Zentraler Gedenkakt für Flutopfer im Aachener Dom

Deutschland trauert wieder gemeinsam

Holzkreuze an Straßen, Kerzen und Blumen am Ufer, stilles Gebet in Kirchen: Die Menschen in den Flutgebieten suchen nach Wegen, mit der Katastrophe umzugehen. Dazu soll auch ein zentraler Gedenkakt in Aachen beitragen.

Autor/in:
Von Christoph Arens
Kruzifix an der Außenwand der Kirche Sankt Laurentius in Ahrweiler  / © Harald Oppitz (KNA)
Kruzifix an der Außenwand der Kirche Sankt Laurentius in Ahrweiler / © Harald Oppitz ( KNA )

Deutschland trauert gemeinsam - zum zweiten Mal in diesem Jahr: Im April die zentrale Gedenkfeier in Berlin für die Opfer der Corona-Pandemie. Und nun am Samstag ein ökumenischer Gottesdienst mit anschließender Rede des Bundespräsidenten für die Opfer der Flutkatastrophe im Aachener Dom. DOMRADIO.DE überträgt ab 10 Uhr live.

Mitten in Europa

Ein repräsentativer und symbolischer Ort mitten in Europa. Denn Aachen liegt nicht nur inmitten der westdeutschen Regionen, die vom Hochwasser Mitte Juli besonders betroffen waren. Auch in den direkt angrenzenden Nachbarregionen Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs gab es Todesopfer.

Aachener Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aachener Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Repräsentanten der Nachbarländer und deren Kirchen werden deshalb teilnehmen. In NRW, Rheinland-Pfalz und vielen Teilen Deutschlands werden die Flaggen an öffentlichen Gebäuden auf Halbmast gesetzt. Rheinland-Pfalz hat für kommenden Mittwoch zu einem eigenen Staatsakt am Nürburgring eingeladen.

Fernsehübertragung

Die Initiative zur Gedenkfeier ging von den beiden großen Kirchen sowie der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) aus. Predigen werden in dem ökumenischen Gottesdienst, der ab 10.00 Uhr live im ZDF übertragen wird, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Auch Vertreter von Judentum und Islam gestalten die Feier mit.

Vertreter aus der Politik

Erneut ergänzen sich kirchliches und staatliches Opfergedenken. Im Anschluss an den Gottesdienst - die Trennung von Staat und Kirche beachtend - wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von einem eigenen Pult aus im Dom eine Ansprache halten.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Spitzen von Bundesrat, Bundestag und Bundesverfassungsgericht, Reiner Haseloff, Wolfgang Schäuble (beide CDU) und Stephan Harbarth, haben ihre Teilnahme zugesagt. Dazu Malu Dreyer (SPD) und Armin Laschet (CDU) als Ministerpräsidenten der beiden besonders betroffenen Bundesländer.

Zu Wort kommen sollen auch Betroffene der Flutkatastrophe, Helferinnen und Helfer sowie Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger.

Ein junger Mann steht im leer geräumten Haus seiner Tante / © Harald Oppitz (KNA)
Ein junger Mann steht im leer geräumten Haus seiner Tante / © Harald Oppitz ( KNA )

Traumabewältigung

Die Feier fällt in eine Phase, in der die akute Nothilfe vielfach abgeschlossen ist. Doch der Alltag wird nicht leichter, wenn Schlamm und Müll weggeräumt sind, wie Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) betont.

"Wir rechnen mit einer Welle traumatisierter Menschen", sagt auch der Vorsitzende des Deutschen Psychotherapeuten-Netzwerks (DPNW), Dieter Adler. "Diese wird kommen, wenn das Adrenalin gesunken ist und die Betroffenen sich der mittelbaren Schäden bewusst werden."

Solidaritätsbekundung

Die Kirchen wollen der Trauer über die rund 180 Toten Ausdruck geben, andererseits aber auch Mut machen und die große Solidarität würdigen. "Die vielen Toten, die Trauernden und alle, die jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, sollen nicht vergessen sein", erklärten Bedford-Strohm und Bätzing im Vorfeld.

Zugleich betonten sie: "Wir sind überwältigt von der Hilfe und Solidarität, die die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und gerade auch aus dem Ausland den Menschen in den Flutgebieten entgegenbringen."

Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Aus Sicht des Erfurter katholischen Liturgiewissenschaftlers Benedikt Kranemann sind solche zentralen Gedenkakte wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Kranemann, der über die Trauer- und Gedächtniskultur nach Großkatastrophen wie dem ICE-Unfall von Eschede, dem Tsunami oder dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg forscht, betont, dass auch in einer multikulturellen Gesellschaft Menschen nach Wegen suchten, mit solchen Krisen umzugehen. Gottesdienste sollten dann vor allem Lebensmut schenken, Trost und Perspektive geben.

Glaube als Halt

Auch Notfallseelsorger Marco Limberger weiß von vielen Begegnungen im Ahrtal, dass der Glaube ein Halteseil im Chaos sein kann. In vielen Orten gebe es Stellen der Erinnerung; etwa selbst gezimmerte Holzkreuze an einer Bushaltestelle, sagte der katholische Seelsorger der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück.

Den zentralen Gottesdienst im Aachener Dom begrüßt Limberger als Zeichen bundesweiter Solidarität. Er zeige den Menschen: "Ihr seid nicht vergessen."

Flutkatastrophe in Deutschland im Sommer 2021

Der Starkregen und das Hochwasser vom 14. und 15. Juli in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz war eine der folgenschwersten Naturkatastrophen in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt kamen mehr als 180 Menschen ums Leben, hunderte wurden verletzt.

Es entstanden Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe. Bund und Länder wollen für den Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon (KNA)
Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon ( KNA )
Quelle:
KNA