Alarmierender Bericht: Amnesty-Kritik an Bedingungen im WM-Land Katar

"Ausbeutung bis hin zur Zwangsarbeit"

Die Debatte um die Fußball-WM 2022 reißt nicht ab. Nur eine Woche nach Joseph Blatters Höflichkeitsbesuch beim Emir von Katar deckt Amnesty International erneut erschreckende Details zu den Arbeitsbedingungen im Golfstaat auf.

 (DR)

Die Dauer-Kritik an WM-Gastgeber Katar nimmt durch eine alarmierende Amnesty-Studie neue Fahrt auf und setzt die FIFA schon wieder unter großen Druck. In der am Sonntag vorgestellten Untersuchung prangert die Organisation massive Verletzungen der Menschenrechte auf Baustellen des Ausrichterlandes der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an.

Kein Gehalt, keine Perspektive und katastrophale Wohn- und Arbeitsbedingungen - die Fakten, die Amnesty präsentiert, sind schockierend. In Massenunterkünfte ohne Strom seien die Migranten demnach oftmals gezwungen, nach einem kräftezehrenden Arbeitstag in brutaler Hitze ihr Abendessen im Dunkeln einzunehmen. Die Hygienebedingungen für die meist aus armen Ländern Südostasiens stammenden Arbeiter sind angeblich zum Teil indiskutabel.

Lohnausfall oder Abschiebung

"Viele Arbeiter erhalten oft monatelang keinen Lohn und werden trotzdem zur Arbeit gezwungen, indem man ihnen mit einem kompletten Lohnausfall oder der Abschiebung droht", erklärte die Katar-Expertin von Amnesty International in Deutschland, Regina Spöttl, nach der Präsentation des 169 Seiten umfassenden Berichtes mit dem Titel "The Dark Side of Migration: Spotlight on Qatar's Construction Sector Ahead of the World Cup".

Insgesamt hat Amnesty International ein "alarmierendes Ausmaß an Ausbeutung bis hin zu Zwangsarbeit" festgestellt. Die Rechte von Arbeitsmigranten würden in dem Golfstaat "systematisch" verletzt. Die Organisation forderte die Regierung in Katar ebenso wie den Fußball-Weltverband FIFA auf, "weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und zu zeigen, dass sie es mit den Menschenrechten ernst meinen".

44 Nepalesen gestorben

Zuvor hatten bereits andere Organisationen und Medien über Missstände auf WM-Baustellen berichtet. Die Debatte war Ende September durch einen Bericht der britischen Tageszeitung "Guardian" ausgelöst worden. Demnach seien 44 nepalesische Gastarbeiter in nur zwei Monaten wegen Herzinfarkts oder Arbeitsunfällen in Katar gestorben. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzt sich in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund für bessere Arbeiterrechte in Katar ein. Die FIFA hat die Verantwortung für die Zustände bislang stets zurückgewiesen. Dies sei Sache der Regierung und der Baufirmen.

Die Weltverband verwies in einer ersten Reaktion auf den Amnesty-Bericht, dass die Gastgeber ihrer Wettbewerbe die Menschenrechte achten und die internationalen Normen und Werte anerkennen müssten. Bei einem Treffen von Präsident Joseph Blatter mit Scheich Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani am vergangenen 9. November habe das katarische Staatsoberhaupt zugesichert, diese Standards der FIFA zu erfüllen. Mittlerweile seien bereits Maßnahmen eingleitet worden.

Der Moment, zu handeln

"Jetzt ist der Moment gekommen, um zu handeln", sagte James Lynch, Verantwortlicher der Amnesty-Studie. Für die Untersuchung waren Mitglieder der Menschenrechtsorganisation im Oktober 2012 und im März 2013 zweimal in den Golfstaat gereist. Insgesamt sprachen die Menschenrechtler mit rund 210 Arbeitern. Betroffen seien nicht nur Stadion-Baustellen, sondern auch Hotels, Bahnstrecken und Straßen.

Ein großes Problem sei das sogenannte Sponsorengesetz, das ausländische Arbeiter dazu verpflichtet, die Genehmigung ihres Arbeitgebers einzuholen, wenn sie diesen wechseln oder Katar verlassen möchten. Viele Firmen würden diesen Passus als Druckmittel einsetzen.

Die WM in Katar ist seit der Vergabe durch den Weltverband FIFA im Dezember 2010 umstritten. Neben den Menschenrechtsverletzungen ist bei der Entscheidung zugunsten Katars immer wieder die Rede von möglicher Korruption. Zudem soll das Turnier wegen der großen Hitze vom Sommer in den Winter verlegt werden. Der neue Termin ist jedoch weiter unklar. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hatte die Katar-WM deshalb zuletzt als «Belastung für den ganzen Fußball» bezeichnet.


FIFA-Präsident Blatter und der katarische Chef des WM-Komitees (dpa)
FIFA-Präsident Blatter und der katarische Chef des WM-Komitees / ( dpa )
Quelle:
dpa