Im Missbrauchsskandal schlagen Politiker schärfere Töne an

Vatikan spürt Gegenwind aus Irland

Nach der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts über Missbrauchsfälle in der irischen Diözese Cloyne gerät die katholische Kirchenleitung unter den Druck von Politik und Medien. Außenminister Eamon Gilmore rief nun den Vatikanbotschafter Erzbischof Giuseppe Leanza zu einem Gespräch in seinen Dienstsitz. Im Anschluss sprach Gilmore von einem "schändlichen" und "absolut inakzeptablen" Verhalten des Vatikan angesichts der Übergriffe auf Kinder.

Autor/in:
Jochen Hung
 (DR)

Laut dem 341 Seiten starken Cloyne-Report soll unter anderem der Vatikan die 1996 von der Irischen Bischofskonferenz festgelegten Richtlinien intern ausgehebelt und Geistliche angehalten haben, Missbrauchsfälle zu vertuschen. Gilmore übergab dem päpstlichen Diplomaten den Untersuchungsbericht und bat um eine offizielle Stellungnahme des Vatikan.

Leanza entschuldigte sich bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen mit Gilmore: "Ich bin wieder sehr erschüttert über das Versäumnis, trotz aller guten Fortschritte, die Sicherheit der Kinder in der Kirche zu schützen", sagte der Apostolische Nuntius. "Ich möchte aber betonen, dass der Heilige Stuhl den nötigen Schritten zur Durchsetzung des Schutzes äußerste Wichtigkeit beimisst."

Einigen Politikern ist dieses Bekenntnis nicht genug. Der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei Fine Gael, Charlie Flanagan, forderte im irischen Fernsehen RTE die Ausweisung des Botschafters. "Wenn irgendeine fremde Regierung zusammen mit irischen Bürgern das Gesetz übertritt, würden die betreffenden Botschafter des Landes verwiesen. Ich denke, dieselben Standards sollten für den päpstlichen Nuntius gelten."

Ministerpräsident Enda Kenny ließ sogar offen, ob Irland weiterhin eine eigene Botschaft beim Heiligen Stuhl unterhalten wolle. Der Außenminister werde bald Vorschläge zu möglichen "Anpassungen" der diplomatischen Vertretung vorlegen, sagte Kenny laut der Tageszeitung "Irish Times" (Freitag). Auch der Regierungschef nannte die Rolle des Vatikan "schändlich". Das weltliche Recht dürfe nicht "durch einen Bischofsstab oder einen Priesterkragen aufgehalten werden".

Streit um Beichtgeheimnis
Kenny unterstützte damit die Forderung von Justizminister Alan Shatter, der als Reaktion auf den Untersuchungsbericht unter anderem eine Aufhebung des Beichtgeheimnisses verlangt hatte. Nach seinen Plänen sollten Geistliche, die durch eine Beichte von Missbrauch erfahren und diese Information nicht an die Polizei weiterleiten, mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.

Dieses Ansinnen wiesen Kirchenvertreter zurück: Der Weihbischof der Erzdiözese Armagh, Gerard Clifford, betonte, die Schweigepflicht, die an die Beichte geknüpft sei, müsse unbedingt respektiert werden. Ein Sprecher der Bischofskonferenz sagte laut Medienberichten, das "Siegel der Verschwiegenheit in der Beichte" erlege dem betreffenden Priester "eine schwere Verantwortung" auf; ein Bruch des Beichtgeheimnisses wäre zugleich ein schwerer Verstoß gegen die Rechte der Gläubigen.

Unterdessen will die "Irish Times" erfahren haben, dass die Diözese Cloyne vor Notverkäufen von Kirchenimmobilien stehe, um Entschädigungen für die Opfer zu finanzieren. Bislang habe die Diözese fünf Abfindungen ausbezahlt. Angesichts des Untersuchungsberichts werde jedoch mit neuen Forderungen in Millionenhöhe gerechnet. Nach Meinung von Kommentatoren schwinden unter den gegenwärtigen Bedingungen die Aussichten, dass Papst Benedikt XVI. im Sommer 2012 persönlich nach Irland kommt, um sich von der Erneuerung der Kirche zu überzeugen.