Generalvikar Meiering besuchte Gedenkfeiern aus Taizé

Das Erbe von Frère Roger neu lesen – Solidarität leben

Der Kölner Generalvikar Dominik Meiering nahm an den Gedenkfeiern zum Todestag von Frère Roger in Taizé teil. Das Erbe des Taizé-Gründers bedeutet für ihn, durch das Evangelium eine neue, gemeinsame Perspektive für die Welt zu finden.   

Generalvikar Meiering bei den Gedenkfeiern in Taizé / © Alexander Brüggemann (KNA)
Generalvikar Meiering bei den Gedenkfeiern in Taizé / © Alexander Brüggemann ( KNA )

domradio.de: Wie haben sie damals die Nachricht vom Tod Frère Rogers aufgenommen?

Dominik Meiering (Kölner Generalvikar): Das war wirklich ein Schock für uns alle. Wir waren wirklich verunsichert und wir mussten uns erstmal ein bißchen fassen. Aber wir haben gemerkt, dass das was Frère Roger initiiert hat, eine Stiftung war, die ein Leben lang anhält. Und deshalb sind in diesen Tagen hier sehr viele Menschen. Und es sind viele Vertreter der unterschiedlichsten christlichen Kirchen, aber auch weit darüber hinaus, hierher gekommen, um eigentlich nicht des Todes von Frère Roger zu gedenken, sondern sein Lebenswerk zu wertschätzen. Und vor allen Dingen, um sich zu fragen: Was erwächst denn für uns heute daraus? Deshalb hat Frère Alois, der neue Prior der Gemeinschaft, diese Woche auch eine "Woche der Solidarität" genannt und hat aufgefordert, eine neue Solidarität zu leben.

domradio.de: Das heißt, die Stimmung in Taizé ist am zehnten Todestag nicht gedrückt sondern eher nach vorne gerichtet.

Meiering: Natürlich, unbedingt. Wir haben hier strahlendes Wetter. Beim Frühstück habe ich mit Vertretern unterschiedlichster Kirchen zusammengesessen. Und das ist sehr spannend, wenn von ihren Erfahrungen mit dem ökumenischen Leben erzählen und auch von dem, was an Inspiration für sie von Frère Roger ausgegangen ist. Das ist ein ganz buntes Bild: Wir haben hier einige Orthodoxe, zum Beispiel die Syrisch-Orthodoxen aus Indien, außerdem Mitglieder protestantischer Kirchen aus Schweden oder aus Finnland. Dann haben wir die Freikircher da, die Pfingstler zum Beispiel aus Frankreich, es ist also wirklich ganz kunterbunt. Alle sind aber hier beieinander und versuchen, das Erbe von Frère Roger auf die Zukunft hin neu zu lesen.

domradio.de: "Neue Solidarität" war gerade das Stichwort auch dieser Woche, die Frère Alois dort begangen hat. Was heißt das denn, "neue Solidarität"?

Meiering: Für Frère Alois bedeutet das natürlich vor allen Dingen, aus dem Evangelium zu leben. Und ich finde, das ist auch etwas, was für uns als katholische Kirche sehr wichtig und interessant ist. Immer schon gibt es hier in Taize eine Bibeleinführung eines Bruders. Anschließend spricht man in Kleingruppen über diesen Bibeltext. Über die Bibel zu sprechen ist hier kein Randthema für fromme Leute, sondern da macht jeder mit. Und jeder macht plötzlich eine positive Erfahrung, dass aus diesem Gespräch über die Heilige Schrift eine Perspektive für das eigene Leben aber auch für ein neues Miteinander wachsen kann. Und sogar, noch darüber hinaus, eine Perspektive für die Welt wachsen kann.

domradio.de: Frère Roger war ein charismatischer Mensch, jemand, der auch Visionen hatte. Was kann man jetzt, 10 Jahre nach seinem Tod feststellen, wie hat er vielleicht sogar die Welt verändert?

Meiering: Ich glaube, was wir hier alle spüren ist, dass er mit dem Evangelium ernst gemacht hat. Es gibt diesen berühmten Satz: "Lebe das Evangelium" – auch wenn es noch so wenig ist, was du davon verstanden hast. Und was Frère Roger mir persönlich mit auf den Weg gegeben hat und hier auch im Großen gestiftet hat, ist, dass der Andere kein anderer ist, sondern einer, den Gott mir an meine Seite gestellt hat, als einen, der zu mir gehört. Der Andere ist einer, der zu mir gehört, und als solchen soll ich ihn begreifen; vielleicht als Herausforderung, aber vielleicht eben auch als Geschenk. Als einer, der mir hilft, jemand anders zu werden. Deshalb ist das Ganze hier nicht nur im Hinblick auf die ökumenischen Bemühungen wichtig, sondern eine Weltverantwortung muss aus diesem neuen Miteinander der Christen heraus erwachsen.  Ich glaube, das spürt jeder der hier ist. Also die Frage ist: „Auf welche Art und Weise wollen wir denn unsere Gesellschaft und unsere Welt prägen? Wir wollen wir präsent und aktiv sein? Wir hatten zum Beispiel einen ganzen Tag voll mit Workshops zu den unterschiedlichsten sozialen, politischen, wirtschaftlichen Themen. Da ist es ganz spannend zu sehen, wie man plötzlich über das Thema Schulden sprechen. Da ist sowohl ein Bruder der Gemeinschaft beteiligt wie auch ein Mitglied des Europäischen Parlaments. Und wir diskutieren darüber und stellen uns die Frage: Wie können wir das Thema aus unserer christlichen Perspektive so angehen, dass wir unserer Verantwortung für diese Welt als Christen gerecht werden.


Quelle:
DR