Vor 450 Jahren erkannte der Papst einen Pflegeorden an

Was vom Krankenhaus-Erfinder übrig blieb

Säkularisierung bedeutet nicht einfach, dass der Glaube schwindet. Manch christliche Innovation ist inzwischen so sehr Allgemeingut geworden, dass der Ursprung so gut wie vergessen ist. Wie bei diesem Neujahrsjubiläum.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Bewegung in einem Krankenhausflur / © hxdbzxy (shutterstock)
Bewegung in einem Krankenhausflur / © hxdbzxy ( shutterstock )

Am Neujahrstag 2022 könnte die katholische Kirche eine beispiellose Erfolgsgeschichte feiern - aber von dem Jubiläum wird auch nach Abklingen des Silvesterkaters wohl kaum einer Notiz nehmen. Dabei würde sich das gerade in Pandemiezeiten lohnen: Am 1. Januar vor 450 Jahren erhielten die Barmherzigen Brüder ihre erste päpstliche Approbation als Orden.

Pius V. erkannte damit 1572 die Berufung, geistig und körperlich Kranke zu pflegen, in ihrer religiösen Dimension an. Der Grundstein zu einer planmäßigen Ausdehnung war gelegt. Der Ordensgründer Johannes von Gott (1495-1550) war da schon 22 Jahre tot.

Findelkind aus Portugal

Johannes von Gott - das klingt nach einer frommen Seele. Tatsächlich deutet sein Namenszusatz weniger auf eine spirituelle Gesinnung hin als auf eine unklare Herkunft. Findelkinder wurden damit gekennzeichnet.

Über seine Familie in Portugal ist wenig bekannt, eine jüdische Abstammung wird diskutiert. Jedenfalls reißt Joao 1503, im Alter von acht Jahren, von zu Hause aus. Er geht über die Grenze und landet in einer spanischen Pflegefamilie. Später schlägt sich der Abenteurer als Hirtenjunge, Söldner, Hilfsarbeiter und Hausierer durch. Bis er sich in Granada als Buchhändler niederlässt.

Die Begegnung mit einem berühmten Bußprediger versetzt ihn 1539 in seelischen Aufruhr. Seine Mitbewohner liefern ihn daraufhin ins Irrenhaus ein, wo er monatelang festgehalten wird und die damals übliche Behandlung Nervenkranker erleidet: Er wird mit Fesseln ruhiggestellt, Peitschenhiebe sollen ihm den Teufel austreiben.

Die ersten Patientenbetten

Das selbst erlebte Leid inspiriert ihn kurz darauf zu einer Pioniertat: 1540 errichtet Johannes mit erbetteltem Geld ein Hospital für die Armseligen und Verworfenen von Granada. Er unterscheidet nicht nach Konfession und Herkunft; er ist der Erste, der Patienten nach ihrer Erkrankung trennt und jedem sein eigenes Bett gibt; und als einer der Ersten erkennt er am Ende des Mittelalters, dass geistig Verwirrte krank sind und ärztlicher Hilfe bedürfen.

Im Prinzip hat der "Heilige aus schlechtem Holz", wie ihn sein Biograf Walter Nigg nannte, nichts weniger als das moderne Krankenhaus erfunden. Die Historikerin Rita Haub schreibt: "Johannes ging mit prophetischer Sicherheit den Heilmethoden seiner Zeit voraus. Der Kranke sollte Behandlung und Hilfe erfahren in seinen körperlichen, geistigen und seelischen Nöten, die fast immer im Zusammenhang stehen."

Opfer des eigenen Erfolgs

Als Johannes von Gott an seinem 55. Geburtstag in Granada stirbt, führen zwölf Gefährten sein Erbe weiter. Heute sind die Barmherzigen Brüder auf allen Kontinenten vertreten. Wie viele der tätigen Orden leiden sie unter Nachwuchsmangel. Die Säkularisierung mag ihren Anteil daran haben.

In gewisser Weise sind sie aber auch Opfer ihres eigenen Erfolgs. Heute muss niemand mehr Ordensgelübde ablegen, um einen Pflegeberuf zu ergreifen. Entsprechende Schulen haben die Barmherzigen Brüder vor langer Zeit selbst gegründet. Es gibt sie nach wie vor, allerdings liegt ein Großteil der Verantwortung längst in Händen weltlicher Beschäftigter.

Leben und Arbeiten im Krankenhaus

In Regensburg führt die Gemeinschaft Deutschlands größtes katholisches Krankenhaus: 905 Betten, 3.500 Mitarbeiter, 190.000 Patienten im Jahr. Mit drei Barmherzigen Brüdern vor Ort. Ein Kloster brauchen sie nicht.

Sie leben und arbeiten im Krankenhaus, so wie es Johannes von Gott schon von den Pflegern seines Hospitals in Granada verlangte. Damit sie schnell zur Stelle sind, wenn jemand in Not ist. Der Erbauer des Krankenhauses, der frühere bayerische Provinzial Eustachius Kugler, wurde 2009 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung im Regensburger Dom seliggesprochen.

Spektakuläre Geschichten schreibt der Orden heute eher im Ausland, etwa in Westafrika. Als dort 2014 das Ebolavirus wütete, leistete er mit seinen Mitarbeitern den Menschen in Liberia und Sierra Leone heldenhaften Beistand. 13 Ärzte und Pfleger starben in seinen Kliniken und Gesundheitsstationen, außerdem fünf Ordensleute. Für ihren selbstlosen Einsatz erhielten die Barmherzigen Brüder den Europäischen Bürgerpreis.


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Quelle:
KNA
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