Beten und Singen beim Taizé-Jugendtreffen

Silvester mit Tiefgang

Stilles Silvester mit Beten statt Böllern und Gesängen statt Alkohol. Beim Europäischen Jugendtreffen von Taizé in Riga feiern 15 000 Jugendliche den Jahreswechsel einmal anders. Sie suchen Gemeinschaft und Spiritualität.

Autor/in:
Alexander Welscher
Taizé-Treffen in Riga / © Alexander Welscher (dpa)
Taizé-Treffen in Riga / © Alexander Welscher ( dpa )

Silvester einmal anders. Während draußen die Sektkorken knallen, laute Böller gezündet werden und bunte Raketen in den Nachthimmel über Riga aufsteigen, haben Zehntausende Jugendliche und junge Erwachsene aus ganz Europa die Minuten der Jahreswende in Kirchen der lettischen Hauptstadt verbracht - in stillem Gebet und mit meditativen Gesängen. In unruhigen Zeiten wollen die jungen Gläubigen damit ein Zeichen für Frieden in Europa setzen. 

"Ich habe viele Silvester mit Alkohol und Freunden gefeiert. Doch was wir hier leben, verbleibt in meinem Herzen. Bier hält sich nicht in mir, aber das Treffen ist ein Erlebnis, das ich mein Leben lang in Erinnerung behalten werde", sagt Stefano Isolan (33) aus Florenz. Der junge Priester ist einer von rund 15 000 Teilnehmern des 39. Europäischen Jugendtreffens der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, das an Neujahr in der lettischen Hauptstadt zu Ende ging. 

Gelebte Spiritualität und Dialog

Fünf Tage lang strömten die Jugendlichen in die Messehallen, eine Mehrzweckarena sowie die Kirchen in der Altstadt von Riga. Dort versammelten sie sich, um gemeinsam zu singen und beten, aber auch, um zu debattieren und neue Freundschaften zu knüpfen - international und über Konfessionen hinweg. Geprägt war die Atmosphäre des Treffens in der Ostseemetropole von offen gelebter Spiritualität und Dialog. Es stand unter dem Motto "Gemeinsam Wege der Hoffnung öffnen".

Allein aus Polen waren 4500 Gläubige zu dem Treffen angereist, das jeweils zum Jahresende in einer anderen europäischen Stadt stattfindet. Das Land stellte damit traditionsgemäß wieder die größte Gruppe. "Wir möchten für Frieden in der Welt beten", sagt Karolina Skut aus dem südpolnischen Nowa Sol, die als Betreuerin mit einer Gruppe von gut 40 Jugendlichen nach Riga gekommen war. 

Andere Teilnehmer wie die Medizin-Studentin Alice Marchand (18) aus Frankreich nutzen die Gebetsrunden und Meditationen zur Ruhe und inneren Einkehr: "Während des Jahres bin ich sehr beschäftigt. Daher nehme mir nun die Zeit zu beten. Ich brauche diese Zeit der Stille, um Kraft und Energie zu schöpfen."

Das von vielen orthodoxen Gläubigen bewohnte Riga war die 39. Etappe des in den 1970er Jahren in Taizé (Frankreich) begonnenen ökumenischen "Pilgerwegs des Vertrauens auf der Erde", auf dem junge Menschen Gemeinsamkeit erleben und ihren Glauben vertiefen können. Mehrmals täglich kommen die Jugendlichen dabei zum Gebet zusammen; an den Nachmittagen sprechen sie über Religion, Glaube und auch Politik.

"Wir haben viel darüber diskutiert, was uns Sorge bereitet, was uns Hoffnung macht", erzählt die 25-jährige Bibliothekarin Anna Nick. Aufmerksam habe sie den Schilderungen junger Ukrainer über deren Sicht auf den Krieg im Osten des Landes zugehört. Bei vielen anderen Themen herrschten unter Jugendlichen ähnliche Zukunftsängste, sagt die junge Frau aus der Nähe von Wuppertal: "Brexit, Krieg in Syrien, die Wahl von Donald Trump - das bereitet allen doch ein etwas mulmiges Bauchgefühl." 

Austausch zwischen jungen Gläubigen

Die Taizé-Gemeinschaft arbeitet seit Jahrzehnten an diesem Austausch zwischen jungen Gläubigen, der aus Sicht von Bruder Alois in der heutigen instabilen Welt sehr wichtig ist. "Diese Völkerverständigung auch über Europa hinaus ist jetzt ein großer Auftrag, den die Jugendlichen annehmen. Die Jugendlichen wollen das leben", sagte der Prior von Taizé der Deutschen Presse-Agentur dpa. 

Das Treffen stellte das Organisationstalent der gastgebenden Kirchengemeinden in Lettland auf eine harte Probe. Noch wenige Wochen vorher gab es Sorgen, ob sich genügend Gastfamilien finden würden. Doch Aufrufe der Kirchen und auch der politischen Spitzen des Baltenstaats, in dem sich Umfragen zufolge mehr als 40 Prozent keiner Religion verbunden fühlen, zeigten Wirkung: Am Ende öffneten viele Letten ihre Tür für die jungen Gläubigen - nur wenige mussten in Schulen oder Turnhallen untergebracht werden. 

Für den Rigaer Erzbischof Zbignevs Stankevics war dies eine "Art moralischer und spiritueller Revolution" der sonst eher verschlossenen lettischen Gesellschaft. Ebenso wie sein Pendant Janis Vanags von der evangelisch-lutherischen Kirche setzt das Oberhaupt der katholischen Kirche in Lettland nun darauf, dass die Offenheit und der neu entdeckte Zusammenhalt weiter anhält. 


Quelle:
dpa