Ordensbruder zeigt Wege zu einfachem Leben auf

"Kleine Schritte kann jeder und jede tun"

Loslassen, in sich hineinhören, auf Gott vertrauen: Im Alltag fällt das oft schwer. Wie es mit dem einfachen Leben klappen kann, erklärt Bruder Andreas Knapp. Er empfiehlt einen Blick auf das Lebensmodell seines Ordensgründers Charles de Foucauld.

Das einfache Leben kann damit beginnen, sich von Sachen zu trennen / © Mariia Korneeva (shutterstock)
Das einfache Leben kann damit beginnen, sich von Sachen zu trennen / © Mariia Korneeva ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was hat Sie so an Charles de Foucauld fasziniert, dass Sie später seinem Orden beigetreten sind?

Bruder Andreas Knapp (Ordensmann der Kleinen Brüder vom Evangelium, Priester und Autor): Charles de Foucauld hatte ein sehr außergewöhnliches Leben. Er stammte aus einer begüterten Familie. Er hatte alles, konnte das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster werfen und hat aber auch die Frage nach Gott dabei völlig aus dem Blick verloren. Er hat den Glauben schon als Jugendlicher aufgegeben.

Eine wichtige Erfahrung war für ihn die Erfahrung in der Sahara. Er hat dort die Entdeckung der Stille gemacht, der großartigen Landschaft, aber auch der betenden Muslime. Und das hat ihn wieder auf die Frage nach Gott zurückgeführt. Er hat dann sein ganzes Leben umgekrempelt und hat in Jesus von Nazareth das Vorbild gefunden. Er möchte so leben, wie Jesus in Nazareth gelebt hat, nämlich in einer großen Einfachheit, in einer Stille, in der familiären Verbundenheit, eher an einem unscheinbaren Ort, aber genau dort das Kostbare des Lebens und der Nähe zu Gott entdecken

DOMRADIO.DE: Um Charles de Foucauld, um Jesus und auch um Ihren eigenen Lebensweg geht es in Ihrem neuen Buch "Wer alles gibt, hat die Hände frei". Frei wofür?

Bruder Andreas: Frei, um zunächst einmal sich selbst als Geschenk aus der Hand Gottes zu erleben. Wir denken immer, dass wir uns selber beweisen müssen und dass wir uns durch Erfolge erst groß machen müssen. Das kann ungeheuer zwanghaft werden, dass man immer vom einen zum andern jagt. Durch das Loslassen kann man frei werden, um zu empfangen. Leere Hände können auch etwas annehmen und empfangen.

Wenn jemand nur die Hände zusammenkrampft und festhält, dem kann man ja gar nichts in die Hände legen. Also diese ganz entscheidende Freiheit ist, dass ich mich als Geschenk selbst erfahren kann. Mein Leben ist mir geschenkt und damit aber auch alle meine Beziehungen.

Das wäre die nächste Stufe der Freiheit, dass ich auch in meinen Beziehungen empfangen und loslassen kann und dass Beziehungen eben auch ein freies Wechselspiel werden, wo ich andere nicht kontrolliere, sondern wo wirklich Liebe möglich ist. Frei werden vielleicht schließlich, um auch in Dienst für andere zu treten. Frei, um mich dann auch von anderen gebraucht zu werden.

Genau das war ein wichtiges Anliegen von Charles de Foucauld, nämlich zu Menschen zu gehen, die am Rand stehen, die abgedrängt waren, die sehr isoliert waren und ihnen die Botschaft von der Nähe Gottes zu verkünden. Als Dienst und als Brüderlich- oder Geschwisterlichkeit.

DOMRADIO.DE: Sie sprechen in Ihrem Buch von der Pandemie des Kapitalismus und dem kapitalistischen Virus und bringen ein sehr schönes Beispiel, das ich schnell mal zitiere: "Wenn Jeff Bezos, also der Amazon-Gründer und einer der reichsten Männer der Welt, drei Schnitzel gegessen hat, ist er satt. Und die potenziellen Milliarden Schnitzel, die er sich auch noch leisten könnte, die bleiben virtuell. Wozu dann die ganze Schnitzeljagd?" Das ist eigentlich glasklar, wenn man das hört. Trotzdem wünschen wir uns oft, wir könnten auch Jeff Bezos sein. Warum ist das bloß so?

Bruder Andreas: Ja, in uns steckt ein großer Hunger nach Erfüllung. Und wir verwechseln dann oft, dass das Quantitative gar nicht unbedingt etwas Qualitatives mehr mit sich bringt. Wir meinen, wenn wir immer mehr haben, dass wir dann schon erfüllter sind. Aber letztlich hinterlässt die Jagd nach immer mehr Besitz auch immer eine gewisse Leere. Denn das eine, was ich habe, verlangt ein Stück weit schon wieder das nächste. Das ist diese unendliche Kettenreaktion des immer mehr haben Wollens.

Worum es geht, ist ja eine Qualität des Lebens. Dass ich das, was mir gegeben ist, schätzen lerne. Dass ich es verkosten lerne, dass ich es in Dankbarkeit annehme und lebe, dass ich irgendwo bleiben kann und dass ich mich über das, was mir geschenkt wird, freue und in dieser Freude Erfüllung finde und nicht dem Wunsch hinterherhänge, schon wieder nach dem Nächsten zu jagen.

DOMRADIO.DE: Sie selbst haben als Ordensmann keinen Privatbesitz. Alles gehört der Gemeinschaft und auch die verzichtet auf alles Überflüssige. Gibt es da auch Zwischenstufen für Leute, die sagen, so radikal kriegen sie das nicht hin? Oder anders gefragt, wie kann man mit dem "einfacher Leben" anfangen?

Bruder Andreas: Da gibt es viele Möglichkeiten, dass ich lerne, dass, was mir gegeben ist, mit anderen zu teilen. Das können geistige Fähigkeiten sein. Beispielsweise wenn jemand in der Migranten-Arbeit tätig ist und Flüchtlinge begleitet und dort seine Fähigkeiten mit ihnen teilt, indem man Deutschunterricht mit ihnen macht. Da beginnt ja schon, dass ich etwas von dem, was mir gegeben ist, mit anderen teile.

Das kann natürlich auch materiell sein, indem man versucht, auf bestimmte überflüssige Dinge zu verzichten. Auch in Hinblick auf unsere so bedrohte Schöpfung und den so bedrohten Planeten, dass wir nicht allen Moden nachjagen müssen, dass es nicht jedes Jahr ein neues Handy sein muss. Denn wir wissen alle, was das für die Ressourcen unseres Planeten bedeutet. Also kleine Schritte kann jeder und jede tun.

DOMRADIO.DE: Ihre Gemeinschaft setzt darauf, Lebensstil und Arbeitsbedingungen der kleinen Leute, der ganz einfach Lebenden zu teilen. Gleichzeitig setzen sie aber auch ganz stark aufs still werden. Was hat die Stille mit einem einfachen Leben zu tun?

Bruder Andreas: Es geht darum, auch eine innere Einfachheit einzuüben. Wir sind es in unserer Gesellschaft gewohnt, dass ständig Nachrichten kommen, ständig neue Informationen. Und wir rotieren dann in unserem Kopf immer um ganz viele Probleme politischer oder wirtschaftlicher Art oder man beschäftigt sich jeden Tag mit neuen Corona-Zahlen. Das kann eine innere Unruhe hervorrufen.

Die Stille hilft, dass ich wieder zu mir selbst finde, was ich eigentlich will. Dass ich spüre, dass der Geist Gottes in mir wohnt, dass ich selbst auch wieder wahrnehme, was eigentlich der Sinn meines Lebens ist. Die eigene Tiefe, dass ich mich über mich selbst freuen kann, über das, was Gott mir schenkt. Stille bedeutet, sich mal auszuklinken aus diesem großen Räderwerk der vielen Informationen und des ständigen Unterwegsseins und des Belagertseins von vielen Neuigkeiten, und sich wieder zu konzentrieren, wieder zum Zentrum zurückzukommen.

Das Zentrum ist der Glaube, dass Gott mich kennt, dass ich für ihn wertvoll bin, dass mein Name in seiner Hand geschrieben ist. In der Stille kann ich mich wieder darauf konzentrieren, mich darüber freuen und aus inneren Quellen leben.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Hinweis der Redaktion: Das Buch "Wer alles gibt, hat die Hände frei - Mit Charles de Foucauld einfach leben lernen" (176 Seiten) ist im bene!-Verlag erschienen und kostet 18 Euro. 


Symbolbild: Weg zu einem einfachen Leben / © Prostock-studio (shutterstock)
Symbolbild: Weg zu einem einfachen Leben / © Prostock-studio ( shutterstock )
Quelle:
DR