Neuer Schwung für die Digitalisierung der Pflege gefordert

Der Teufel steckt oft im Detail

In der Pflege hält die Digitalisierung nur zögerlich Einzug. Dabei gibt es viele Ansätze, um Bürokratie abzubauen, Pflege zu erleichtern und älteren Menschen ein längeres Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.

Autor/in:
Christoph Arens
Neuer Schwung für die Digitalisierung der Pflege gefordert / © michaeljung (shutterstock)
Neuer Schwung für die Digitalisierung der Pflege gefordert / © michaeljung ( shutterstock )

Paro wirkt angeblich so gut wie Medikamente. Der Roboter mit dem Aussehen einer Robbe soll nach Angaben seiner Hersteller die Stimmung von alten und pflegebedürftigen Menschen verbessern, Angstzustände und Schmerzen verringern und das Gefühl von Einsamkeit vertreiben. Mittlerweile sind weltweit mehrere Tausend Paro-Robben in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen im Einsatz.

"Pflege muss menschlich bleiben"

Digitalisierung ist überall ein großes Thema: Im Bereich der Pflege allerdings hält sie nur zögerlich Einzug, wie Experten aus Politik, Wissenschaft und Gesundheitswesen auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin diagnostizierten. Dabei wirken Paro und seine Roboter-Kollegen eher abschreckend. "Pflege muss menschlich bleiben", sagte etwa die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, Irene Maier, am Donnerstag. "Technische Assistenzsysteme dürfen allenfalls unterstützen."

Klar ist, dass Digitalisierung helfen kann, das Leben von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zu erleichtern, den Pflegeprozess besser zu organisieren und Bürokratie abzubauen: Michael Wirth von der Union Krankenversicherung in München etwa hat einen "digitalen Pflegepartner" für pflegende Familien entwickelt. Die kostenlose Internetseite leitet Angehörige durch den komplizierten Pflegeprozess, zeigt, wie man einen Pflegegrad beantragt, bietet einen Pflegebudget-Rechner, speichert wichtige Dokumente und Adressen von Ärzten und Freunden und ermöglicht es auch weit von einander entfernt lebenden Angehörigen, Pflegeaufgaben festzulegen und zu verteilen.

Digitalisierung in der Pflege

Dabei steckt der Teufel bei manchen digitalen Anwendungen im Detail: Philipp Seifert etwa hat einen "fast papierlosen" Pflegedienst in Hildesheim gegründet. Dicke Papier-Pflegeakten zu jedem Pflegebedürftigen gibt es nicht mehr - die Pflegenden haben alle wichtigen Daten auf ihrem Tablet. Auch das Büro ist voll digitalisiert: Dienstpläne, Arbeitswege und wichtige Dokumente sind für alle Mitarbeiter von überall her einsehbar. Selbst einen "Wunschdienstplan" gibt es nach seinen Angaben: Auf dem Mitarbeiterportal können Dienste getauscht oder langfristig geplant werden.

Ein System, das Zeit für direkte Pflege schaffen soll. Schließlich verbringen professionell Pflegende derzeit täglich im Schnitt 2,6 Stunden mit administrativen Tätigkeiten. Doch der Pflegedienstgründer stößt auch an Grenzen: "Wir können nicht allein digitalisieren", sagt Seifert. Solange Arztpraxen, Krankenhäuser und auch die Krankenkassen noch Fax und Kopien anfordern, nutzt die modernste Arbeitsorganisation wenig. Seifert fordert deshalb, dass sich alle Teilbereiche des Gesundheitswesens und der Pflege an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Digitalisierungsstrategie aushandeln.

Appell an die Politik

So ähnlich sehen das auch der Deutsche Pflegerat und weitere Verbände aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Sie haben im vergangenen August ein Bündnis zur Digitalisierung der Pflege gegründet. Im Vorfeld des Deutschen Pflegetags appellierten sie an die Parteien, die derzeit in Koalitionsverhandlungen stecken, eine nationale Digitalisierungsstrategie für die Pflege zu entwickeln.

"Digitale Lösungen bieten ein großes Potenzial", heißt es in einem Positionspapier. "Bislang bremsen ungeklärte rechtliche, technische und ökonomische Fragen die Digitalisierung in diesem Bereich jedoch aus." Um solche Fragen zu klären, fordern die Pflegeverbände die Gründung eines Kompetenzzentrums nach dem Beispiel des Health Innovation Hub (hih) des Bundesgesundheitsministeriums. Gefordert sei ein Think-Tank von Experten, der technische, ethische, gesundheitliche und rechtliche Fragen gemeinsam löst. Beteiligt sein sollten insbesondere Pflegebedürftige, Pflegepersonal, Pflegeeinrichtungen, IT-Hersteller und Dienstleister.

Um Anreize für solche Innovationen zu schaffen, schlagen die Verbände die Einrichtung eines Innovationsfonds vor, der aus Beiträgen der Pflegeversicherung finanziert werden könnte. "Um das System Pflege auf digital umzustellen, reicht kein Drehen an einzelnen Stellschrauben", betont das Bündnis. "Die Digitalisierung der Pflege muss strategisch und ganzheitlich angegangen werden. Der rechtliche Rahmen ist umfassend anzupassen."


Quelle:
KNA