Chinas Kommunistische Partei begeht 100-jähriges Bestehen

"Auch die Religionen sollen die Partei zur großen Feier preisen"

Vor hundert Jahren, am 23. Juli 1921, wurde Chinas Kommunistische Einheitspartei KP gegründet. Dabei werden dunkle Zeiten wie die Kulturrevolution ausgeblendet, sagt die Chefredakteurin der Zeitschrift "China Heute".

Gottesdienst in Peking / © Gilles Sabrie (KNA)
Gottesdienst in Peking / © Gilles Sabrie ( KNA )

KNA: Frau Wenzel-Teuber, beim Thema Gewährung von Menschenrechten wie der Religionsfreiheit erntet China regelmäßig internationale Kritik. Inwieweit ist das Absicht der Kommunistischen Partei? Oder hängt dies eher vom jeweiligen Staatspräsidenten ab - der ja zugleich Partei-Sekretär ist?

Katharina Wenzel-Teuber (Chefredakteurin der Zeitschrift "China Heute"): Natürlich will die KP Chinas keine internationale Kritik. China agiert aber zunehmend selbstbewusst und versucht inzwischen selbst, die internationale Meinung aktiv zu beeinflussen. Die Partei hat schon immer die Richtlinien der staatlichen Politik vorgegeben. Staatspräsident Xi Jinping ist sicherlich ein Parteichef, der stärker als seine unmittelbaren Vorgänger die Partei geformt und mehr Macht auf sich konzentriert hat. Unter Xi fand 2018 ein Verfassungsumbau statt, der die Dominanz der Partei über den Staat weiter ausbaute. Beispielsweise wird die Aufsicht über die Religionsgemeinschaften seither direkt von einer Parteibehörde und nicht vom Staat ausgeübt.

KNA: Laut Angaben von Menschenrechtlern muss in China sogar die Übersetzung der Bibel auf die Ziele der KP ausgerichtet werden. Dennoch wächst die Zahl der Christen im Land. Wie passt das zusammen?

Wenzel-Teuber: Nicht nur die Bibel. Alle Religionen sollen ihre Lehren im Einklang mit den "sozialistischen Kernwerten" so auslegen, dass sie dem "Fortschritt der Zeit" entsprechen. Das gehört zur Politik der Sinisierung, die den Religionen seit einigen Jahren verordnet wird.

Die Zahl der protestantischen Christen, besonders in den inoffiziellen Hauskirchen, ist von rund einer Million Gläubigen im Jahr 1949 auf heute 40 bis 80 Millionen gestiegen. Dieses rasante Wachstum hat bei einigen chinesischen Wissenschaftlern Sorgen ausgelöst, dass das "ökologische Gleichgewicht der Religionen" in China verlorengehen könnte. Sie haben als Gegenmaßnahme eine Sinisierung des Christentums gefordert. Ob allerdings die Zahl der Christen auch heute noch wächst, ist unklar. Bei der katholischen Kirche Chinas vermutet man, dass die Mitgliederzahl inzwischen auf einem Plateau von 10 Millionen stagniert.

KNA: Wie hat sich die Partei in den 100 Jahren bis heute gegenüber den Religionen verhalten?

Wenzel-Teuber: Erste Aufeinandertreffen gab es schon in der Frühzeit der Partei. Beispielsweise benutzte die Rote Armee 1935 auf ihrem Langen Marsch die katholische Kirche von Zunyi in der Provinz Guizhou als Versammlungsort. Sie ist heute Teil eines Revolutionsmuseums, im Altarraum der ehemaligen Kirche hat man eine lebensgroße Figur von Mao Zedong aufgestellt.

Nach ihrem Sieg im Bürgerkrieg und der Gründung der Volksrepublik China 1949 versuchten die Kommunisten, ausländischen "imperialistischen" Einfluss auf die chinesischen Kirchen auszuschalten. Dazu kam ein Misstrauen gegenüber der katholischen Kirche, weil diese im Bürgerkrieg weitgehend auf der Seite der gegnerischen Partei Kuomintang gestanden hatte. Alle Missionare wurden ausgewiesen, es kam zu ersten Verhaftungswellen.

KNA: In den 50er Jahren mussten dann alle fünf anerkannten Religionen "patriotische Vereinigungen" gründen...

Wenzel-Teuber: Ja, diese Vereinigungen sind bis heute das Rückgrat der chinesischen Religionspolitik. 1958 wurden dann auf Druck der chinesischen Führung zum ersten Mal chinesische katholische Bischöfe ohne päpstliche Ernennung geweiht. Dies führte zu leidvollen Spaltungen in der chinesischen Kirche. Während der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 zerstörten von Mao aufgestachelte Rotgardisten die Stätten aller Religionen. Kleriker wurden mit Schandhüten an den Pranger gestellt, kamen in Arbeitslager oder ums Leben. Glaube konnte nur heimlich weitergegeben werden. Es war eine traumatische Zeit.

KNA: Wie ging es nach der Kulturrevolution weiter?

Wenzel-Teuber: Nach Maos Tod 1976 wurde eine Politik der Öffnung eingeleitet, auch in Bezug auf die Religionen. Es kam dann in China zu einem enormen Wiederaufleben der Religionen, man sprach sogar von einem "Religionsfieber". Viele Menschen suchten nach Werten und nach Orientierung.

Seit den 80ern hat es immer mal wieder lockerere und restriktivere Phasen in der chinesischen Religionspolitik gegeben. Eine besonders restriktive Phase erleben Chinas Gläubige zurzeit. Vielleicht deshalb, weil die aktuelle Parteiführung den im Zuge der Öffnungspolitik gewachsenen Pluralismus in der Gesellschaft als Bedrohung für ihre Macht ansieht. Die Behörden üben noch stärkere Kontrolle über die offiziell registrierten religiösen Gruppen aus und gehen massiv gegen nicht registrierte Gruppen vor, beispielsweise den katholischen Untergrund.

KNA: Ist das alles rein marxistisch-sozialistisch oder auch spezifisch chinesisch?

Wenzel-Teuber: Schon im alten China waren die Religionen der staatlichen Macht untergeordnet. Der Kaiser bestimmte, welche religiösen Lehren offiziell erlaubt waren. Kriterium war, ob sie der öffentlichen Moral, Ordnung und Harmonie zuträglich waren. Es gab teilweise auch schon Vorschriften für die Registrierung etwa des buddhistischen Klerus.

KNA: Welche Erwartungen hat die Partei an die Religionen anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums?

Wenzel-Teuber: Im Vorlauf zur großen Geburtstagsfeier am 1. Juli müssen alle Sektoren der Gesellschaft die Partei preisen. Auch die offiziellen Religionsgemeinschaften können sich dieser Pflicht nicht entziehen. Das chinesische Internet ist voll von entsprechenden Meldungen: Da findet man zum Beispiel einen muslimischen Predigtwettbewerb zum Thema 100 Jahre Partei, ein daoistisches Quiz zur Parteigeschichte oder eine buddhistische Kunstausstellung zum Lob der Partei. An manchen Orten führen protestantische oder katholische Chöre patriotische Lieder auf. Offizielle Vertreter aller Religionen pilgern zu "roten" Gedenkstätten der Revolution - wie der in Zunyi.

"Die Parteigeschichte studieren, die Güte der Partei fühlen, auf die Partei hören, mit der Partei gehen" ist das offizielle Motto. Doch was als Geschichte gilt, definiert die Partei. Dunkle Zeiten wie die Kulturrevolution kommen in ihrem Narrativ nicht vor. Viele Gläubige - auch wenn sie stolz auf ihr Land sind - haben da sicher andere Erinnerungen.

Das Interview führte Sabine Kleyboldt.

 

Quelle:
KNA