Prior Frère Alois über die Verbundenheit der Taizé-Brüder mit Köln

"Mut und Vertrauen schaffen"

Rund 2.000 Teilnehmer waren am Sonntagabend bei der Taizé-Lichterfeier in der Kölner Kirche St. Agnes. Vorher sprach Prior Frère Alois im domradio.de-Interview über die Bedeutung des ökumenischen Ordens für die Jugendlichen und den Kontakt nach Köln.

 (DR)

domradio.de: Warum sind Sie nach Köln gekommen?
Frère Alois: Es ist für mich und uns Brüder eine große Freude, der Verbundenheit mit Köln und der Diözese hier einen stärkeren Ausdruck zu geben; und die Verbundenheit geht weit zurück: Ich war mit Frère Roger hier vor 30 Jahren. Frère Roger kam aus Magdeburg. Und es gab nachher ein Gebet im Kölner Dom. Und dann hatten wir 1984 das europäische Treffen hier. Aber das ist die Geschichte. Heute freuen wir uns sehr, dass aus der Diözese so viele Jugendliche nach Taizé kommen, etwa 1000 mit organisierten Fahrten pro Jahr. Und das wirft ja auch Fragen auf: Warum kommen die? Wie können wir wirklich gemeinsam auf einer Suche sein? Wie können wir von Taizé aus auch die Jugendlichen in ihren Kirchenalltag schicken und sie dorthin begleiten?

domradio.de: Und dabei spielt ein Abend wie der in Köln eine große Rolle?
Frère Alois: Es ist einfach ein zeichenhafter Ausdruck von dieser Begleitung, die in vielen Einzelbegegnungen geschieht. Denn in Taizé begegnen wir den Gruppen, sprechen mit ihnen, stellen den Jugendlichen Fragen, wie sie in ihrer Kirche zuhause leben, auch was sie von der Kirche erwarten. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen das zum Ausdruck bringen können. Und heute (Sonntag) endet das Treffen mit einem Abendgebet. Aber den Tag über haben sie schon viele Jugendliche getroffen, um sich auszutauschen und zu überlegen, wie sie ihr Christsein tiefer gestalten können.

domradio.de: Welche Antworten geben die Jugendlichen? Sind die Lücken vor Ort tatsächlich so groß? Und kann Taizé sie füllen?
Frère Alois: Nein, wir können die Lücken nicht füllen. Aber wir können den Jugendlichen Mut machen und ihnen Vertrauen zeigen. Das ist wichtig: dass Jugendliche merken, dass ihnen in der Kirche Vertrauen entgegengebracht wird, dass sie ernst genommen werden, dass sie begleitet werden, dass sie auch auf der Suche sein dürfen und nicht schon angekommen, nicht schon immer fertig sein müssen, sondern auf der Suche sein können. Und dafür braucht es Orte. Und es ist sehr schön, dass sich hier in Köln die Jugendkirche so entwickelt hat; nicht als isolierte Insel, aber als Ort der Ermutigung, dann in den Kirchengemeinden so weit wie möglich präsent zu sein.

domradio.de: Welche Rolle spielt die Liturgie, die ganz besondere Spiritualität der Taizé-Gemeinschaft. Das ist ja nicht nur länderübergreifend, sondern auch generationsübergreifend; es sind ja nicht nur Jugendliche, die gerne Taizé-Lieder singen?
Frère Alois: Ja, aber wir haben eigentlich keine eigene Taizé-Liturgie. Im Grunde genommen ist unser Gebet einfach das Gebet der Kirche. Der Gebetsablauf ist der Ablauf eines Vesper-Gottesdienstes oder einer Laudes. Die Gesänge spielen eine große Rolle, weil wir in einem solchen Gebet einige zentrale Worte aus der Bibel stärker hervorheben können, sie singen können. Man kann sich diese Worte so viel mehr aneignen, sie dringen in uns ein, und das spielt sicher eine große Rolle. Und: sie sollen uns vorbereiten, auf das Evangelium zu hören. Wir wollen ja nicht eine Nische schaffen, wo man sich wohl fühlt, das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist, dass wir die Herausforderung des Evangeliums hören: dass Jesus uns auch herausfordert. Aber dafür braucht es auch Orte des Friedens und der Stille. Aber nicht als Nische, sondern als Ort, von dem aus man wieder in die Welt geht, jeder in seine Welt. Und für die Jugendlichen ist das nicht immer leicht. Wie viele Schwierigkeiten erleben sie in ihrem Alltag - in Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Zukunftsaussichten, Suche nach Gemeinschaft, Familie. All das sind große Fragen für die Jugendlichen. Und es braucht Ruhepunkte, damit sie diese Fragen angehen können.

domradio.de: Trotzdem nehmen die Jugendlichen diese Herausforderungen ja an, in einer von Technik bestimmten Zeit, in der Taizé umso erfolgreicher scheint.
Frère Alois: In Taizé sind wir selber erstaunt darüber, dass Jugendliche oft nach einer Woche sagen: Die Stille war wichtig. Eine Aussage, die eigentlich sehr erstaunlich ist. Denn heute flieht man eher vor der Stille. Die Stille muss sofort ausgefüllt werden durch irgendwelche Aktivitäten, Nachrichten oder Musik. Aber das bedeutet, dass es möglich ist, in der Kirche und das überall in der Kirche - in Taizé und auch in Köln und an allen anderen Orten - die tieferen Sehnsüchte zu wecken.

Das Gespräch führte Stefan Quilitz am Sonntag vor der Lichterfier in der Kölner Kirche St. Agnes.