Frankfurts Stadionpfarrer über Fußball in Zeiten des Terrors

"In Ängsten - und siehe, wir leben!"

Eugen Eckert ist evangelischer Pfarrer - und Fußballfan. Mit seinem Sohn wird er am Samstag ins Stadion gehen. Sein Credo: "Wir können nicht anders, als darauf zu vertrauen, dass Anschläge wie in Paris die Ausnahme bleiben."

Bundesliga: Es soll wieder nur um den Ball gehen / © Wolfram Kastl (dpa)
Bundesliga: Es soll wieder nur um den Ball gehen / © Wolfram Kastl ( dpa )

KNA: Herr Eckert, was sagen Sie Fans, die nach dem Anschlag auf das Stade de France in Paris und der Absage des Länderspiels Deutschlands gegen die Niederlande in Hannover mit einem mulmigen Gefühl ins Stadion gehen?

Eckert: Das sind ganz persönliche Entscheidungen, die jeder selbst treffen muss. Ich vertraue auf die Sicherheitsvorkehrungen im Frankfurter Stadion und werde mit meinem Sohn, der zehn Jahre alt ist, das Spiel der Eintracht gegen Leverkusen anschauen.

KNA: Was werden Sie Ihrem Sohn sagen?

Eckert: Ich spreche ganz offen mit ihm darüber. Ich habe ihm gesagt, dass Angst ein Teil unseres Lebens ist, dass sie uns immer auch hilft, Gefahren zu erkennen und zu meiden. Und dass ich überzeugt bin, dass die Sicherheitsvorkehrungen ausreichen. Es geht nicht, dass wir uns nicht mehr in öffentliche Räume wagen, ob es das Stadion ist, der Weihnachtsmarkt oder ein Gottesdienst. Wir können nicht anders, als darauf zu vertrauen, dass Anschläge wie die in Paris die Ausnahme bleiben.

KNA: Welche Kraft kann der Fußball in dieser Situation entfalten?

Eckert: Wichtig ist das, was vor Anpfiff des Länderspiels Englands gegen Frankreich geschehen ist. Die Spieler haben einen Kreis gebildet und gemeinsam Stärke gezeigt. Mich erinnert das an das Motto des evangelischen Kirchentags 1975 in Frankfurt: "In Ängsten - und siehe, wir leben!" Aus dieser Kraft heraus können wir die Veranstaltungen besuchen, die wir gerne besuchen möchten.

KNA: Haben Sie Signale von Fans empfangen, wie sie mit der Angst umgehen?

Eckert: Es gibt eine große Diskussion unter den Fans. Aber es ist nicht so, dass viele sagen, wir gehen in den nächsten drei Wochen nicht mehr aus dem Haus. Möglicherweise wird die Nordwestkurve, wo die Ultras der Eintracht stehen, eine Choreografie des Gedenkens und der Solidarität zeigen. Und danach wird, vielleicht gerade in Opposition zum Terror, eine sehr ausgelassene Stimmung herrschen. Den Menschen gelingt es, die Gefahr zu relativieren. Das gilt übrigens auch für die Flugzeuge, die das Frankfurter Stadion im Sekundentakt überfliegen. 1983 ist ein Starfighter der kanadischen Luftwaffe bei einer Flugschau am Flughafen auf die Autobahn gestürzt. Dabei ist ein Freund von mir mit seiner ganzen Familie ums Leben gekommen.

Erlebnisse wie dieses oder die Anschläge in Paris machen uns die Gefahr bewusst, in der wir leben. Natürlich werden sich die Menschen im Stadion fragen, ob alles gut geht. Ich selbst vertraue darauf, dass alles gut geht.

KNA: Was sagen Sie jenen Menschen, die im Stadion arbeiten?

Eckert: Alle wissen, dass unser Leben zerbrechlich ist, dass es unwägbare Situationen gibt. Dennoch wird jeder mit vollem Einsatz seine Arbeit tun: von den hochbezahlten Fußballspielern bis zu jenen Männern und Frauen, die auf den Tribünen Bratwurst und Bier verkaufen oder den Einlass kontrollieren.

KNA: Wie sehr wird der Terror das Verhalten der Fans verändern? Die Ultras der Eintracht zünden bekanntermaßen öfter als andere Leuchtraketen und Knallkörper. Vor dem Länderspiel in Hannover gab es Bitten, auf so etwas zu verzichten, um keine Panik zu erzeugen. Glauben Sie an die Einsicht der Fans?

Eckert: Ich wünsche mir, dass die Fans auf Pyrotechnik verzichten. Sie ist eine Gefahr für den, der sie zündet und für seine Umgebung. Mein Sohn zuckt zusammen, wenn es knallt. Ich befürchte aber, dass weiter gezündelt wird. Diese Fanatiker denken an ihre Form der Selbstdarstellung, nicht an die Kinder.

Das Interview führte Jonas Krumbein.


Quelle:
KNA