Missio sammelt alte Handys

"Für die Umwelt und gegen Sklaverei"

Über 40 wertvolle Rohstoffe stecken in einem Handy. Das katholische Hilfswerk Missio startet deswegen die Woche der "Gold-Handys". Mit der Aktionen sollen Rohstoffe recycelt und Hilfsprojekte unterstützt werden.

Alte Handys und Smartphones / © Maurizio Gambarini (dpa)
Alte Handys und Smartphones / © Maurizio Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie starten die Woche der Goldhandys. Ist denn in allen Handys tatsächlich Gold drin?

Jörg Nowak (Missio Aachen): Ja. Damit ein Smartphone funktioniert, braucht man schätzungsweise 30 Milligramm Gold und andere wertvolle Mineralien wie Coltan. Das hört sich auf den ersten Blick eigentlich ganz wenig an, aber wenn wir bedenken, dass es in Deutschland Millionen alter Handys gibt, die verstauben, die nicht mehr benutzt werden, dann kommt man schätzungsweise auf eine Summe von 6.000 Kilogramm Gold, die in diesen alten Smartphones in deutschen Schubladen liegen.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht es bei ihrer Aktion aber jetzt nicht nur um Wirtschaftliches oder Umweltaspekte, sondern es geht vor allen Dingen darum, darauf aufmerksam zu machen, unter welchen Bedingungen die Rohstoffe für unsere Handys abgebaut werden. Die meisten dieser wertvollen Metalle kommen aus dem Kongo. Sie waren selbst schon mehrfach dort. Was haben Sie da gesehen?

Nowak: Ich habe dort die Missio-Projektpartnerinnen und -partner besucht, die sich in den Bürgerkriegsregionen um die notleidende Bevölkerung kümmern. Dorfbewohner, die von Rebellen entführt worden sind und die dann wie Sklaven in den Minen gehalten worden sind, um dort nach Gold und Coltan zu schürfen.

Besonders leiden die Frauen, weil die sexuelle Gewalt dort eine ganz abscheuliche Kriegswaffe ist. Ich habe eine Frau namens Rachel getroffen, die mich sehr beeindruckt hat. Sie hat lange in diesen Minen arbeiten müssen. Sie ist jeden Tag brutal vergewaltigt worden.

Ungefähr alle 14 Tage hörte sie, dass an der Mine ein Helikopter ankam. Dann musste sie Säcke zu dem Hubschrauber schleppen, wo diese Mineralien drin waren und Holzkisten ausladen. Sie wusste nicht genau, was in diesen Holzkisten ist, aber es wird vermutet, dass es Waffen waren.

Bei dieser Geschichte ist mir deutlich geworden, wie diese brutale Lieferkette funktioniert. Es gibt eine Infrastruktur, wo mit Helikoptern zu den Rebellen geflogen wird, um die Mineralien außer Landes zu bringen. Dabei werden oft gefälschte Urkunden, Dokumente und sonstige Zeugnisse verwendet, um die Mineralien auf den Weltmarkt zu bringen und möglichst viel Profit zu erwirtschaften. Und letztendlich landet das in unseren Smartphones und anderen elektronischen Geräten.

DOMRADIO.DE: Wir reden da auch über das Thema Kinderarbeit. Heißt das denn ausnahmslos, dass jedes Handy, das wir benutzen, Anteile enthält, die unter sklavenähnlichen Bedingungen hergestellt wurden?

Nowak: Leider ja. Mit diesem Thema beschäftigen sich Missio und viele andere Organisationen schon seit vielen Jahren und prangern das an. Missio hat 2012 zum ersten Mal auf dieses Thema aufmerksam gemacht. Seitdem hat sich etwas bewegt! Vor einigen Jahren das sogenannte Fairphone auf den Markt gekommen. Ein eigentlich vorbildhaftes Smartphone, welches ganz streng nach fairen Kriterien hergestellt wurde und wo ganz deutlich war: keine Kinderarbeit, keine Blut-Mineralien und so weiter. Andere Smartphone-Hersteller haben dann auch tendenziell nachgezogen.

DOMRADIO.DE: Was soll ich denn mit meinen Handys machen?

Nowak: Es gibt zwei Wege, um alte Smartphones für einen guten Zweck zu spenden. Wir haben auf unserer Website eine Karte mit über 700 Stellen mit Annahmeorten, wo man sein altes Smartphone abgeben kann. Das sind katholische Gemeinden, Schulen, Stadtverwaltungen, Geschäfte und so weiter.

Wer in Zeiten von Corona lieber per Post sein altes Smartphone an Missio in Aachen verschicken will, kann das auch tun. Damit sich das lohnt, ist es natürlich sinnvoll, alte Smartphones zu sammeln. Dann macht man eine kleine Warensendung, schickt das an Missio und dann leiten wir das an ein kleines Recyclingunternehmen.

Das Unternehmen recycelt entweder diese wertvollen Mineralien oder haucht den Smartphones ein zweites Leben ein. Und so kann man aus diesen Smartphones etwas Gutes rausholen. Ein Teil des Erlöses kommt Hilfsprojekten im Kampf gegen moderne Sklaverei zugute. So kann man mit seinem alten Smartphone etwas für die Umwelt tun und für Hilfsprojekte im Kampf gegen moderne Sklaverei.

DOMRADIO.DE: Sie veranstalten ab Dienstag eine Online-Konferenz, unter anderem auch mit dem Entwicklungsminister. Die heißt "Eine Welt, keine Sklaverei". Geht es da auch um Handys?

Nowak: Da geht es auch um Handys. Als erstes geht es aber ganz generell um die unglaubliche Tatsache, dass es heute noch nie so viele Menschen gab, die versklavt worden sind wie jemals in der Geschichte. Wir reden über 40 Millionen Männer, Frauen und Kinder. Und das ist sozusagen der Einstieg in dieses Thema. Und dagegen will sich Missio engagieren.

Das Interview führte Martin Mölder.

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
DR
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