeutet", sagte Schuster in Würzburg.

Kritik kam auch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Der Präsident des höchsten Gremiums der katholischen Laien in Deutschland, Alois Glück, bezeichnete die Wortwahl des Erzbischofs im Bayerischen Rundfunk als "nicht hilfreich". Der Pogrom-Begriff löse insbesondere in Deutschland eine Debatte aus, "die bestimmt nicht weiterführt", so Glück. Es gebe zwar "aggressivere Töne gegenüber der Kirche und dem Religiösen". Dies sei aber "Gott sei Dank nicht das generelle Klima", so der ZdK-Präsident.

Das Wort "Pogrom" stammt aus dem Russischen und lässt sich mit "Verwüstung" übersetzen. Es bezeichnete ursprünglich mit Plünderungen und Mord verbundene Judenverfolgungen etwa im zaristischen Russland oder später im nationalsozialistischen Deutschland. Das bekannteste Beispiel sind die unter dem verharmlosenden Begriff "Reichskristallnacht" zusammengefassten Novemberpogrome von 1938, die sich in diesem Jahr zum 75. Mal jähren. Heute versteht man unter Pogromen allgemein spontane oder organisierte Gewaltakte gegen Angehörige ethnischer oder religiöser Gruppen, die sich in der jeweiligen Gesellschaft meist in der Minderheit befinden.


Quelle:
KNA , epd , DR