Andreas Schneider nutzt den US-Sport in der Jugendseelsorge

Pfarrer vermittelt mit Baseball christliche Werte

Was verbindet Baseball mit dem christlichen Glauben? Das weiß Pfarrer Andreas Schneider aus dem rheinischen Alfter genau. Er baute einen Baseballverein in der Gemeinde auf - und vermittelt Jugendlichen Werte fürs Leben.

Autor/in:
Rainer Nolte
Der evangelische Pfarrer Andreas Schneider (l.) beim Training mit seinem Sohn Matthias auf dem Baseballfeld in Alfter. / © Harald Oppitz (KNA)
Der evangelische Pfarrer Andreas Schneider (l.) beim Training mit seinem Sohn Matthias auf dem Baseballfeld in Alfter. / © Harald Oppitz ( KNA )

Pfarrer Andreas Schneider steht leicht erhöht, inmitten seiner Schäfchen. Die Gemeinde lauscht ihm. "Shit happens", bricht es aus ihm heraus, als ein Baseball weit am Mitspieler vorbeifliegt.

Sein Einsatzort ist heute nicht in der Kirche, sondern er steht auf dem Pitcher-Hügel des Baseballfeldes seiner Pfarrei in Alfter bei Bonn. Schneider ist nicht nur evangelischer Pfarrer, sondern auch Baseballtrainer im Auftrag des Herrn. Heute trainiert er in der prallen Sonne bei 28 Grad die Elf- und Zwölfjährigen.

Lederne Baseballhandschuhe als Geschenk

Während seines Zivildienstes hat Andreas Schneider über einen Mit-Zivi das Spiel kennengelernt, bei dem es darum geht, mit einem Schläger den Ball in ein rautenförmiges Feld zu dreschen und so schnell wie möglich die vier Stationen (Bases) abzulaufen. Lederne Baseballhandschuhe hat er auch geschenkt bekommen - aber zunächst schnell wieder eingemottet und vergessen. Bis zu einer Konfirmandenfreizeit in seiner ersten Gemeinde, der Bonner Johanniskirche. "Beim Packen habe ich zufällig die Handschuhe gefunden und einfach mit in die Tasche geworfen", erklärt der 51-Jährige.

Bei den Jugendlichen kam das aus Amerika stammende Spiel gleich gut an, erinnert sich Schneider. «Ich erkannte einen wesentlichen Vorteil gegenüber dem sonst üblichen Fußballspielen: Während beim Kicken die Jungs durch Vereinserfahrung immer die Guten waren und die Mädchen höchstens ins Tor gewählt wurden, waren die Mädchen beim Baseball oft sogar besser», sagte Schneider. In den folgenden Monaten stellte er einen Antrag an die Gemeindeleitung, eine Trainingsausrüstung anzuschaffen. Diese genehmigte - und so wird auf jeder Konfirmandenfreizeit seit 2004 Baseball gespielt.

"Nach Hause kommen"

Schneider, der in Wuppertal und Bonn Theologie studierte, erkannte nicht nur den sportlichen Geschlechterausgleich. «Das Spiel hat eine Menge mit den Werten unseres Glaubens gemeinsam», so der gebürtige Siegener. «Es ist die einzige Sportart, bei der es darum geht, nach Hause zu kommen», erklärt er kaugummikauend im Bezug auf die sogenannte Homeplate. Außerdem gibt es beim Baseball einen Schlag, bei dem ein Spieler sich für sein Team opfert - der sogenannte Sacrifice Bunt.

Von Trainer Schneider hört man aber auch Sätze wie: "Was bist du denn für ein Pazifist? Fester!", als Jacob seinen Handschuh zu sanft einsetzt. Auch auf der Kanzel überrascht der Pfarrer gerne mal mit salopperen Ausdrücken.

Unterstützung von Profispielern

Sein Baseball-Engagement beschränkt sich längst nicht mehr auf das Konfirmandenwochenende. "Den Jugendlichen hat die Erfahrung so viel Spaß gemacht, dass sie mich nach weiteren Möglichkeiten fragten", so Schneider. Durch die Nähe zum Bundesligaverein Bonn Capitals organisierte der Pfarrer mit der Unterstützung von Profispielern ein Wintercamp in der Halle. Mittlerweile werden zwei Einheiten mit je 30 Kindern durchgeführt. Doch einmal mit dem Baseball-Fieber infiziert, wollten die Aktiven mehr. 2006 bildete Schneider eine feste Baseballgruppe: die Kottenforst Saints.

Mittlerweile tragen bei drei Trainingseinheiten Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene das Logo, großes «S» mit Heiligenschein, auf Kappen und Trikots. Einmal im Jahr findet ein Baseball-Gottesdienst statt. In Eigenleistung und mit Spenden baute die Gemeinde ein eigenes kleines Spielfeld auf. Aus Platz- und Versicherungsgründen findet kein regulärer Spielbetrieb statt. Coach Schneider, der im vorigen Jahr seine C-Trainerlizenz gemacht hat, erklärt: "Wir sehen uns als Unterstützer-Team für die Capitals in Bonn." Auf der Homepage hieß es im Juni dementsprechend: "6 Saints begleiten Capitals auf dem Weg zum NRW-Meister-Titel!"

Begegnung auf einem anderen Level

Auch Schneiders Söhne schwingen für die "Saints" die Keule. "Ich finde es schön, dass der Vater mit seinen Jungs ein gemeinsames Hobby hat und Zeit mit ihnen verbringt", sagt seine Ehefrau Christiane.

Auch wenn sein sportlicher Einsatz recht zeitintensiv ist, erkennt die Gemeindeleitung die Wichtigkeit dieser Arbeit an. "Wir müssen sehen, wie wir als Kirche die Menschen heutzutage erreichen. Ich treffe die Kinder beim Baseball auf einem anderen Level", sagt Schneider.

Um sein Handgelenk baumelt ein Armband, bedruckt mit Baseball-Bällen und den Buchstaben «S. C. W.». Sie stehen laut Schneider für die drei englischen Worte «Serenity» (Gelassenheit), «Courage» (Mut) und «Wisdom» (Weisheit) in einem Gebet, das helfen soll, Ruhe und Kraft zu finden.

Optische Verwandlung

Beim Gemeindefest wird Schneiders optische Verwandlung am deutlichsten: Nach dem Gottesdienst schlüpft er aus dem Priestergewand in sein Trikot, denn wie alle zwei Jahre ist eine Baseballaktion aufgebaut. Dieses Mal gibt es einen Batting Cage - einen Käfig, in dem jeder einmal einen Baseballschläger ausprobieren kann.

Schneider hat mittlerweile ein Trainerteam um sich gebildet. "Wir wollen den Kindern Werte vermitteln, die ihnen auch außerhalb des Feldes helfen sollen", sagt er. Zum Beispiel: "Können wir dem Schiedsrichter eine Fehlentscheidung verzeihen?" Wenn die Kinder darüber nachdenken, werde ihnen verdeutlicht, dass auch sie nicht alles perfekt machen: "Marla, du zum Beispiel weißt doch, wie der richtige Schwung für einen Homerun geht. Warum schlägst du dann nicht immer einen?"

Handliches Büchlein mit Bibelstellen

Die christlichen Baseball-Ansätze hat Schneider in einem Buch zusammengefasst. Im Saisonführer "9 Innings" hat er gemeinsam mit Simon Gühring, einem früheren deutschen Spieler aus der amerikanischen Profiliga, ein handliches Büchlein mit Anregungen zu Teamwork, Selbstzufriedenheit und Motivation geschrieben - passende Bibelstellen inklusive.

Ein wichtiges Thema für Schneider ist zudem die Ökumene. Er unterstützt den "Asylkompass-Alfter" als Koordinierungsstelle für die ökumenische Flüchtlingsarbeit. Kinder aller Religionen - auch geflüchtete - können zudem in den Sommerferien bei dem von ihm organisierten Zirkus-Workshop teilnehmen. Am Ende findet eine eigene Vorstellung mit Pfarrer Schneider als Clown im großen Zirkuszelt statt - vorweg ein bunter Familiengottesdienst. Schneider heißt auch Katholiken in seinem Team willkommen. "Wir haben katholische Messdiener, denen ich sage, sie sollen den Schläger nicht wie ein Weihrauchfass schwingen", scherzt der Geistliche.

Andacht zum Trainingsabschluss

Das neue Maskottchen der "Saints" ist im Übrigen eine Franziskanermönchs-Handpuppe. "Der Luther sah gar nicht heilig aus", erklärt der Baseballpfarrer seine Entscheidung für "Saint Francis" und tauscht seine stylische Sonnenbrille gegen die Lesebrille. Er ruft die Spieler zusammen. "In den letzten 15 Minuten jeden Trainings halten wir eine Andacht ab."

Verschwitzt und verstaubt bilden die "Saints" einen Stuhlkreis im Schatten. Jeder hat eine Bibel in der Hand. Janika zitiert die Geschichte über Philippus und den Zauberer Simon. Schneider: "Auch im wahren Leben gibt es Menschen, die sagen, sie seien der 'King'." - "Wie Trump", wirft jemand ein. "Ja. Aber die Menschen vertrauen auf Philippus, der authentisch ist und vom Reich Gottes predigt", setzt der Pfarrer fort. "Auch ihr sollt nicht mich als Trainer oder euer Baseball-Idol toll finden. Es geht um euch."

Gebet und Dank

Dann falten die "Saints" die Hände, schließen die Augen und beten zum Abschluss: "Wir danken für das schöne Wetter, und dass wir wieder etwas lernen durften", spricht Pfarrer Schneider. Und: "Wir bitten, dass Liv, die sich heute beim Training verletzt hat, schnell wieder gesund wird. Amen." Zehn Tage später gehörte Liv zu den erfolgreichen "Saints" beim NRW-Meister-Titel.


Pfarrer Andreas Schneider  / © Harald Oppitz (KNA)
Pfarrer Andreas Schneider / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA