Kirche in Argentinien warnt vor wachsender Armut

In der Abwärtsspirale

Wachsende Armut und eine anhaltende Wirtschaftskrise in Argentinien lassen mahnende Stimmen der Kirche lauter werden: Die Lage könne außer Kontrolle geraten. Auch der Papst appelliert an sein Heimatland.

Autor/in:
Tobias Käufer
Obdachloser Mann / © Felipe Mahecha (shutterstock)

Fast 95.000 Covid-Tote, ein sprunghafter Anstieg der Armutsrate und wachsende Wut in der Bevölkerung wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise: Argentinien schafft es bislang nicht, der Abwärtsspirale der Corona-Pandemie zu entkommen. Zudem hat der kalte Winter gerade erst begonnen, der die Infektionslage weiter verschärft.

Einstieg in den Drogenhandel

In dieser verzweifelten Lage verfallen offenbar mehr und mehr junge Argentinier der Verlockung des schnellen Geldes und steigen in den Drogenhandel ein. Armenpriester in Buenos Aires haben darin bereits die nächste Problematik erkannt: "Die Pandemie der Drogen ist anhaltender und tödlicher als Covid", schreibt das Portal "Cope" unter Berufung auf ein Dokument, das die Armenpriester für die nächste kirchliche Vollversammlung vorbereiten wollen, um den Blick auf die dramatischen sozialen Folgen der Wirtschaftskrise zu lenken.

Der Vorsitzende der Argentinischen Bischofskonferenz, Bischof Oscar Ojea, warnt laut der Zeitung "La Nacion": "Wenn die Aufmerksamkeit für das Ausmaß der Not verloren geht, könnten wir Situationen erleben, die außer Kontrolle geraten." Der Einsatz des Staates sei groß, und es gebe viel Hilfe - aber es brauche ständige Wachsamkeit.

"Wir sind am Limit", so Ojea. In der Bevölkerung ist das Bewusstsein dafür offenbar vorhanden: Die Caritas meldete jüngst hohe Spendeneingänge.

Für Bischof Ojea ist die Kritik an der Regierung freilich ein Balanceakt. Papst Franziskus gilt allgemein als Fürsprecher des linksgerichteten Präsidenten Alberto Fernandez und Vizepräsidentin Cristina Kirchner, die das Land auch bereits acht Jahre regierte (2007-2015). Auch die Mehrheit der Bischöfe und Armenpriester steht eher auf der Seite der Regierung als auf der der konservativen Vorgängerregierung von Mauricio Macri (2015-2019).

Doch in der Bevölkerung wächst auch Unmut. Jüngst appellierte die Kirche im Heimatland des Papstes an Präsident Fernandez sowie die Regional- und Kommunalregierungen, in der Corona-Pandemie endlich "wahre Führungsqualitäten" zu beweisen. Die politisch Verantwortlichen seien aufgerufen, angesichts wachsender Armut, Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit "Disqualifikationen und Positionen, die Ressentiments und Spaltung fördern", zu unterlassen.

Inzwischen sind die Lebensumstände von Millionen von Argentiniern schwierig. Vor allem die nachwachsende Generation ist von Perspektivlosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit betroffen. Wenig Verständnis zeigt die Kirche daher für die aktuellen politischen Machtkämpfe zwischen Regierung und Opposition.

Papst meldet sich zu Wort

In dieser Gemengelage hat Papst Franziskus zuletzt argentinische Unternehmer zu mehr sozialer Verantwortung ermahnt. In einer Gesellschaft mit großer Armut müsse man sich fragen, wie es um die Wirtschaft bestellt ist: "ob sie gerecht und sozial ist oder nur persönlichen Interessen dient", sagte der Papst in dieser Woche per Videobotschaft an eine Tagung christlicher Wirtschaftslenker.

Der christliche Blick auf die Wirtschaft unterscheide sich von einer rein weltlichen oder ideologischen Sichtweise, so das Kirchenoberhaupt. Aus der katholischen Soziallehre könne man ableiten, wie ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erzielen sei.

Der Aufbau eines gerechten Gemeinwesens funktioniere nur, wenn es von allen gleichermaßen mitgetragen werde: von Gewerkschaftern und Unternehmern, Arbeitern und Managern.

Arbeitsplätze würden vor allem durch kleine und mittelständische Unternehmen geschaffen, so das Kirchenoberhaupt; "denn die Kreativität kommt von unten". Finanzielle Investitionen seien in diesem Kontext "lebensspendend, schöpferisch und kreativ". Das Geld "zu verstecken", wirke sich schädlich aus. Besser sei es, durch Investitionen "soziales Vertrauen aufzubauen", betonte Franziskus.

Doch das fehlt derzeit an allen Ecken und Enden.


Quelle:
KNA